Quo Vadis AfD?

Anlässlich des Parteitages der AfD in Hannover habe ich mir ein paar Gedanken über die drei Flügel der Partei, der Bedeutung der Liberalen in der Partei und der Personen Petry und Höcke gemacht. Die Überarbeitung des Artikels hat sich hingezogen, deshalb wurde noch einige zeitspätere Ergänzungen vorgenommen.

Anlässlich des Parteitages der AfD in Hannover habe ich mir ein paar Gedanken über die drei Flügel der Partei, der Bedeutung der Liberalen in der Partei und der Personen Petry und Höcke gemacht. Die Überarbeitung des Artikels hat sich hingezogen, deshalb wurde noch einige zeitspätere Ergänzungen vorgenommen.

Ich merke wie mich die letzten Artikel zum aktuellen Zeitgeschehen von grundsätzlicheren Betrachtungen und auch anderen Aufgaben zur Zeit fernhalten. Allerdings bietet der AfD-Parteitag, der dieses Wochenende in Hannover stattgefunden hat, einen Anlass über Dinge zu sprechen, die ich schon seit geraumer Zeit noch in Worte kleiden wollte und dann irgendwie verpasst habe. Da haben sich einige Gedanken summiert, die ich gerne jetzt abhaken möchte. Ich will mich daher mit dem Parteitag auch gar nicht soweit inhaltlich und seinen Ergebnissen befassen oder dem mal wieder obligatorischen Großaufgebot antidemokratischer „breiter Bündnisse“ im Zusammenspiel mit der Antifa, die es mal wieder unmöglich macht, eine in unserer Demokratie eigentlich absolut normale Veranstaltung mit einer angemessenen Würde über die Bühne gehen zu lassen. So wie es zuletzt auch schon auf der Frankfurter Buchmesse der Fall war aber auch schon beim Bundesparteitag der AfD im letzte Jahr. Wer sich für eine kleine Brandrede zu diesem Thema interessiert, mag ich dieses frische Video von Friedrich von Osterhal zu diesem Thema empfehlen:

Mir geht es um ein Thema, das jetzt auch die Presse beschäftigt. Auf einem Parteitag werden inhaltliche Schwerpunkte gesetzt und besprochen und daran gebunden auch neue personelle Realitäten geschaffen. Wer führt die Partei bis zur nächsten turnusgemäßen Neuwahl? Und wohin steht zu erwarten, dass diese Person die Partei führen? Flügelkämpfe sieht die Presse, nicht ganz zu Unrecht, wohl aber eine solche Richtungsdebatte auch Kerngeschäft der internen demokratischen Verfasstheit gesunder Partein ist und sein sollte, so sieht es auch das Parteiengesetz vor. Aber natürlich will man wissen, wohin der „gärige Haufen“ steuert und ob er eben übersäuert, statt zu reifen, wie es auf Tichys Einblick hieß. Wer sich dazu Analysen im Vorfeld aber jetzt auch im Nachgang der neuen Personalentscheidungen lesen will, kann ich die Artikel dort empfehlen. Mich persönlich interessieren personelle Fragen und die Ausrichtung von Personen wie Pazdersky an dieser Stelle nur indirekt und zweitrangig. Ich will darauf eingehen, welche Bedeutung ich den Flügeln der Partei beimesse und welche politischen AusrichtungEN ich mir in Zukunft für die Partei wünsche. Zu diesem Zweck werde ich noch einmal zwei ältere Fälle nämlich Höcke und Petry aufwärmen. Ich entwickle diese Gedanken an dieser Stelle eher spontan und greife ältere Gedanken nochmal einmal auf, es kann also sein, dass der Text etwas inkohärent wird.

Von welchem Rechtsruck reden wir eigentlich?

Da der AfD die ständige Gefahr eines zu weitgehenden Rechtsrucks, selbst von wohlwollenden Medien, attestiert wird, der wie ein Schatten über der ganzen Partei, wie ein Damoklesschwert schwebt, will ich hier einmal in die Bresche springen.In gewisserweise trifft es sich, dass ich gestern – ich schreibe dies hier am Sonntagabend nach dem Parteitag – eine kleine Diskussion auf Twitter dazu hatte. Wenn wir über den „Rechtsruck“ der AfD reden, reden wir über eine Grundsatzfrage, von der aus sich auch klären lässt, was wann wie und ob überhaupt nach rechts rückt.

Die AfD ist ein besonderes Phänomen, das prinzipiell drei große geistige Strömungen verbindet, die sich organisch aus der Dynamik des Parteientwicklungsprozesses zusammen gefunden haben. Die AfD ist Fleisch vom Fleische der CDU und der FDP, die in zwei für deren politische Identität zentralen Punkten nämlich einer (neo)liberalen Wirtschaftspolitik und liberalkonservativen bis rechtskonservativen Gesellschaftspolitik sämtliche Substanz verloren haben. Dies geschah im Zuge der Sozialdemokratisierung der CDU und politischen Herausforderungen wie der Finanz- und der Eurokrise. Dies war der ursprüngliche Spaltnagel, der von der Flüchtlingskrise nur noch einmal schärfer eingeschlagen wurde. Das Wählerklientel der AfD ist nicht etwa das Ergebnis einer ursächlichen Verrechtung der Gesellschaft sondern der Verlinkung der etablierten Parteien, die mit ihren Häutungen in Richtung Links-Mitte sowohl Politiker als auch Wähler hinter sich ließen und ignorant gar nicht in Betracht zogen, sie könnten sich von ihnen ab und einer anderen, rechten Kraft zuwenden. So wuchs im Zuge der Euro-Krise um den damaligen Vorsitzenden Bernd Lucke eine vor allem an (Volks)wirtschaftsfragen interessierte neoliberal orientierte Partei heran, die den Euro und die EU insbesondere aus marktliberaler Sicht und wirtschaftswissenschaftlicher Vernunft fundamental kritisierte.

Im Zuge des allgemeinen Wachstums der (Wirtschafts)Professorenpartei zu einer Bürgerpartei mit breiterem Standing, nahm man dann die unzufriedenen Konservativen der CDU, die in ihrer Partei keine Heimat mehr hatten, ebenfalls auf und vereinte die damalige Zweifaltigkeit von CDU und FDP eben direkt in einer einzigen Partei. Ideologisch war man sich nämlich aus den alten Zeiten ja immer noch nah.

Die dritte große Strömung zog vor allem peu a peu ein und orientierte sich am Versprechen der AfD eine Alternative zu sein und sich auch gesellschaftlichen Strömungen anzunehmen, die im zunehmend links-dominierten Diskursraum gar keine Daseinsberechtigung mehr zu haben schienen. Diese Leute sind nicht genau mit Konservativen deckungsgleich, auch wenn man sie in der CDU als rechtskonservative bezeichnet hätte, sondern kommen und kamen aus dem großen Zwischenfeld zwischen der CSU und der NPD. Die Rede ist von den Deutschnationalen.
Es ist eine ziemliche Vereinfachung und Verkürzung das rechte Spektrum so zu sehen, als passte zwischen CSU und NPD kein Blatt Papier mehr auf dem politisch-rechten Spektrum und als hörte damit rechts von der CSU der Bereich des Tragbaren automatisch auf. Das ist eine, ich will das hier an der Stelle nicht zu weitreichend ausführen, seit Jahren gepflegte und nützliche Tradition gewesen, alles was irgendwie national oder patriotisch gesinnt war, mit der Nazi-Keule zu den Nazis und ihren Parteien (insbesondere die NPD) zu schlagen, ob das nun wirlich Neo-Nationalsozialisten oder Faschisten waren oder nicht, ob es Rechtradikale und -extreme waren oder nicht. Und die Nazis nahmen sie natürlich dankbar auf. Es wurde diesen Parteien und Organisationen so gezielt ermöglicht auf Jahre hinweg die Deutungshoheit über den gesamten nationalen Raum zu beanspruchen und ihn zu vertreten. Man wollte ihnen den auch gar nicht mehr streitig machen. Wer Patriot, wer ein (gemäßigter) Nationaler war oder sein wollte, hatte wenn er nicht unpolitisch bleiben wollte, kaum andere Möglichkeiten als halbseidende von ewiggestrigen, demokratiefeindlichen Ideen durchdrungene Parteien oder Organisationen.
All diese Leute, denen das bisherige deutschnationale Angebot zu radikal, zu extrem war, die zurückscheuten vor Demokratiefeinden, Rassisten und Antisemiten aber die mit der aufziehenden Multi-Kulti- und späteren Zuwanderungspolitik nicht einverstanden waren, fanden in der AfD eine Kraft, die sie ufnahm und nicht gleich samt und sonders ausgrenzte, wie es CDU und CSU getan hatten, die sich das Nationale nur dann und wann wie den Christbaumschmuck einmal im Jahr umlegten.

Am Ende besteht die AfD nicht, wie kolportiert, nur aus einem liberalen und einem rechten Flügel. Das ist wiederum nur ein Ausdruck des Verlernens einer Differenzierung. Der rechte Flügel der AfD sind nämlich eigentlich zwei Flügel. ImE rgebnis sind es also eine liberale Strömung, eine konservative bis rechtskonservative Strömung und eine deutschnationale Strömung. Sicher haben die letzteren Beiden inhaltliche Überschneidungspunkte, sind aber keine kongruente Angelegenheit. Gauland, der gerne als rechter Hardliner dargestellt wird, ist als CDU-Urgestein eher Vertreter des Konservatismus in der Partei als eines dezidierten Nationalismus.

Wenn von einem Rechtsruck der AfD gesprochen wird, dann meint man aber hauptsächlich die Deutschnationalen (auch wenn gerade den Kritikern von links auch schon die Konservativen zuviel sind) und will damit aber vor allem den linken Gedanken eines allgemeinen moralisches Ausschlusses jeder Art nationalgesinnter Politik oder Theorie aus dem legitimen Diskurs weiter durchsetzen. Nationalismus an sich wird als unvertretbar aufgefasst, die Radikalität oder Fragen nach der Liberalität spielen dabei keine Rolle mehr.
Eine andere Setzung schien in dem Gespräch von gestern auf. Da meinte einer: eine national-liberale Ausrichtung könne er tolerieren, freilich nicht unterstützen, aber er würde sie als Teil des Diskurses damit anerkennen. Und hier sind wir bei einem Problem.
Das „liberal“ sagt nur etwas darüber aus, wie zudringlich die Proklamation des Nationalen in das Leben der Bürger mit gesellschaftlichem Druck oder staatlicher Zwangsgewalt einzugreifen gedenkt. Verwechselt, das Gefühl hatte ich zumindest, wurde das mit einer bestimmten Ausrichtung des Nationalismus, wo wir nämlich beim eigentlich definierenden wären, nämlich welche Art von Nationalismus man idealtypisch anstrebt.

Nun hatte ich zu dem Thema einen eigenen Artikel geplant (der auch den Begriff „völkisch“ kritisch beleuchtet), kam aber noch nicht dazu, ihn zu schreiben, deshalb will ich es an der Stelle kurz halten, dass man in der Politikwissenschaft nationalistische Ansätze je nach Nationsbegriff auf einem Spektrum zwei Idealtypen zuordnen kann. Das ist einmal der republikanische und das andere der völkische Nationalismus. Der republikanische Nationalismus stellt idealtypisch die Staatsbürgerschaft bzw. den Staatsbürger ins Zentrum der Betrachtungen und orientiert sich an Wert- und Verfassungstreue gegenüber dem spezifischen Staatskonstrukt, etwas das mit dem Verfassungspatriotismus in hohem Maße verwandt ist. Der völkische Nationalismus definiert die Nation primär durch Volkszugehörigkeit, durch qualitative Merkmale wie Abstammung oder im weiteren Sinne Identität (gemeinsame Sprache, Kultur, Geschichte, etc.) und formuliert auf dieser Ebene vor allem inhaltliche und weniger formelle Ansprüche.
In der Realität haben wir zwar häufig Nationalismen, die in der Geschichte mal mehr dem einen oder anderen Idealtyp zugeneigt waren, finden aber hauptsächlich Mischformen. Tatsächlich erfasst ein ausgewogener Nationalismus, der beide Seiten bedient, einen Staatsbürger auf beiden Ebenen, verbindet also Zuneigung und Pflichtgefühl gegenüber einem guten und gutgeordneten Staatswesen mit der Tradition aus der es gewachsen ist. In Deutschand herrscht ein Mangel am idealtypisch völkischen Element. Wir sind, so zumindest meine Einschätzung, bis an die Grenzen einer inhaltlichen Selbstverleugnung an den Idealtypus einer Staatsbürger-Nation herangerückt, entbehren aber auch eines Verfassungspatriotismusses ganz stark, weil auf Seiten der sogenannten Biodeutschen die staatliche Autorität als verdächtig demontiert wurde, auf der Seite der Neudeutschen zu diesem Staat in der Regel keine stärkere Bindung besteht, als ihn als einen Anspruchserfüller zu sehen, dem man nur deshalb nicht direkt feindlich gegenüber steht, weil es einen inhaltlich so machen lässt, wie man will.

Nun hat das völkische Element (und allein der Begriff ist außerhalb eines wissenschaftlich-beschreibenden Kontextes unrettbar kontaminiert) einen aus historischen Gründen schlechten Stand, weil die Nazis das Ganze bis hin zu einem rassenkollektivistischen Wahn übersteigert haben, der nicht nur extrem sondern auch totalitär war. Manche nehmen das zum Anlass deshalb Anliegen eines idealtypisch völkisch orientierten Ansatzes, samt und sonders zu beerdigen.
Wenn also von nationalliberal gesprochen wird, meinte mein Gesprächspartner aber vermutlich a priori republikanisch, da sich in der Vorstellungswelt der meisten ein völkisch orientierter oder zumindest ausgeglichener Nationalismus (wir befinden uns wie gesagt auf einem Spektrum) aus sich selbst heraus illiberal oder gar rassistisch sei. Wie gesagt lagen historisch ohnehin immer nur Mischformen vor, sodass das staatsbürgerliche Element und eine freiheitliche Verfassung illiberalen Tendenzen Grenzen setzen, es also zwangsläufig zu keiner Entfesselung des Nationalismus kommen kann, sofern das Staatswesen an sich gesund ist und die Historie belegt eben auch nicht die Thesis einer zwangsläufigen totalitären Entwicklung, die ein Nationalstaat, der sich auch dem völkischen Element zuwendet, nimmt.
Also zur Korrektur: Nationalliberal kann auch ein liberaler völkischer Nationalismus sein, wie wir ihn auch neben dem starken Staatsnationalismus im Deutschen Kaiserreich bei den gleichnamigen Parteien auch fanden.

Eine breite Vertretung im rechten Spektrum

Nun hatte besagter Gesprächspartner eingewandt die AfD sei rechter als die CSU von vor zehn Jahren, was gleichsam nicht viel heißt, da in den späteren 2000er Jahren die CSU wie die CDU schon stark das traditionale nationale Element eben in den Hintergrund gedrängt hatte. Rechtskonservativ mag man noch gewesen sein, also in gesellschaftspolitischen Fragen an den Grenzen des Reaktionären, wobei selbst das zu der Zeit schon stark auf dem Rückzug war. Das Nationale hatte man zu dem Zeitpunkt abseits von überflüssigen Debatten wie um das Holocaust-Mahnmal in der Berlin, längst überwiegend hinter sich gelassen. Wie gesagt: Christbaumschmuck, nicht mehr.
Es ist also schon in Frage zu stellen, ob von „rechter“ überhaupt zu sprechen ist, sondern eher die Frage zu stellen ist, welches Rechts da bearbeitet wurde. Zu sagen eine Partei sei rechter, weil sie sich nationaler/ nationalistischer Politik überhaupt wieder zuwendet, ist schon fragwürdig, wenn man sie nicht an die Radikalität der Forderungen adressiert. Es kann sicher auch eine Haltung sein – und das will ich einem (Links-)Liberalen, wie meinem Gesprächspartner, auch nicht absprechen – das per se eine völkischere Herangehensweise Freiheiten (insbesondere Freiheit der Migration) zugunsten des Traditionalismus einschränkt und jede Freiheitseinschränkung per se als wenig liberal oder illiberal gilt, das wäre aber eine Verkürzung wie die, dass von einem sehr linken Standpunkt aus freilich alles rechts aussehen muss. Auch Maßnahmen zur Steigerung der Sicherheit schränken Freiheiten zwangsläufig ein. Die entscheidende Frage ist immer in welchem Maß.

Weil die AfD diesen deutschnationalen Flügel hat, hat sie ein Alleinstellungsmerkmal und auch etwas von Bedeutung, das sie von den nominell konservativen Alparteien unterscheidet. Dieser deutschnationale Flügel, selbst erstmal von einer nationalistischen, tradtionell identitäspolitischen Agenda getrieben, ist an sich auch noch einmal heterogen eben in der Radikalität der Ansichten und politischen Forderungen. Ich halte diesen Flügel gerade in einer Zeit, in der die Gesellschaft von einer Identitätsdebatte getrieben wird, die die Rechten nicht gestartet haben, wichtig, weil sie alternative Antworten geben, auf ein Konzept von Internationalismus und Multikulturalismus, in dem sich große Teile der Linken und Liberalen im Grunde einig sind, wenn sie auch noch über die Umsetzung und Radikalität streiten.
Eine Nationaldebatte wäre im letzten Jahrhundert sinnlos gewesen, in einer Zeit in der mit Massenmigration und einem fortschreitenden Verzicht auf das Eigene politische Fakten geschaffen werden, hat dieser Debattenbeitrag seine Berechtigung und ist nicht einfach arrogant, präskriptiv als gegenstandslos zu verwerfen. Wie gesagt wir haben die Debatte nicht begonnen, wir antworten nur darauf. Die AfD ist eine demokratische, parlamentarische Kraft und daher am ehesten dazu geeignet diese Debatte im Namen aller konstruktiv und legitim zu führen, die bisher dafür nur die NPD oder Ähnliches zur Verfügung gehabt hätten und davor zurecht zurückscheuten.
An dieser Stelle leistet die AfD dann auch einen unglaublich wichtigen Beitrag eben, in dem sie die ganze Breite des rechten Spektrums auf demokratischem Boden, einschließlich demokratisch orientierter Nationalisten, abdeckt und damit anders als CDU und CSU keinen Leerraum übrig lässt, in dem Rechtsextreme wildern können. Die Alternative für Deutschland hat damit geschafft, was millionenteuren Rechtspräventionskampagnen über Jahrzehnte nicht vergönnt war: das Geschmeiß der NPD zu marginalisieren und an die Wand zu drücken, sie aus den Parlamenten zu entfernen.

Debatten darüber also ob die AfD zu rechts wird, muss man daher von zwei Feldern beobachten. Für die Leute, die diese Debatten in der Regel anstoßen, ist wie meinem Gesprächspartner bereits eine mehr identitäre nationale Politik zu rechts, die anderen sorgen sich mit einiger Berechtigung darum, dass der rechte Flügel übersteuern und den Boden des Angemessenen, Liberalen und Demokratischen verlassen könnte. Ich bin daher in einer Zwickmühle nämlich einerseits generalisierte Angriffe auf den deutschnationalen Flügel an sich, als Fehler und zudringlich abzuwehren, andererseits auch über gewisse Entwicklungen und Personen nicht glücklich oder besorgt zu sein.
Das führt mich in die unangenehme Lage einerseits bei Leuten die den deutschnationalen Flügel der Partei zurückschneiden wollen, weil sie die Übernahmegefahr von rechts fürchten, einerseits zu widersprechen, weil die AfD sich sonst an einer für die heutige Zeit wichtigen Strömung kastriert, sie damit aber gleichzeitig inhärent dabei zu behindern, gegen Elemente vorzugehen, gegen die ein Vorgehen absolut angemessen wäre, um zu verhindern, dass der Deutschnationale Flügel extremistische Tendenzen entwickelt.

Ein Björn Höcke zum Beispiel, auch wenn bei näher Betrachtung einige der Aussagen von ihm, nicht so skandalträchtig waren, wie sie dargestellt wurden, hat etwas in seiner Art, seiner Rethorik, aber auch an Unklarheiten aus der Vergangenheit, an sich, dass es mir schwerfällt darauf zu vertrauen, dass er nicht einfach ein rechtsextremer Wolf ist, der Kreide gefressen hat. Er ist in jedem Fall eine politische und womöglich auch ideologische Belastung für die Partei. Ich habe daher auch einen Parteiausschluss befürwortet. Da der wiederum vor großen formellen Hürden steht, immerhin hat es die SPD auch nicht geschafft seinerzeit Sarrazin loszuwerden, obwohl man sich da prinzipiell einig war, sollte man selbst wenn der Ausschluss nicht klappt, dem Mann nicht noch zu höheren Positionen verhelfen. Ich verstehe warum der rechte Flügel um Höcke zusammenrückt, nämlich Charaktere wie Pazderski bspw. planen ja relativ offen gegen die Deutschnationalen vorzugehen, aber es bringt nichts sich durch Männer wie Höcke oder Gedeon von zweifelhafter Gesinnung in ein schlechtes Licht rücken zu lassen. Stattdessen sollten dort gemäßigtere Stimmen die Moderation und Vertretung übernehmen, statt Höcke durch ewige Debatten noch in seiner Position als „Repräsentant“ des rechten Flügels zu bestätigen.
Vielmehr sollte sich nicht die AfD von den Deutschnationalen emanzipieren, das würde sie belanglos in wichtigen Fragen machen, sondern die Deutschnationalen sollten sich – und sollten auch dazu aufgefordert werden, sich von Extremisten und verbalen Eskalierern zu emanzipieren und Repräsentanten suchen, die die deutschnationalen Anliegen in einem gemäßigten, konstruktiven Maß artikulieren, ohne in anbiedernden Opportunismus zu verfallen.

Man sollte auch aufhören Gauland als einen Vorantreiber dieses Rechtsrucks zu sehen, weil seine Position ja klar und deutlich eine konservative ist. Das ist vielleicht Konservatismus von vor 30 Jahren, aber eben etwas, dass im Gegensatz zum deutschnationalen Kurs weder der CSU noch der CDU zu ihren wirklich konservativen Zeiten fremd war. Man kann das heute für nicht mehr zeitgemäß halten, das tue ich persönlich auch bei einigen Sachen nicht mehr, allerdings enthält das Wahlprogramm einen Fokus auf wertkonservativen Ansätzen, die ich selbst unserer heutigen Zeit noch für angemessen halte: Leistung, Bildung, Rechtseinhaltung und ein funktionierender Staat. Eine Hinwendung zum Christentum, die sich sogar erstaunlicherweise fortschreitend im dauernden Konflikt mit den Kirchen stark abschwächt und eine allzu exklusive Familien- und Ehepolitik mögen nicht mehr ganz meinen Maßstäben entsprechend, aber das kann ich aushalten. Im Endeffekt fängt damit die Partei genau jene ab, denen man vor ein paar Jahren auch noch nicht abgesprochen hat, demokratisch zu sein, obwohl sie die CDU/CSU für diese Sachen gewählt haben. Auch hier verbreitert man seinen Stand im rechten Spektrum.

Im Endeffekt geht es genau darum mit diesen zwei rechten Flügeln die ganze Bandbreite des rechten Spektrums zwischen Konservatismus und Nationalismus aufzunehmen und eben keine Vertretungslücken mehr zu lassen. Diese Breite ist dann die demokratische Aufgabe und Besonderheit und gleichzeitig die Stärke, die die AfD ausmacht. Was sich stets finden muss und was am Ende anhand der gerade akuten gesellschaftlichen Probleme wie in jeder Partei ausgehandelt werden muss, sind der Fokus und das Kräfteverhältnis. Die Migrationsfrage und schlussendlich auch die Kultur- und Identitätsdebatte, die in dessen Zug angestoßen wurde, führen zwangsläufig zu einer stärkeren Bedeutung eines deutsch-nationalen Debattenbeitrags inner- und außerhalb der Partei. Das ist der Sache zur Zeit angemessen. Das kann und soll sich ändern, sobald andere gesellschaftliche Fragen drängender werden, aber erst dann.

Die essentielle Bedeutung der Liberalen

Die Liberalen nehmen in der AfD damit wiederum eine Schüsselstellung ein. In ihnen liegt einerseits ein Teil der wirtschaftspolitischen Kernkompetenz der alten Lucke-AfD, zum anderen sind sie diejenigen, die auch weiterhin das wichtige Thema EU und Euro auf dem Schirm haben. Tatsächlich ist die Eurokrise, wie auch die sie bedingenden Folgen der Finanzkrise, nicht ausgestanden. Sie wird inzwischen nur überlagert in Deutschland von der guten Konjunktur auf der staatlichen Ebene von einer Nullzinspolitik, die im Hintergrund allerdings für den einfachen Bürger eine schleichende Zersetzung des privaten Wohlstandes darstellt. Der Unruheherd Griechenland kann jederzeit wieder ausbrechen, neue Schuldengarantien fällig werden und die Androhung eine Schuldenvergemeinschaftung steht nach wie vor im Raum. In dieser Frage bleiben liberale und euroskeptische Stimmen wichtig und relevant. Alice Weidel ist daher auch eine gute Wahl als Vertreterin dieser liberalen Strömung, weil sie die Euro-Politik nach wie vor als wichtiges Thema auf der Tagesordnung hält, aber weil sie auch einen einen progressiveren liberalen Kurs vertritt und verkörpert, was sie und die Liberalen zu einer wichtigen Ergänzung der Konservativen und Deutschnationalen macht.

Linke und Rechte Identitätspolitik haben das Momentum, dass sie kontextgebunden richtig und notwendig sein, aber ebenso zu einer Übersteuerung bis hin zu Illiberalität und Extremismus neigen können. Sicher ist viel auch an die Selbstbeherrschung und eine gesunde demokratische und liberale Grundhaltung auch der Deutschnationalen zu richten, gleichzeitig kann und muss diese durch einen Flügel, der die freie Geistes- und Entscheidungshaltung des Menschen hochhält, bestärkt werden. Also die wichtige Prämisse hochzuhalten, in die persönliche Freiheit, wenn überhaupt, so maßvoll und geringfügig wie möglich und nötig einzugreifen. Dies dürfte letztlich der beste Schutz der Partei davor zu sein, sich zu einem rechten Spiegelbild links-regressiver Bewegungen wie des Feminismus der dritten Welle zu machen.

Gleichsam müssen die Konservativen der AfD Konzepte dafür entwickeln, die Herausforderungen der neuen Zeit und inzwischen anerkannte gesellschaftliche Normalitäten, wie die Beziehung von Homosexuellen in ein konservatives Weltbild zu integrieren, insbesondere wenn diese konservative Kernwerte wie Familie und Ehe – anders als die Suggestionen und Projektionen der Linken vermuten lassen – auch leben wollen. Hier könnten liberale Kräfte und die offen als homosexuell auftretende Alice Weidel oder Fürsprecher wie David Berger (Philosophia Perennis) helfen alte konservative Lager- und Feindesgewissheiten zu überwinden.

Das führt mich an der Stelle jedoch zu einem unschönen Fall vom Anfang der aktuellen Wahlperiode zurück, der mit diesem frommen Wunsch in Beziehung steht.

Der Fall Petry

Wie soll es auch anders sein, spreche ich von der Causa Petry. Ich muss sagen mein Gefühlsbild damals schwankte zwischen „Jetzt macht sich die AfD, doch unmgölich“, Zorn und Verständnis. Das erste schwand mit der Zeit zuammen mit den guten konstruktiven Arbeit der Bundestagsfraktion, das Verständnis löste sich jedoch innerhalb der ersten Tage sehr schnell auf. Geblieben ist ein gewisser Zorn. Auch wenn ich nicht so weitgehen will, von einer Dolchstoßlegende zu sprechen, ist Petrys Abgang auch in der Nachschau für mich vor allem eines: ein hinterhältiger und maximal schändlicher Verrat.

Das Verständnis zu Anfang hatte ich aus drei Gründen. Einerseits hatte mich etwas, dass Blogger Kollege Pietsch auf Twitter gesagt hatte, maßgeblich verägert. So war ihm wegen früherer Mitgliedschaft in der Linkspartei der Parteieintritt verweigert worden. Und ich extrapolierte das an der Stelle, auch als jemand der mit dem Gedanken spielt in die AfD einzutreten: Wir träfen quasi eine Lebensentscheidung. Wenn die AfD aus irgendeinem, Fortuna möge es verhüten, Grund scheitert oder man sich inhaltlich tatsächlich völlig auseinander entwickelt, würden wir doch auch hoffen, dass uns andere Parteien eine Chance geben. Deshalb hat es mich maßgeblich wütend gemacht zu hören, dass der Herr Pietsch als Patriot scheinbar als zu links von einer Beteiliung ausgeschlossen wurde. Weshalb ich, um den weiteren Ausführungen an der Stelle vorzugreifen, auch verstehen kann, warum er sich jetzt lieber der Blauen Wende zugewandt hat.
Ein anderes Problem war, dass schon damals im Raum stand, dass Personen wie Höcke womöglich gute Chancen hätten auf wichtigere Positionen in der Parteihierarchie aufzurücken, jetzt wo der Einzug in den Bundestag geschafft war und das freilich ein tatsächlicher „Rechtsruck“ gewesen wäre, den ich so nicht unbedingt hätte mittragen wollen.

Dann kam also Petry. Ihr Verrat an der Partei geschah, da sollte sich keiner, auch der Herr Pietsch nicht, Illusionen hingeben, aus ganz und gar eigennützigen Motiven. Die ganze Blaupause des Vorgangs finden wir so eins zu eins im Ausstieg von Bernd Lucke früher. Die Ironie der ganzen Sache, vielleicht auch Frechheit, ist darin zu sehen, das Petry an dem Vorgang seinerzeit maßgeblich beteiligt war. Es gab einen internen Machtkampf, den Lucke, der die Partei zunehmend autoritär zu führen gedachte, gegen eine Frauke Petry verloren hat, die die Partei, ebenfalls Ironie, nach rechts öffnete und verbreiterte. Lucke, der aber vor allem diese persönliche kränkende Niederlage nich verwinden konnte, trat aus und gründete eine eigene Partei. Das war ALFA und von ALFA, tja da hört man nichts mehr.
Was Lucke damals schon anrichtete, war ein Partei-Exodus vieler Liberaler und auch wirtschaftlich kompetenter Personen, ihn eingeschlossen. Auch wenn ich in der Nachschau sehe, dass seine Entfernung und vielleicht auch die der Liberalen zunächst notwendig war, um die Partei überhaupt zu öffnen und zu verbreitern – ALFA erwies sich als eine weiche Beta-Bewegung – wünschte man sich heute doch gesetzte Leute wie Lucke, Biederkeit und Fachkompetenz, manchmal als einen Teil der internen Debatte zurück.

Umso frecher wirkt es, dass Frauke Petry, die die Öffnung nach Rechts opportunistisch gegen Lucke voran- und ihn ins Exil getrieben hat, jetzt genau den gleichen Weg wie Lucke beschreitet, eins zu eins und glaubte, sie würde im Gegensatz zu ihm damit durchkommen. Sie hat einen internen Machtkampf gegen Weidel, Gauland und Meuthen verloren. Es ging nicht um allzu gravierende ideologische Differenzen, denn die bilden sich anhand der Flügel in der Partei ohnehin im Widerstreit ab. Petry stünde gewissermaßen zwischen all diesen Positionen und hätte sich auch in der Partei weiter wiedergefunden, denn ein Problem hatte sie mit der Entwicklung der Partei bis zu ihren gescheiterten Ambitionen auch erkennbar nicht. Die jetzt erfolgte Abgrenzung ist maßgeblich ihrem Machtwillen geschuldet.
Nicht anders kann man nämlich auch erklären, dass sie in der Wahl von Art und Zeitpunkt ihres Rück- und Austrittes der Partei maximalen Schaden zugefügt hat und offenkundig auch zufügen wollte, denn sie musste wissen, was es für die AfD bedeuten würde. Noch einen Tag zuvor lässt sie sich von Wählern, in der Erwartung damit die AfD, vielleicht auch sie als Person, zu unterstützen in den Bundestag wählen, auch mit dem Versprechen zusammen mit der AfD Fraktionsarbeit zu betreiben und Opposition zu sein, um sich dann ohne Rücksprache mit der Partei, ihren Kollegen, auf der darauffolgenden Pressekonferenz wie aus heiterem Himmel abzusetzen und die Leute, die man gerade noch Parteigenossen und Kollegen genannt hatte, der Lächerlichkeit und dem medialen Zerriss preiszugeben. Der Image-Schaden der Partei in den ersten Tagen des neuen Bundestages und aufgeworfene interne Probleme vor der Herausforderung der Bildung einer handlungsfähigen Fraktion im selbigen, kann man wohl kaum in Schadenshöhe beziffern. Zumindest verfing der Aufruf zur Spaltung der AfD nicht. Der Exodus an Parteimitgliedern hielt sich in Grenzen und wurde durch neue Parteieintritte aufgefangen.

Dolchstoß, wie es dann in vielen patriotischen Kanälen hieß, wäre wohl auch aus historischer Sicht unangebracht, aber wie der Herr Lichtmesz kürzlich [Anm.: Die Überarbeitung des Artikels hat sich jetzt mehrere Wochen hingezogen, weshalb noch Ergänzungen gemacht wurden] von Petrys 30 Silberlingen, ihrem Judas Lohn, zu sprechen, erscheint mir dann für eine Verräterin gewissermaßen passend. Tatsächlich hat ihr ihre eigennützige Distanzierung von der AfD inzwischen einen bis zum Himmel stickenden Status einer Jeanne d’Arc eingebracht. Sie ist umgefallen und hat sich dem medialen Mainstream genug angebiedert, dass diejenigen, die sie noch als rechte nazieske Hardlinerin beschimpft haben, nun versöhnliche Töne anschlagen oder sie auch mal mit freundlicheren Fotos ablichten als bisher.

Und das freilich während sie sich in Berlin auf einem womöglich erschlichenen (sie ist zwar direkt gewählt worden, es bleibt aber fraglich ob ihrer Person wegen oder wegen ihrer Parteizugehörigkeit) Abgeordnetenposten aushalten lässt. Mit etwas Anstand hätte sie diesen Sitz, den sie einer aus ihrer Sicht inzwischen schädlichen Partei, verdankt, abgetreten. Aber vier Jahre Bezüge sind sicher kein schlechter Ausgangspunkt für die Blaue Wende. Man möge hoffen, dass vielleicht vorgezogene Neuwahlen dafür sorgen, dass sie noch einmal unter Beweis stellen kann, ob ihr Direktmandat verdient ist. Ihr Geschwurbel also davon, dass die AfD ein Extremismus- und Radikalisierungsproblem in Richtung Rechts habe und das sie deshalb austritt, ist der blanke Hohn.

Allerdings, das habe ich damals gesagt und dazu stehe ich noch, wir sollten ihre Worte dennoch im Hinterkopf behalten.

Petrys Schaden und die Spannweite der Flügel

Die Alternative für Deutschland muss darauf aufpassen, dass sie ihre liberalen Wurzeln nicht abschneidet, also sowohl national, konservativ aber auch liberal in einem Gleichgewicht der Kräfte hält. Erst der argumenative Streit und die gegenseitige Mäßigung erzeugen in einer verträglichen Konvergenz einen glaubwürdigen, einen vertrauenswürdigen und nicht-radikalen Nationalliberalismus mit konservativen Werten, dem ein Patriot weitestgehend bedenkenlos (wenn auch nicht unkritisch) vertrauen und seine Stimme geben kann. Die AfD muss dringend darauf achten, dass nicht das wahr wird, was die Petry aus reiner Schadensabsicht behauptet hat.

Die Bedeutung der Liberalen in der Partei und für die Partei kann deshalb nicht überschätzt werden. Und umso schädlicher war auch der Petry Austritt mit folgendem Exodus auch für die AfD. Denn tatsächlich, wenn es Frau Petry, tatsächlich um den Rechtsruck gegangen wäre, wenn es irgendjemanden um den Rechtsruck gehen würde, in den Medien oder unter den ätzenden Kommentatoren, dann müssen sie doch erkennen, dass der Austritt der Liberalen genau den gegenteiligen Effekt hat. Die – aller Wahrscheinlichkeit nach tatsächlich ideellen – Austritte nach Petrys Rückzug (abzüglich ihrer Claqueure) dürften die liberalen Kräfte in der Partei nämlich geschwächt haben. Wenn man nicht will, dass sich die AfD nach Rechts verliert, kann man nicht einfach wegen Debatten- und Streitfaulheit oder Kompromissunfähigkeit die Partei einfach den Rechten überlassen. Wäre Frau Petry tatsächlich an etwas in der Art gelegen gewesen, wäre sie geblieben und hätte mit den Liberalen, die jetzt noch in der Partei sind, um eine klare Linie gefochten, aber darum ging es ihr eben nicht. Wer also die AfD, trotz Sympathien, auf dem falschen Weg sieht, sollte sich einmischen statt abwenden.

Der Vorteil an einem gärigen Haufen ist nämlich, dass er – im Gegensatz zu den harten Strukturen, Funktionärsapparaten und ideologischen Verkrustungen – noch flexibel ist, wandelbar. Die AfD ist dank der Kürze ihres Bestehens immer noch eine Debattenpartei. Deshalb ist der von Petry angerichtete Exodus in seinem personell-ideologischen Schaden womöglich noch nicht zu ermessen.
Wichtig ist aber eben eine Radikalisierung zu vermeiden und entschieden zu bekämpfen. Ich würde für eine deutsch-nationale aber gleichzeitig auch liberal fundierte Partei eintreten. Also stärker an einem national gemäßigten Kurs festhalten, als Martin Sellner von der Identitären Bewegung das vielleicht würde, allerdings trifft er den Nagel in seinem ebenfalls kürzlich erschienen Video auf den Kopf, wo er sagt, dass daraus keine verwaschene Beliebigkeit entstehen darf, denn die hatten wir in patriotischer Hinsicht über vergangene Jahrzehnte mehr als genug. Der Vergleich zwischen Scylla und Charibdis zu manövrieren ist daher wohl nur passend:

Doch braucht so ein Schiff auch seine Kapitäne und Offiziere. Was bei den Diskussionen und Rochaden um das Personal, auch im kommentatorischen Umfeld dieses Parteitages, hinlänglich übersehen wurde und gerne übesehen wird, dass Führungsstreits zwar mit einer Entscheidung dann einen Strich unter einen Flügelkampf setzen, dass diese Flügelstreits aber nicht exterminatorisch geführt werden und auch nicht geführt werden sollten. Es gibt also keinen absoluten Gewinner sondern immer nur einen Gewinner auf Zeit. Der reagiert dann gut oder schlecht auf die Erfordernisse seiner Amtszeit und je nachdem, wie gut die Politik der Partei unter seiner Führung Antworten auf die bestehenden Probleme gibt, so entscheidet sich dann, ob ein Richtungswechsel dann angestrebt wird oder nicht. Derweil aber sind die anderen Flügel ja nicht tot. Ihre Politik ist vielleicht nicht zentraler Fokus aber dank der Debatte Teil des Programms und sie ziehen ja auch weiterhin Leute und Wähler der Partei an, die sich gerade von deren Fokus angesprochen fühlen.
Es wird als Schwäche der AfD aufgefasst, dass sie sich immer noch nicht auf eine zentrale Figur einigen kann, sondern wohl auch erst einmal weiter auf eine Doppelspitze angewiesen bleiben wird. Anders als bei den Grünen, wo diese Konstruktion gravierende ideologische Grabenkämpfe und Quotensysteme symbolisiert, konnte man bei der Spitze Weidel/ Gauland gerade für die Wahl aber auch für die Bundestagsarbeit eher von einem Schaulaufen sprechen. Es präsentieren sich hier nicht zwei aufs Blut verfeindete Ansätze ein und der gleichen Ideologie (Fundis und Realos bei den Grünen) sondern ein sich ergänzendes Programm.

Die AfD ist eine für Parteiverhältnisse außerordentlich junge Partei und das eben aus den drei erwähnten Herkunftsströmungen. Es ist daher absolut verständlich, dass sich aus den Synergien der drei Strömungen noch keine Konvergenz gebildet haben kann mit einer neuen Generation von Politikern die selbstverständlich mit allen drei politischen Strömungen innerhalb der Partei zugleich sozialisiert wurden. Die gibt es schlicht nicht. Umso wichtiger ist, dass in der Führung, um die Grundlage für eine solche Konvergenz zu legen, entsprechend diese Strömungen in den Debatten Berücksichtigung finden. Die Doppelspitze der AfD mag gerade für diesen Findungsprozess auch und vor allem für die Zukunft, sogar von Vorteil sein. Sie muss nicht Dauereinrichtung bleiben, man muss aber nicht zwangsläufig auf einen einzigen Chef zusteuern.
Wie behäbig und gedanklich sowie ideologisch unflexibel sich das dann auch gestalten kann, zeigt uns die CDU mit Frau Merkel jezt und Kohl damals seit Jahrzehnten, gerade wenn die Parteigenossen, wobei das bei der AfD eher nicht der Fall zu sein scheint, allzu debattenfaul und unbeweglich werden.

Die offenkundige Schwierigkeit ist, dass eine solche Führung, gerade mit einer – aus demokratischer Sicht positiven – diskussionsfreudigen Basis, ein hohes Maß an Disziplin, Kompromissbereitschaft, Teamfähigkeit und Selbstzurücknahme gegenüber der Sache aufweisen muss. Sowas dürfte man eher noch mit Konservativen finden, da diese eher bereit sind, einer Führung, auch wenn sie nicht mit ihr 100%ig übereinstimmen zu folgen, ohne zu spalten, aber man darf gewiss auch eine solche Partei nicht mit innerparteilichen Puritanismus überfordern. Das beste also wäre die AfD und gerade ihre Oberen begreifen die Spannweiten der Partei als Chance, statt alle Strömungen unter dem Gefahr des Parteibruchs unter eine einzige Linie zu zwingen. Wichtig ist, dass man intern debattiert, Parteiprogramme und den Fokus der Politik, wenn dies geboten ist intern neu verhandelt, aber an sich aber die Disziplin und Geschlossenheit beweist, die gemeinsame Sache über die internen Differenzen zu stellen.

Vor diesem Hintergrund zum Fall Petry noch ein paar nachgeschobene Worte:

Ich glaube zwar, dass Frau Petry das Tischtuch, was ihre Person angeht, unrettbar zerschnitten hat, allerdings sollte sich die AfD von den Leuten der Blauen Wende nicht abwenden, sondern ausloten, ob eine Wiedervereinigung in Zukunft nicht möglich ist und Sprachkanäle offenhalten. Es bringt niemanden weiter, aus reiner nachgetragener Bosheit Leute dauerhaft von politischer Repräsentation und Rehabilitation auszuschließen.