AfD Sachsen: Rechtsmeinungen zur Landesliste

Eine Ergänzung zum Thema Landesliste der AfD zur Landtagswahl Sachsen 2019 mit verschiedenen Rechtsmeinungen zur formalrechtlichen Richtigkeit der Liste. Es besteht Grund zur Hoffnung, Unsicherheiten sollten trotzdem in Zukunft vermieden werden.

Da ich in fortgeschrittenen Zorn meinen letzten Artikel verfasst habe, will ich positive Aussichten auf die kommende Landtagswahl in Sachsen natürlich nicht unter den Tisch fallen lassen. Die AfD will natürlich durch eine Eilklage eine schnelle Entscheidung und Zulassung ihrer Wahlliste zur Wahl erzwingen und hat sich dafür Rechtsgutachten und Rechtsmeinungen eingeholt, die ihre Position stärken. Vorgestellt auf einer entsprechenden Pressekonferenz. Hier veröffentlicht auf dem Kanal „AfD in Sachsen und Dresden – Die Dokumentation„.

Auch kam kürzlich im SPIEGEL eine Juraprofessorin zu Wort, die das Vorgehen des Wahlausschusses aus rechtlicher Sicht bemängelte und ebenfalls das Recht hier auf Seiten der AfD sieht, eine Streichung der Landesliste, zumindest in dem Umfang als unbegründbar und unverhältnismäßig. Den Inhalt präsentiert uns hier der Kanal „Brennpunkt Politik“ ehemals „Sergeant Meinungsfrei“:

Nun will ich dazu noch zwei Anmerkungen machen: Was Rechtsexperten meinen und was die mit der Angelegenheit befassten Richter am Ende entscheiden, können zwei unterschiedliche Sachen sein, also in trockenen Tüchern ist nach wie vor nichts, ob das Urteil sich wiederum in einem kritischen Zustand befindet, kann dann zu gegebener Zeit nur ein Blick in die Rechtsbegründung des Urteils klären.

Selbst also wenn wir der Argumentation der oben in Videoform angebrachten Rechtsmeinungen folgen, muss ich auf zwei Feststellungen meines alten Artikels bestehen: Zum einen birgt ein solcher Verfahrensweg, wie die AfD ihn beschritten hat, zwingend für Unstimmigkeiten und Angriffspunkte, die ein leichtes Ziel für solcherart formalrechlicher Sabotage sind, gerade dann wenn dem Gegner jedes Mittel Recht ist, wie ja auch jede Aussage eines Demobesuchers oder eines Parteimitglieds von ferner liefen auf die Goldwaage gelegt und in die Öffentlichkeit gezerrt wird. Man muss also definitiv immer dafür sorgen, dass mit der größtmöglichen Sorgfalt und Strukturiertheit vorgegangen wird, damit diese Angriffspunkte gar nicht erst entstehen. Würden dann tatsächlich Versuche gemacht, mit vorgeschobenen formalrechtlichen Begründungen Sabotagen vorzunehmen, wäre das dann ein der AfD nützlicher Offenbarungseid, etwas das hier in diesem verdrehten Fall so offenkundig nicht ist. Zweiterseits schafft man mit solchen Angriffspunkten dann wie im jetzigen Fall Unsicherheiten, weil man sich dann von einer Rechtssprechung abhängig macht, die im Sinne der AfD urteilen kann, aber eben auch nicht, je nachdem wie es der Ermessensspielraum des Rechtes zulässt. Die unterschiedlichen Rechtsauffassungen verschiedener Juristen in diesem Fall geben ein beredtes Beispiel davon ab, dass man sich hier vor Gericht, wie auch auf See, einem alten Sprichwort nach, in Gottes Hand befindet. Und solche Situationen sollte man vermeiden, gerade wenn so etwas Zentrales wie Wahlen davon abhängen.

Zum anderen bleibt ein gewisses Element der Unsicherheit was die Fairness der Wahl der Kandidaten angeht. Das passive Wahlrecht (also das Recht sich wählen zu lassen) ist verfassungsrechtlich verbürgt und in der Praxis von der Aufstellung durch die eigene Partei stark abhängig. Wie bereits beschrieben, kann eine Änderung des Wahlmodus mitten in der Listenaufstellung von späteren oder früheren Kandidaten, je nach dem wer sich für welchen Listenplatz unter welchem Wahlverfahren größere Chancen ausgerechnet hat, zu Unzufriedenheiten und der Meinung von Ungerechtigkeit führen. Bei einem Abgeordnetenplatz geht es um Pfründe: Privilegien und Geld. Und da uns nichts Menschliches fremd sein darf, müssen wir natürlich immer auch davon ausgehen, selbst wenn einer wirklich mit Idealismus für eine Sache brennt, er sicher nicht abgeneigt ist, dafür gut bezahlt zu werden. Eine andere Frage ist natürlich auch eine allzu menschliche Kränkung der eigenen Eitelkeit oder des eigenen Selbstwertgefühls, ggf. auch des Gefühls von der Partei für die eigene Arbeit nicht genug gewürdigt zu werden.

Diese „kleinlichen“ menschlichen Affekte mag man für kontraproduktiv oder schädlich halten, aber sie sind da und werden meist von den Leuten abgetan, die entweder gar nicht in Aussicht auf einen Posten sind oder ihn sicher haben. Man sollte das auch nicht unterschätzen. Es braucht nur etwas eigennützige Bosheit und ein oder zwei Kandidaten die das interne Wahlverfahren über ihre Köpfe hinweg als ungerecht oder unrechtmäßig beschlossen und durchgeführt anprangern und schon sind wir in einer Debatte über die Rechtmäßigkeit der Wahl, ebenso wie in einer Diskussion über parteiinternes Postengeschacher. Und natürlich wären solche Figuren in einem möglichen Rechtsverfahren über eine rechtmäßige Listenzulassung perfekte Kronzeugen für diejenigen, die die formelle Gültigkeit und Rechtmäßigkeit einer Wahlliste in Zweifel ziehen. Und es reicht die Behauptung, wenn das Verfahren Räume des Zweifels offen lässt.

Zusammengefasst: Es gibt jetzt doch ein paar mehr Gründe darauf zu hoffen, dass von juristischer Seite die Wahl für die AfD gerettet wird (es ist nie verkehrt alle Mittel auszunutzen, das würde jeder tun), aber es bleibt nach wie vor in der Verantwortung der Landesverbände und der Bundespartei dafür zu sorgen, dass es zukünftig keine Unklarheiten bei solch zentralen und wichtigen formalrechtlichen Vorgängen mehr gibt. Gerade dann nicht, wenn solche Schicksalswahlen anstehen, wie sie uns jetzt mit den neuen Bundesländern ins Haus stehen.

Arroganz und Inkompetenz: Wie man eine Wahl gegen die Wand fährt

Ein Formfehler könnte die wichtige Landtagswahl in Sachsen im Ergebnis für die AfD ruinieren. Schuld und Verantwortung trägt sie daran völlig allein. Eine Polemik.

Ein Formfehler könnte die wichtige Landtagswahl in Sachsen im Ergebnis für die AfD ruinieren. Schuld und Verantwortung trägt sie daran völlig allein. Eine Polemik.

Vorab ein wichtiger Disclaimer zum Einstieg:

Trotz des vor uns liegenden Problems ist es NICHT sinnlos zur Sachsen-Wahl zu gehen. Das Gewinnen von Direktmandaten über die Erststimme ist von größter Wichtigkeit, deshalb ist eine hohle Wahlmobilisierung noch nie so erforderlich gewesen wie jetzt. Geht also auf jeden Fall wählen und unterstützt die AfD in den Wahlkreisen.

Ich will den geneigten Leser vorwarnen, dass ich diesen Artikel in einem Anflug aufwallenden Zorns schreibe, weil ich mir sonst unschlüssig wäre, wohin ich mit meinen Gefühlen sonst soll. Ich würde jetzt gerne an Artikel zur Schlepperin Rackete sitzen oder anderen mehr theoretischen Beitragen aber schon wieder, SCHON WIEDER kommt mir ein Lapsus, eine Hiobsbotschaft der AfD dazwischen und ich werden nicht anders können, als die Partei – zumindest den sächsischen Landesverband – verbal zu rupfen.

Was ist nun also los? Wir stehen in einem ausgesprochen entscheidenden Wahljahr. In Mitteldeutschland werden einige Landtage neu gewählt. Nach der eher durchwachsenen Europawahl (siehe: Grüne auf Steroiden) wäre es eine Möglichkeit gewesen den jetzt seit der Bundestagswahl andauernden Knoten zu brechen, der die AfD an die Mühen der Ebene fesselt und so langsam dafür sorgt, dass sich die Partei in der Alltagspolitik langsam erschöpft und totläuft.

Bedeutung der Landtagswahl in Sachsen

Die Wahlen im Osten der Republik wären eine Möglichkeit für politische Durchbrüche und Bewegungen gewesen. Im Osten ist die AfD lt. aktueller Demoskopie im Kreis der Volksparteien angekommen und hätte in Sachsen womöglich die Chance gehabt sogar die CDU auf den zweiten Platz zu verweisen und sich das Recht zu erobern eine Regierung zu bilden. Selbst wenn das nicht gelungen wäre, wäre sie bei etwaigen Regierungsbildungen eine Kraft gewesen, an der man hätte nicht vorbei kommen können. Eine starke AfD hätte selbst eine GroKo verunmöglicht und hätte eine CDU entweder in Koalitionsverhandlungen gezwungen, was ein wichtiges Signal an den Bund und in andere Bundesländer gewesen wäre oder die nominal-konservative Partei dazu genötigt einen Offenbarungseid abzulegen und eine Anti-AfD-Einheitskoalition mit allen anderen Kräften (auch der Linkspartei) zu suchen oder sich als Minderheit von einer solchen tolerieren zu lassen. Man hätte als Folge die CDU damit als Blockflöte zur Kenntlichkeit entstellt und in der Opposition daran noch weiter wachsen können.

Im anders gearten Fall hätte man als Juniorpartner einer CDU geführten Regierung sich Meriten und den Nimbus konstruktiver Regierungspolitik sichern können, außerdem wäre über den Bundesrat Einfluss auf wichtige Bundesentscheidungen möglich gewesen. Stärkste Kraft zu werden sogar hätte mit dem Argument überlegener Stärke eine Monstranz per se aufgebaut, unabhängig davon, ob nun die anderen Parteien eine AfD-Regierung durch Koalitionsverweigerung blockieren oder nicht. Man hätte auch in diesem Fall dann der linken Einheitsopposition, insbesondere der CDU, dann mangelnde Kompromissbereitschaft vorwerfen können.

In jedem Fall wäre das Feld handfester politischer Handlungs- und Fortschrittsoptionen denkbar gewesen, anders als im eher nüchternen Zustand der Bundespolitik, wo man sich zwar als feste Kraft etabliert, sich aber an den Grenzen der eigenen Reichweite totläuft, was auf Dauer die Wähler wieder in Lethargie versetzen könnte. Die Landtagswahl hätte also ein Durch- und Ausbruch sein können.

Und das steht jetzt alles wegen eines Formfehlers massiv auf der Kippe.

Kurz zum Wahlsystem

Das deutsche Wahlsystem sieht auf Landes- wie auf Bundesebene ein zweiteiliges Wahlsystem mit zwei Stimmen vor. Wobei die Erststimme dazu dient den Kandidaten eines jeweiligen Wahlkreises direkt zu unterstützen und die andere dazu landesweit den Stimmenanteil einer Partei oder genauer gesagt einer von dieser Partei aufgestellten Landesliste zu bestimmen. Aus den Anteilen an den Zweitstimmen bestimmen sich einfach gesagt auch die Anteile der Sitze eben im Landtag. Das Prinzip: Wenn eine Partei 30% aller Stimmen holt, sollte sie entsprechend auch im Parlament 30% der Mandate erhalten.

Damit vor der Wahl transparent ist, welche Kandidaten ich auf diese Sitze berufe, wenn ich bestimmte Parteien wähle, müssen diese Parteien eben Kandidatenlisten aufstellen und die errungenen Sitze im Parlament werden der Reihe nach von dieser Liste aus besetzt. Vordere Listenplätze haben natürlich eine größere Chance auf einen Einzug ins Parlament als hintere Listenplätze.
Die von den Erststimmen generierten Direktmandate (also direkte Sieger eines Wahlkreises in Konkurrenz mit den Kandidaten aller anderen Parteien) ziehen unbeschadet des Abschneidens ihrer jeweiligen Partei bei den Zweitstimmen in jedem Fall ins Parlament ein und sie füllen rechnerisch vorzugsweise die über Zweitstimmenen errungenen Sitze. Alle weiteren Sitze werden dann von der Wahlliste aus aufgefüllt.

Im Fall das eine Partei mehr Direktmandate erringt und damit Sitze im Parlament besetzt als ihr vom Wahlergebnis her überhaupt zustehen, werden zur Wahrung der Stimmenverhältnisse Überhangmandate an die anderen Parteien ausgegeben.

Im Fall das wenig Wahlkreise direkt gewonnen werden, müssen natürlich umso mehr Sitze von der Landesliste aus besetzt werden. Aus diesem Grund empfiehlt es sich grundlegend für jede Partei wenigstens so viele Kandidaten aufzustellen wie es Sitze im Parlament gibt, damit theoretisch jeder Sitzplatz besetzt werden könnte. In diesem Fall gilt viel hilft viel, zumindest im Zweifel, wenn man nicht absehen kann, wieviele Sitzplätze man überraschend holen könnte. Denn Sitze, für die es keinen vorher registrierten Kandidaten gibt, mögen einer Partei zustehen, sie bleiben aber unbesetzt, denn nachnominiert werden darf nicht. Das bedeutet es fehlen dann Stimmen in der eigenen Fraktion, was die parlamentarische Mitbestimmung angeht, was auch bedeutet, dass die Stimmen der anderen Abgeordneten damit wertvoller werden, was im Endeffekt nur die eigenen Konkurrenzparteien stärkt.

Formfehler mit verheerender Wirkung

Nun hat die AfD ihre Kandidatenliste zwar fristgerecht eingereicht bei der entsprechenden Stelle, nur ist diese Liste unter formalrechtlich denkbar schlechten Umständen entstanden. Zunächst wurden zwei getrennte Listen (mit jeweils eigenen Beglaubigungen und Protokollen) eingereicht, weil sie an unterschiedlichen Terminen zusammengestellt wurden, diese wurden aber später durch eine Gesamtliste ersetzt. Nun kann es möglich sein, dass man eine Kandidatenaufstellung unterbricht und an einem anderen Tag fortführt, womöglich aus zeitlichen oder anderen Gründen. Das wäre ein Argument gewesen, auf das man sich hätte formalrechtlich durchaus beziehen können, um damit eben eine nachgereichte Gesamtliste zu legitimieren. Problematisch hingegen wird es, wenn diese Veranstaltungen tatsächlich eine formale Trennung aufweisen, also als eigenständige Veranstaltungen nicht nur behandelt werden, sondern auch inhaltlich von einander abweichen. So hielt es die erlauchte AfD-Spitze offenbar für schlau am anderen Termin einfach mal das Wahlverfahren für die Liste über den Haufen zu werfen und abzuändern, freilich ohne die ersten bereits beim ersten Termin festgelegten 18 Listenplätze neu wählen zu lassen, sodass hier zwei verschiedene Entscheidungssysteme zum Einsatz kamen (so berichtet zumindest T-Online). Und selbst mit allem guten Willen (den ich für die Partei ja durchaus aufbringe) das kann man nicht wegdiskutieren. Formalrechtlich ist das nicht nur ein kleiner Fehler sondern ein derart offenkundiger Verstoß, dass man fragen muss, ob man blöd oder zu arrogant war um das zu erkennen.

Ohnehin wirft dieses Vorgehen auch die Frage nach dem Warum auf? Nahm man es nachdem die Topplätze vergeben und die Großkopferten versorgt waren nicht mehr so genau mit den Verfahren und den weiteren Listenplätzen, dass man meinte die nur noch oberflächlich abhandeln zu müssen? War man zu faul die vorderen Plätze nach dem offenbar dann als besser empfundenen zweiten Bestimmungssystem noch einmal zu bestimmen und welches Licht wirft es auf die innere (und damit auch äußere) Organisationsfähigkeit der Partei wenn sie schon in den internen Prozessen schlampt, schludert und es keinem auffällt und das so kurz vor einer unglaublich wichtigen Wahl.

Die Folge des Ganzen ist jetzt, dass mit aller Wahrscheinlichkeit nach nur die erste Version der Liste eben mit allein 18 Listenkandidaten überhaupt zur Wahl zugelassen wird. Das heißt egal wie hoch der Stimmenanteil der AfD bei der kommenden Landtagswahl sein wird, ihr maximales Stimmgewicht (ohne Direktmandate) wäre durch diesen massiven selbstverschuldeten Fehler auf 18 Mandate gedeckelt. Bei regulären 120 Abgeordneten (ohne Überhangmandate) entspräche das einem effektiven Stimmenanteil von 15%. Im Fall also die AfD holt keine zusätzlichen Direktmandate sondern besetzt die 26% bis 27% der Sitze, die ihr laut aktueller Demoskopie zustünden allein aus der Liste heraus, würde sie sich damit nicht ganz (aber nah dran) halbieren und etwa auf Bundesniveau kastrieren und das allein formalrechtlicher Fahrlässigkeit und Bequemlichkeit wegen.

Und nicht nur das. Stünden der AfD aufgrund der Direktwahlmandate anderer Parteien womöglich Überhangmandate zu, gäbe es auch dafür keine Listenkandidaten, um diese nachzubesetzen, was ihren effektiven Stimmenanteil ebenfalls noch einmal verringern würde.

Am Ende könnten die Altparteien in Sachsen ungestört weitermachen. Die AfD wäre bei den Koalitionen raus aus der Gleichung, selbst als Störfaktor.

Schadensbegrenzung: Kampf um Direktmandate

Dem Ganzen stehen natürlich die Direktmandate gegenüber. Was nicht über die Liste besetzt werden kann, kann dadurch gefüllt werden, in dem man viele Direktmandate in den Wahlkreisen gewinnt. Doch hier haben wir das nächste Problem: Da die Listenkandidaten parallel auch in den Wahlkreisen antreten und es wahrscheinlich ist, dass viele der zugelassenen Listenkandidaten ihre Wahlkreise direkt gewinnen könnten, könnten damit die verbleibenden Plätze eben nicht aufgefüllt werden, sie fallen als Direktmandatierte also aus der Liste auch noch heraus.

Das heißt die AfD müsste zusätzlich zu den 18 Listenplätzen dann mutmaßlich 15 Wahlkreise gewinnen, in denen keine Listenkandidaten antreten und besser wären natürlich mehr. Jörg Meuthen, wohl in Voraussicht das etwaige juristische Einsprüche niedergeschlagen werden, hat deshalb schon einen Erststimmenwahlkampf ausgerufen. Sicher ist das allerdings nicht.

Zwar – wie es in diesem Artikel hier heißt – könnte wegen der Direktmandate dieser Lapsus der AfD wenig schaden, weil sie sich gute Chancen auf viele Direktmandate ausrechnen kann, allerdings ist das nur ein sehr optimistisches Szenario. Es bleibt unklar ob dann nicht immer noch die AfD selbst bei einem guten Erststimmen-Wahlkampf, mit einem effektiven Verlust an Mandaten aus der Wahl gehen muss und in einem etwaigen Koalitionspoker zählt wirklich jede Mandatsstimme. Und da sind jetzt Stimmenverluste wegen dieser Schlappe selbst (also Vertrauensverlust beim Bürger) nicht eingedacht.

Aber so sicher erscheint es nicht, dass die AfD diese Direktmandate auch wirklich in so überwältigender Zahl holen kann. Auf der sicheren Seite wäre die AfD mit 30 oder mehr gewonnenen Wahlkreisen also über die Hälfte der 60 Kreise von denen die städtischen Zentren mit einiger Sicherheit an linke oder links-bürgerliche Parteien gehen und andere womöglich ostalgische Hochburgen der Linkspartei sind, auch wenn sie in Sachsen traditionell etwas schwächer ist als bspw. in Thüringen.

Im Gegensatz zu den Zweitstimmen, wo man entsprechend der geholten Anteile immer noch irgendetwas herausbekommen kann, selbst wenn man nur zweistärkste Kraft wird, funktionierten die Erststimmen nach den Prinzip von The Winner Takes It All. Die AfD ist also immer auf die Mehrheit der Stimmen in jedem Wahlkreis angewiesen, um zu gewinnen. Reicht es dafür nicht geht der Wahlkreis verloren, trotz eines guten Ergebnisses und da die Listenplätze gedeckelt sind brächte ein gutes Wahlergebnis keinen politischen Vorteil. Und das es schwierig werden könnte, wurde ebenfalls im o.A. Artikel beschrieben. Zwar ist es nicht einfach und es wäre ein durchschaubares Manöver, wenn die anderen Parteien zusammenarbeiten und unter sich einen zu unterstützenden Kandidaten auskungeln (anders als in Görlitz wird es eben keine Vorwahl und damit Bestimmung des aussichtsreichsten Kandidaten geben) und das dann noch ihren Wählern kommunizieren müssen, allerdings ist taktisches Wählen zuungunsten der AfD keineswegs ausgeschlossen. Das insbesondere nicht, da das Thema mit Sicherheit die kommenden Wochen durch die Presse gepeitscht werden wird, ergänzt um taktische Anti-AfD-Wahlempfehlungen während dieser Fall von himmelschreiender Inkompetenz womöglich die Mobilisierungskraft der AfD lähmt.

Da es nicht unbedingt wahrscheinlich erscheint, trotz des  guten Abschneidens der AfD bei der Europawahl, dass mehr als die Hälfte der Wahlkreise direkt gewonnen werden können, dürfte das beste erreichbare Ergebnis nur eine Schadensbegrenzung sein. Es bräuchte optimale Bedingungen um am Ende unbeschadet am eigenen Mandatsergebnis aus dieser Wahl zu gehen. Aber hoffen wir das beste. Noch einmal Wählen ist jetzt wichtiger denn je.

Anfechtungen und peinliches Herumopfern

Nun will ich nicht unterschlagen, dass die AfD angekündigt hat juristisch dagegen vorzugehen, aber die Chancen dafür dürften denkbar schlecht stehen, denn formalrechtlich – auch ich als Sympathisant muss das betonen – ist das kein verzeihlicher Lapsus sondern ein harter und damit sanktionsfähiger Verstoß. Man kann gerne den Rechtsweg ausschöpfen, aber ohne allzu missmutig zu sein, es ist nicht realistisch das das hier durchgeht, selbst dann nicht, wenn die Partei nicht ohnehin einen schweren Stand in allen Bereichen der Gesellschaft (einschließlich der Justiz hätte). Also abgesehen von dem mehr als offenkundigen Verstoß, darf die AfD so oder so keine Nachsicht erwarten, was auch angesichts der Wichtigkeit dieser Wahl ein Grund hätte sein müssen besonders vorsichtig zu sein, gerade auch weil es formalrechtliche Auffälligkeiten auch schon bei anderen Wahlen der letzten Jahre gab.

Da hilft es im Übrigen überhaupt nicht, wenn man jetzt (nachdem man auch schon eine Legislatur im Parlament gesessen hat) jetzt versucht die Neulings-Karte auszuspielen und z u hoffen einem „neuen“ würden Formalfehler verziehen. Das ist einfach unprofessionell und wirkt angesichts des sonstigen Gehabes der AfD (Kompetenzdarstellung, Reden von Verantwortung, etc.) nicht mal mehr unfreiwillig komisch sondern erniedrigend entlarvend, gerade für Parteianhänger, die dann unter derlei Peinlichkeiten ihrer Organisatoren dann auch noch leiden müssen.

Aber es geht noch schlimmer. Wenn der „Merkur“ den Landesvorsitzenden so zitiert:

„Der sächsische AfD-Vorsitzende Jörg Urban bezeichnete die Entscheidung des Landeswahlausschusses als ‚Komplott von Vertretern der im Landtag sitzenden Altparteien‘. Diese wollten ‚mit einem durchsichtigen, juristisch nicht haltbaren Boykottverfahren“ die AfD schwächen. Die Partei werde dagegen klagen.'“

Dann fehlt hier völlig das Bewusstsein für die eigenen Fehler. Es wird nach externen Schuldigen gesucht, während man sich zur Abwechslung mal wirklich als Opfer inszeniert und das ob eines durch wirklich eigenen Versagens verschuldeten Krisis. Was insbesondere unwürdig und peinlich auf die AfD zurückfällt, da diese ja die Bundesregierung (zurecht) dafür kritisiert, dass diese geltendes Recht und Regeln in aller Regelmäßigkeit missachtet, jetzt offenbar aber selbst aus Inkompetenz dazu nicht in der Lage ist und für sich selbst eine Sonderbehandlung einfordert, in einem peinlichen Zugeständis der eigenen Imkompetenz als „Anfänger“.

Es ist klar wie hier der Sachverhalt liegt und es ist auch klar, dass hier Köpfe rollen müssen, wenn wegen dieses Formfehlers die ganze Wahl in die Binsen geht. Vom Niveau rangiert das hier auf der Stufe der Rückzahlung der Parteifinanzierung durch die NPD seinerzeit, weil diese nicht mehr in der Lage waren ihre Finanzen und Rechenschaftsberichte vernünftig zu führen. Damals hat man sich zurecht über dieses dumme, unfähige braune Pack lustig gemacht  und jede Häme war angemessen. Bekanntlich braucht der, der den Schaden hat nicht für den Spott zu sorgen und das hat sich die AfD in diesem Fall ähnlich wie die NPD seinerzeit selbst zuzuschreiben. Da irgendwelche Verschwörungen zu bemühen wird niemanden täuschen. Und es wäre dringend an der Zeit, dass sich die Partei in der Form ihrer Schluderei langsam stellt, gerade dann, wenn man vorhat Regierungen zu stellen. Noch schlimmer als das Wahlergebnis könnte die sich ausbreitende Meinung wiegen, die AfD sei im Zweifelsfall gar nicht in der Lage die Verantwortung einer Regierung zu tragen.

Da hilft es im Übrigen auch nicht, wenn es ähnliche Vorfälle auch bei anderen Parteien gab, die sich im Übrigen auch der formalrechtlichen Satisfaktion stellen mussten, denn wir reden hier über einen Umfang und ein Ausmaß und das bei einer wirklich entscheidenden Wahl, dass man nicht beiseite legen kann. „Shit happens“ wie in diesem älteren Beispiel, geht hier einfach nicht. Etwas, das mich hier beinahe vor Wut platzen lässt.

Grundprobleme

Und das führt mich zu guter Letzt noch zu ein paar allgemeinen Punkten an denen die AfD krankt, mal den internen Richtungsstreit zwischen Bürgerlich-Liberalen, Konservativ-Reaktionären und National-Identitären und der Ost-West-Spaltung außen vor gelassen.

Die AfD bemüht sich redlich eine Alternative zu sein in Inhalten und Auftreten, also auch auf einen populistischen Stil zu achten, allerdings kann Populismus nicht unprofessionelle Verwahrlosung bedeuten. Man wird dafür gewählt auszusprechen, was die Leute wollen, Klartext zu reden und die inhaltsleeren Floskeln der anderen Parteien durch klarere Positionen zu ersetzen und auch Lösungen anzubieten, statt immer nur auf gute Hoffnung auszuweichen.

Was die Bevölkerung nicht schätzt ist eine Professionalität, die sich in nebelschwadigem Phrasendreschen ergeht, die sich der Alternativlosigkeit elitären Denkens hingibt und deshalb auf die Meinung des Volkes einen gepflegten Dreck gibt. Das ist, was an der klassischen „Professionalität“ der Politik kritisiert wird: gelackte, fassadenhafte Selbstdarstellung ohne Inhalt mit maximaler Volksferne.

Das bedeutet aber nicht, dass professionelles Arbeiten abgelehnt wird. Im Gegenteil. Das Vertrauen in die Problemlösungs- und Führungskompetenz der Politik ist es, die erschüttert ist. Man will Leute, die Klartext reden, denen man aber zugleich zutrauen kann, dass was sie versprechen, auch zu durchdenken und umsetzen zu können. Der große Unterschied zu utopischen linken Vorstellungen.

Und immer wieder lässt die AfD diese Professionalität vermissen: Sei es in der öffentlichen Kommunikation, sei es im Umgang mit internen Streitigkeiten, sei es bei der Organisation dieser Wahl. Populismus also schön und gut, aber man kann eine Partei nicht betreiben und führen wie einen hemdsärmeligen Kaninchenzüchter-Verein in Hintersachsen und dann noch überrascht sein, dass man damit nicht durchkommt und ausgelacht wird. Und es ist ja auch nicht so, als hätte man nicht wegen eines ähnlich gearteten Falls vor der Bundestagswahl nicht schon gewarnt sein können, um daraus zu lernen: „AfD in Niedersachsen muss zittern„. Es ist also nicht das erste Mal, dass es Unstimmigkeiten bei der Wahlliste gibt. So etwas darf schlichtweg einfach nicht in dem Umfang passieren.

Und das steht in Verbindung mit einem zweiten Punkt. Eine unglaubliche Arroganz, was gerade die letzten Wahlkämpfe anging. Schon der Europawahlkampf wurde einfach beiseite gewischt und der Kampf um ein neues, zukünftiges Bild von Europa nicht einmal annähernd frühzeitig eröffnet. Und dann stellte man sich nach dieser vergeigten Wahl hin und ging auch noch öffentlich dreist davon aus, dass die Wahlen im Osten jetzt ein warmer Regen, quasi ein Selbstläufer würden und wo steht man jetzt zeitlich relativ kurz vor den Wahlen? Der Wahlkampf ist immer noch nicht richtig in Fahrt, aber die AfD ist nun auf Gedeih und Verderb auf Erststimmen und damit auf eine enorm hohe Wählermobilisierung und -überzeugung angewiesen. Ob man das innerhalb der wenigen verbleibenden Zeit in kaum mehr 2 Monaten noch ausreichend in die Öffentlichkeit tragen kann, bleibt zweifelhaft. Die Partei ist jetzt darauf angewiesen, dass ihre Wählerschaft treu, stark und geschlossen ist und ihr den Arsch rettet und das obwohl man sich vorher kaum um sie bemüht hat.

Am Ende, auch wenn es in diesem Fall nicht so zutreffend ist, steht immer noch ein Mangel an gutem Personal im Raum. Die Bundesebene steht im Fokus aber auf Landes- und Kommunalebene versammelt sich das Gros aller Volksvertreter und damit die Möglichkeit mit dem Bürger direkt zu interagieren und dem politischen System auf der Ortsebene, dorthin wo die Bundesregierung gerne alle Ergebnisse ihrer verfehlten Politik auslagert (von Flüchtlingsheimen, über umgevolkte Stadtquartiere, marode Schulen und wirtsschaftlichen Untergang) dann kräftig in die Suppe spucken kann, in dem man sich dem schlichtweg verweigert und Alternativen aufbaut und anbietet, aber eben nur dann wenn man gute Leute und zahlenmäßigen Einfluss hat. Hier könnte längst der Aufbau einer basisnahen politischen Kontrakultur erfolgen, die auch metapolitisch ausstrahl in der sich zukünftig die utopischen Pläne von Landes- oder Bundesregierungen vor Ort totlaufen. Aber es fehlt massiv an Personal um all die Stellen zu besetzen, die sich jetzt dank des großen Wählervertrauens gerade im Osten auftun.

Am Ende sorgt all dies dafür, dass die Partei durch Unfähigkeit, Arroganz oder unterbleibende Aufbauarbeit (Mühen der Ebene) die Wirkmacht der Stimmen ihrer Wähler fahrlässig zum Fenster hinauswirft. Ich bin gespannt, wie man den Wähler beibringen will, dass dieser zwar die Partei vielleicht sogar mit einer Mehrheit der Stimmen ausgestattet hat, diese aber durch eigenes Verschulden kaum stärker ist als im Bund.

Die Alternative muss endlich in diesem Sinne professionell werden, Wahlkämpfe mit einem kämpferischen Elan angehen und sich in harte Struktur- und Nachwuchsarbeit versenken, ansonsten enttäuscht sie… immer wieder. Und aus Sicht eines klaren Sympathisanten und Wählers: „Ich bin es leid in Beiträgen oder Dskussionen Scherben aufzukehren und Peinlichkeiten zu verteidigen, die vermeidbar gewesen wären.“

In diesem Sinne, wenn die AfD diese Wahl gegen die Wand fährt dann aus eigen verschuldeter Unfähigkeit und Fahrlässigkeit. Wenn sie gut abschneidet, dann ist es ganz klar der Verdienst einer politisch aktiven und starken Wählerschaft.

Ein kleiner Schritt für die AfD, doch ein Hammelsprung für die Demokratie

Die AfD lässt die Beschlussfähigkeit des Parlaments überprüfen und schafft mit einem Hammelsprung die Aufhebung der Sitzung. Was von der AfD als nur kleiner Stich gedacht war, könnte sich als Dienst an der repräsentativen Demokratie erweisen.

Die AfD lässt die Beschlussfähigkeit des Parlaments überprüfen und schafft mit einem Hammelsprung die Aufhebung der Sitzung. Was von der AfD als nur kleiner Stich gedacht war, könnte sich als Dienst an der repräsentativen Demokratie erweisen.

Vor einer Woche am Donnerstag war etwas erstaunliches passiert. Ich kam recht spät von der Universität heim, machte mir schnell noch etwas Essen warm, schaute was ich den Tag über, den ich mich aller Elektronik entledigt und in der Bibliothek zugebracht hatte, so online verpasst hatte, von Emails, YouTube, Skype-Chats usw. und habe dann auch Twitter angesurft. Ich verfolge den Bundestagskalender vielleicht nicht mit dem Interesse, was ich dafür aufbringen sollte, aber Social Media und YouTube sind zwei Wege um doch über wesentliche Dinge informiert zu bleiben.

Da die aktuelle Legislatur mit einem Paukenschlag, dem Austritt Petrys, für die AfD begann, war mir, der ich auch schon wegen Berichten aus den Landesparlamenten am Zweifeln war, ob diese Partei sich sinnvoll in den Bundestag würde einbringen können, zunächst nicht wohl zu Mute, was die ersten Sitzungen angehen würde. Tatsächlich überraschte mich die Partei in dieser Hinsicht ausgesprochen positiv und auch die Debatten, wenn ich auch nicht alle Themen verfolgte, bildeten einen positiven Kontrast zu den letzten Jahren. Zumindest in der Hinsicht, der schon stiefmütterlich gewordenen Kunst der parlamentarischen politischen Debatte neues Leben einhzuhauchen, war die Alternative für Deutschland erfolgreich.

Am Donnerstag, den 18.01.2018, überraschte sie mit einem weiteren Angriff auf die, man muss wirklich sagen, eingefahrenen Arbeitsweisen der anderen Bundestagsparteien. Es waren noch Themen auf der Tagesordnung zu klären und die AfD zwang das Präsidium zu einem Hammelsprung und damit zur Feststellung der Beschlussunfähigkeit des Parlamentes, weshalb die Sitzung schießlich aufgehoben werden musste. Eine Sache die freilich eine Vorgeschichte hatte, aber die mich doch mit einiger Befriedigung hier sitzen und diesen Artikel verfassen lässt, zudem ich mich noch in derselben Nacht entschloss.

Noch im vergangenen Jahr, es war Anfang Dezember und ich hatte gerade die zwei größeren Artikel zum Märtyrer von Altena und Marionetta Slomka hinter mir und brauchte etwas Abstand vom Blog, weshalb ich auch darüber nicht schrieb, obwohl es mich reizte, kam eine Sache auf, die hiermit nicht unwesentlich in Verbindung steht. Dank Twitter wurde ich auf einen kleinen Artikel auf SPON aufmerksam, der in einer Formulierung mal wieder den Vogel abschoss.

Die AfD glänzte zu diesem Zeitpunkt bei den Sitzungen des Bundestages entweder mit voller Anwesenheit oder zumindest überwiegender Anwesenheit der eigenen Abgeordneten, was umso schärfer auffiel, wenn die Reihen der anderen Parteien nur halb besetzt waren oder manches Mal weitestgehend unbesetzt blieben. Ein Missverhältnis, dass ins Auge fiel und einen der größten Kritikpunkte von AfD-Wählern und der Partei selbst adressierte: Das die Menschen, die gutes Geld dafür erhalten an doch relativ wenigen Sitzungstagen pro Jahr (Im Jahr 2017 waren es derer 63) im Parlament wenigstens anwesend zu sein und sich auch phsyisch mit den auseinanderzusetzen und auch geradezustehen, wofür ihre Fraktion in ihrer Stellvertretung abstimmte. Nun hat ein Abgeordneter kein einefaches Leben, viele Termine, insbesondere wenn er wiedergewählt werden will, aber neben der Landschaftspflege im Wahlkreis – die eigentlich dazu da ist, um mit den Menschen, die man repräsentiert im Gespräch zu sein und zu bleiben – ist der parlamentarische Job, die Mitwirkung und auch (symbolische) Anwesenheit im Repräsentativorgan deren wichtigster Job.

Nun hat Deutschland eine bestimmte Parlamentskultur, die sicher einige Relativierungen zuließe und auf die ich später noch einmal eingehen will, aber man muss doch sagen, dass das die Geringschätzung des eigentlichen Kerns der parlamentarischen Arbeit, eben dem Teil, der dem Bürger eigentlich den Zugang zur Demokratie und Möglichkeit zur Kontrolle geben soll, im Kontrast von AfD und etablierten Parteien sehr offenkundig geworden ist. Ein Grund warum die AfD freilich jetzt mit demonstrativer Voll-Anwesenheit ihrer Fraktion werben kann. Ein Problem das auch dem Fraktionschef der Union, Volker Kauder, Volker aufgegangen sein muss, der konter-aktivistisch auch für mehr Anwesenheit seitens seiner Parteigenossen warb. Diesen Umstand kommentierte der SPIEGEL mit folgender Untertitelung auf SPON in ihrem Beitrag „Kauder fordert von Unionsfraktion mehr Präsenz im Bundestag“ (03.12.2017):

„Die AfD inszeniert sich im Bundestag als besonders fleißig – indem sie stets die eigenen Reihen im Plenum voll besetzt. Unionsfraktionschef Kauder wendet sich nun mit einem Appell an die eigenen Leute.“

Etwas das mich zu dieser in ehrlicher Verbitterung geäußerten Aussage auf Twitter verleitete:

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Wer den Normalfall eines arbeitenden Abgeordneten als Inszenierung begreift, der hat sich längst sämtlichem Verständnis einer Demokratie, die vor dem Bürger und für ihn stattfindet und nicht nur ein technokratischer oder selbstreferentieller Arbeitsapparat ist, entledigt. Das Problem, das an der AfD offenbar wird, ist die Wahrnehmung von etwas Selbstverständlichem als etwas Außergewöhnlichem. Der Skandal ist nicht, dass die AfD sich auf eine – wohl unterstellt populistische Weise – inszeniert, sondern das sie es mit etwas derart Profanem kann. Das wiederum legt eigentlich problematische Strukturen in unserem demokratischen Repräsentativ-System bzw. bei unseren etablierten Repräsentanten und Parteien offen.

Nun sagte Hermann Hesse schon hellsichtig, dass jedem Anfang ein Zauber innewohne. Die AfD muss sich als frische Kraft natürlich abgrenzen und ist noch neu im Apparat, in die eingeübten Rituale und abkürzungen nicht eingebunden und wird davon im Moment auch noch ferngehalten. Es fällt ihr daher derzeit noch leicht in Fraktionsstärke Anwesenheit zu zeigen, dass kann und wird sich aber vermutlich auch über die kommenden Mühen der Ebene abschleifen. Auch wenn ich es begrüßen würde, dass man dennoch versucht mit soviel Anwesenheit wie möglich dem parlamentarischen System seine Wertschätzung auch weiter zu erweisen. Den Punkt aber, nämlich die Schwächung des offenen und tagenden Parlaments, demonstrativ offen zu legen und zu heilen zu versuchen, kann man ihr aber nicht nehmen. Inszenierungsvorwürfen zum Trotz.

Nun könnte man einwenden, dass unser Parlament nun einmal ein Arbeits- und kein Debattenparlament ist. Vielfach findet die eigentliche Gesetzgebungsart in den Fachausschüssen und den Fraktionen selbst statt, wohin der Erarbeitungsprozess bereits seit langem zur Effizienzsteigerung ausgelagert ist. In der Regel, das dürfte wahrscheinlich auch nicht jedem Bürger klar sein, kommen die schon fertigen Entwürfe, da hat dann eigentlich in der Regel auch jede Fraktion schonmal drüber schauen und was dazu sagen dürfen in das Plenum, um dort dann die vorschriftsgemäße Bestätigung zu erfahren, weshalb dann auch nur ein Minimum an Anwesenheit erforderlich ist. Das ist ein Apparat der läuft sauber, schnell und relativ störungsfrei und darin liegt das Problem. Nun haben wir keine ausgeprägte Debattenkultur wie im englischen Parlament, doch nimmt man an diesem Arbeitsprozess, der sich über die Jahrzehnte derartig verselbstständigt hat, eigentlich jegliche Öffentlichkeit aus dem Verfahren heraus und damit dem Souverän die Möglichkeit Einsichten und Meinungen zu entwickeln. Die Demokratie findet abgeschottet vom Volk hinter geschlossenen Ausschusstüren statt, die Mitwirkung des Volkes kann sich nicht einmal auf das Zusehen und kontrollieren der Abgeordneten beschränken. Und der Bürger hat nicht einmal die Möglichkeit sich den Austausch von Argumenten, von Wünschen, Änderungen etc. anzuhören weis mithin kaum wie und aus welchen Gründen ein Gesetz wie zustande kommt, warum es gebraucht wird oder warum es vielleicht auch nicht gebraucht wird und was eigentlich die ursprünglichen Positionen der Parteien waren, bevor Kompromisse gemacht wurden.

Eine lebendige demokratische Kultur und das Arbeiten des demokratischen Apparats sieht der Bürger nicht. Das Interesse an Demokratie, an Debatten, am politischen Austausch abseits von dem eben, was hinten nur noch herauskommt, bleibt dabei zwangsläufig auf der Strecke. Noch eklatanter wurde es in der vergangenen Legislatur wo eine Große Links-Linksmitte-Koalition das Parlament überwölbte und mit einer ebenso linken »Opposition« in einer Zeit in der freilich von der Euro-Rettung bis hin zur Migrationspolitik so einige heiße Eisen für ein volles Haus und lebendige Streits, Aussprachen und Diskussionen im Feuer gelegen hätten und das Parlament mehr noch als je zuvor einem Friedhof der Abnicker glich. Wer stimmt zu? Wer nicht? Dann ist es so beschlossen! Und wer da nicht alles zustimmte!

Ja, und so wichtig konnte es ja auch nicht sein, denn schließlich konnte man seine Sitzungszeit auch anders herumbringen, mit Ortsterminen zur politischen Landschaftspflege oder im Büro, statt ein paar Stunden ohnehin zu diesem Zweck bezahlter Zeit zu opfern. Vielfach, wenn man zynisch sein will, zeigte das Verhältnis der Abgeordneten dazu, an den Sitzungen teilzunehmen auch nur an, welchen Stellenwert das moderne Arbeitsparlament in praktisch oppositionslosen Zeiten in der Republik noch genoss. Ein Signal selbst an die Aktivbürger, den Sitzungsinhalten genauso fern zu bleiben wie ihre Vertreter, mit Überraschungen oder zumindest einem guten Redebeitrag war ja nicht zu rechnen. Es sei denn Gregor Gysi sprach mal noch für die Linkspartei.
Sicher stellt die AfD damit jetzt lange eingeübte Arbeitsgrundlagen in Frage und lässt ihre Kollegen, die sich eingerichtet hatten mit einem Parlament in minimaler Besetzung, dass nur noch Ausschussvorlagen und Parteienkompromisse die letzten Weihen gab, dumm dastehen, aber mit der AfD sind sowohl Leben als auch wieder ansprechende Debatten ins Plenum zurückgekehrt, die sich anzuören nicht nur wieder Sinn hat, sondern die auch einen demokratischen und argumentativen Schauwert bieten, denn die AfD fordert zugleich auch die anderen Parteien dazu heraus, sich jetzt auf der würdigsten Bühne des Landes nicht die Show stehlen zu lassen.

Aber es geht auch um Verantwortung. Der Parlamentarier der an einer Sitzung und vor allem einer Abstimmung teilnimmt, lädt Verantwortung auf sich. Selbst dann, wenn das Ergebnis vorher schon in den Ausschüssen als Kompromiss abgestimmt und die Abstimmung in der Fraktion geprobt worden ist, so ist der Schauwert, den die manifeste Abstimmungsveranstaltung bietet, selbst in einem Arbeitsparlament, eine wichtige demokratische Komponente. Der Abgeordnete, insbesondere der mit einem Direktmandat, besitzt zwar Gewissensfreiheit ist aber dem Bürger, der theoretisch den Daumen über seine Arbeit bei der kommenden Wahl heben oder senken soll, dennoch rechenschaftspflichtig. Diese Rechenschaft drückt sich auch in seinem Abstimmungsverhalten aus. War mein Abgeordneter oder die Abgeordneten der Partei, die ich gewählt habe, anwesend und hat er für oder gegen ein Gesetz gestimmt, zu dem ich eine Meinung habe und hat er damit meinen Wählerwillen zum Ausdruck gebracht? Die Anwesenheit der Abgeordneten ist genau deshalb wünschenswert, selbst wenn sich an den Mehrheitsverhältnissen nichts ändert, dass sie dann doch klar bekennen müssen. In dem sie die Abstimmungen an eine Vertretung in der Vertretung deligieren, geben sie die Verantwortung ab. Sie könnten auch glaubhaft machen, dass sie ja mit der Sache nichts zu tun hätten, obwohl ihr Unterlassen genau dies darstellt. Als das Ermächtigungsgesetz durchging, konnte tatsächlich keiner der Abgeordneten des gefüllten Reichstages sagen, er hätte nicht gewusst, wofür oder gegen was gestimmt wurde. Jetzt wo das Netzwerkdurchsetzungsgesetz in Kraft getreten ist und wo sich über die letzten Monate seit seinem Beschluss massiver Widerstand und Kritik als legitim zu betrachtender Institutionen regt, will man das alles nicht so gewollt haben und prangert „Fehlkonstruktionen“ an, die man selber durch sein Tun oder Unterlassen beim Beschluss ignoriert oder in Kauf genommen hat, gar gewollt hat.
Man kann sich die Frage stellen, wer am Ende schlimmer ist: die die willentlich und durch ihre Anwesenheit und Zustimmung Grundrechte der Gefahr der Aushöhlung aussetzten, oder diejenigen, die dies offenbar für so irrelevant hielten, dass sie nicht einmal anwesend waren.

Und das lässt mich nämlich den Bezug zur AfD am vergangenen Donnerstag ziehen.

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz erschien, als sei das schon nicht schlimm genug in zweifach problematischer Weise unter den Bedingungen der letzten Legislatur, also ohne nennenswerte Opposition im Bundestag. Einerseits wurde dieses Gesetze, dass im Bereich eines Grundrechts nämlich der Meinungsfreheit operiert, noch in den letzten Zügen der Legislatur und entzog es damit quasi einer nach der Wahl erwartbaren Opposition, die man durchaus bei einem so gravierenden Eingriff demokratisch brauchen könnte. Außerdem wurde die bittere Pille der (medialen) Öffentlichkeit mit einem Stück Zuckerwatte untergejubelt, in dem man über das NetzDG zusammen mit der Erweiterten Ehe abstimmte. Das mediale (idR euphorische) Echo der Eheöffnung überschattete, selbst in rechten Kreisen, den Abgrund, den Zensurminister Maas aufzureißen gedachte. Alle sprechen über Schwule und Lesben, die sich nun auch Ehepartner und nicht nur Lebenspartner nennen dürfen, über die Gefahren des NetzDG verlor kaum einer mehr ein Wort.
Auf der anderen Seite legte dieser Abstimmungsmodus dann umso anschaulicher die Degeneration des parlamentarischen Arbeitsverständnisses bloß. Die Abstimmung über die Erweiterte Ehe wurde trotz der normativen Gewissensfreiheit der Abgeordneten, noch einmal von den Parteiführungen extra freigegeben, der inhärente Fraktionszwang, den die Arbeitsweise eines Arbeitsparlamentes also ebenso erfordert, wurde gelockert. Das NetzDG war business as usual. Entsprechend fiel auch die Anwesenheit der Abgeordneten aus, was umso stärker ins Auge stach, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Abstimmung zur Erweiterten Ehe direkt vor der Abstimmung zum NetzDG geschah. Ist der Bundestag zwar nicht völlig so aber doch reichlich mit Anwesenden bestückt, als um den Ehebegriff geht, so leerte sich zur anschließenden Abstimmung das Parlament in geradezu skandalöser Weise und ließ schließlich nur den Minimalbesetzungshaufen zurück. Business as usual. Und das obwohl die Abgeordneten ohnehin schon im Haus waren, sie also nicht noch einmal hätten extra anreisen müssen. Ignoranz und eine gegenüber den parlamentarischen Repräsentationsprozessen geübte Verachtung, anders lässt sich das kaum beschreiben.

Es gibt auf YouTube einen Clip zum Beschluss eines vor allem datenschutzrechtlich nicht weniger brisanten Gesetzes. Der ist schon etwas älter, ist mir aber noch wegen des, wie ich finde, treffend gewählten Titels lebhaft in Erinnerung: „Bundestag verkauft Bürgerrechte in nur 57 Sekunden„.

In diesem Fall, in dem wenigstens nochmal »debattiert« wurde, dauerte es zwar länger, aber man könnte es überschreiben mit „Minderheit von Abgeordneten schränkt Meinungsfreiheit ein“, denn in dieser Minimalbesetzung ist das Parlament quantitativ faktisch eigentlich nicht beschlussfähig, allerdings muss die Beschlussunfähigkeit des Parlaments auf Antrag einer Fraktion festgestellt werden. Eine formale Hürde, die es gestattet, wenn sich Regierung und Opposition einig sind, dass eben business as usual stattfinden kann. Natürlich kann man einwenden, dass man damit höchstens einen Beschluss verzögern kann, denn dann würde man bei der nächsten Sitzung genug Abgeordnete heranschaffen, um abstimmen zu können und die nötigen Mehrheiten trotzdem zu haben, aber genau darum geht es. Man würde die Abgeordneten zur Anwesenheit und damit zum klaren Bekenntnis zwingen. Im vorliegenden Fall hätte die Beschlussunfähigkeit sogar, wenn man die vermutlich noch in Berlin und Umgebung herumwabernden Abgeordneten nicht hätte schnell noch heranschaffen können, bedeutet, dass das NetzDG erst in der nächsten Legislatur hätte – unter veränderten Bedingungen – beschlossen werden können. Außerdem gerade weil die Feststellung der Beschlussunfähigkeit derzeit noch einen Bruch der auch von der Presse und den Bürger gewohnten Arbeitsweise des Parlaments darstellt, eine Besonderheit quasi, ist sie, gerade weil sie darüber hinaus auch noch demokratisch legitim ist, ein Mittel insbesondere für die Opposition um die Aufmerksamkeit auf ein Problem zu lenken.

Der Donnerstag war deshalb ein symbolischer Akt. Sicher tat es die AfD anders als das im Fall des NetzDG möglich gewesen wäre nicht, um ein inhaltliches Problem der zu besprechenden Gesetze darzustellen, sondern um quasi den Fehdehandschuh aufzunehmen, „Krieg“ zurückzugeben, wie Gauland es ausdrückte. Manch einer mag das als Verstoß gegen die guten, gegen die kollegialen Sitten verstehen, allerdings sind die Ablehnung der Personalvorschläge der AfD für ihren Vizepräsidenten und das parlamentarische Kontrollgremium nur die jüngsten Beispiele der tatsächlichen oder angedachten informellen Codebrüche. Man kann vielleicht sagen, dass die AfD dann doch als die bessere, die klügere Kraft auftreten soll, aber dem muss ich hier deutlich sagen: So funktioniert Politik nicht. Wer sich immer unterbuttern lässt, wird es in einem demokratischen System, dass tatsächlich auch ein Ort des schmutzigen Kampfes ist, nicht weit bringen. Daher schließe ich mich Gauland an: Wenn die anderen Bundestagsparteien Krieg haben wollen, sollten sie ihn auch bekommen.

Die Alternative für Deutschland setzt damit aber auch in die Tat um, was sie beim Beschluss des NetzDG schon verkündet hat, dass man eben notfalls mit diesem inhärenten Zwang dafür arbeiten wird, dass die Abgeordneten der etablierten Parteien, die parlamentarische Arbeit wieder ernster nehmen. Ihre Fraktion muss sich hier ja auch nichts vorwerfen lassen. Da sie immer vollzählig anwesend ist, tragen sie ja sogar dazu bei, dass das Parlament beschlussfähiger ist. Es wäre was anderes, wenn sie selbst aus taktischen Gründen ihre Anwesenheit dann auf ein Minimum reduzieren würden, aber das ist ja nicht der Fall. Auch wenn die AfD es zum eigenen Nutzen in der Sache getan hat, so weisen die Implikationen doch weit darüber hinaus. Mit einer vollständig anwesenden Fraktion der AfD im Nacken müssen sich die Parteien bewusst sein, dass sie erstens ohnehin mehr Abgeordnete bei Abstimmungen brauchen, also die Minimalbesetzung damit zwangsläufig wachsen muss und das es jederzeit passieren kann (ich rechne aber eher in besonders kontroversen Fragen, denn jedes Instrument nutzt sich ab, wenn man es zu exzessiv gebraucht), dass die AfD formell die Beschlussfähigkeit feststellen lassen könnte. Auch das zwingt zu stärkerer Anwesenheit, allein um der AfD dieses Mittel aus der Hand zu schlagen. Und damit wäre der Demokratie schon eingefallen getan. Wenn die „Inszenierung“ jenseits von Volker Kauder nicht zu einem Umdenken führt, dann stärkt zumindest dieser Zwang das repräsentative Element in der Demokratie, ebenso wie es die zurückgekehrte Debattenkultur tut. Also unabhängig davon, was man an der Stelle von der AfD halten mag, hat sie der Demokratie mit diesem Hammelsprung einen Dienst erwiesen.

Quo Vadis AfD?

Anlässlich des Parteitages der AfD in Hannover habe ich mir ein paar Gedanken über die drei Flügel der Partei, der Bedeutung der Liberalen in der Partei und der Personen Petry und Höcke gemacht. Die Überarbeitung des Artikels hat sich hingezogen, deshalb wurde noch einige zeitspätere Ergänzungen vorgenommen.

Anlässlich des Parteitages der AfD in Hannover habe ich mir ein paar Gedanken über die drei Flügel der Partei, der Bedeutung der Liberalen in der Partei und der Personen Petry und Höcke gemacht. Die Überarbeitung des Artikels hat sich hingezogen, deshalb wurde noch einige zeitspätere Ergänzungen vorgenommen.

Ich merke wie mich die letzten Artikel zum aktuellen Zeitgeschehen von grundsätzlicheren Betrachtungen und auch anderen Aufgaben zur Zeit fernhalten. Allerdings bietet der AfD-Parteitag, der dieses Wochenende in Hannover stattgefunden hat, einen Anlass über Dinge zu sprechen, die ich schon seit geraumer Zeit noch in Worte kleiden wollte und dann irgendwie verpasst habe. Da haben sich einige Gedanken summiert, die ich gerne jetzt abhaken möchte. Ich will mich daher mit dem Parteitag auch gar nicht soweit inhaltlich und seinen Ergebnissen befassen oder dem mal wieder obligatorischen Großaufgebot antidemokratischer „breiter Bündnisse“ im Zusammenspiel mit der Antifa, die es mal wieder unmöglich macht, eine in unserer Demokratie eigentlich absolut normale Veranstaltung mit einer angemessenen Würde über die Bühne gehen zu lassen. So wie es zuletzt auch schon auf der Frankfurter Buchmesse der Fall war aber auch schon beim Bundesparteitag der AfD im letzte Jahr. Wer sich für eine kleine Brandrede zu diesem Thema interessiert, mag ich dieses frische Video von Friedrich von Osterhal zu diesem Thema empfehlen:

Mir geht es um ein Thema, das jetzt auch die Presse beschäftigt. Auf einem Parteitag werden inhaltliche Schwerpunkte gesetzt und besprochen und daran gebunden auch neue personelle Realitäten geschaffen. Wer führt die Partei bis zur nächsten turnusgemäßen Neuwahl? Und wohin steht zu erwarten, dass diese Person die Partei führen? Flügelkämpfe sieht die Presse, nicht ganz zu Unrecht, wohl aber eine solche Richtungsdebatte auch Kerngeschäft der internen demokratischen Verfasstheit gesunder Partein ist und sein sollte, so sieht es auch das Parteiengesetz vor. Aber natürlich will man wissen, wohin der „gärige Haufen“ steuert und ob er eben übersäuert, statt zu reifen, wie es auf Tichys Einblick hieß. Wer sich dazu Analysen im Vorfeld aber jetzt auch im Nachgang der neuen Personalentscheidungen lesen will, kann ich die Artikel dort empfehlen. Mich persönlich interessieren personelle Fragen und die Ausrichtung von Personen wie Pazdersky an dieser Stelle nur indirekt und zweitrangig. Ich will darauf eingehen, welche Bedeutung ich den Flügeln der Partei beimesse und welche politischen AusrichtungEN ich mir in Zukunft für die Partei wünsche. Zu diesem Zweck werde ich noch einmal zwei ältere Fälle nämlich Höcke und Petry aufwärmen. Ich entwickle diese Gedanken an dieser Stelle eher spontan und greife ältere Gedanken nochmal einmal auf, es kann also sein, dass der Text etwas inkohärent wird.

Von welchem Rechtsruck reden wir eigentlich?

Da der AfD die ständige Gefahr eines zu weitgehenden Rechtsrucks, selbst von wohlwollenden Medien, attestiert wird, der wie ein Schatten über der ganzen Partei, wie ein Damoklesschwert schwebt, will ich hier einmal in die Bresche springen.In gewisserweise trifft es sich, dass ich gestern – ich schreibe dies hier am Sonntagabend nach dem Parteitag – eine kleine Diskussion auf Twitter dazu hatte. Wenn wir über den „Rechtsruck“ der AfD reden, reden wir über eine Grundsatzfrage, von der aus sich auch klären lässt, was wann wie und ob überhaupt nach rechts rückt.

Die AfD ist ein besonderes Phänomen, das prinzipiell drei große geistige Strömungen verbindet, die sich organisch aus der Dynamik des Parteientwicklungsprozesses zusammen gefunden haben. Die AfD ist Fleisch vom Fleische der CDU und der FDP, die in zwei für deren politische Identität zentralen Punkten nämlich einer (neo)liberalen Wirtschaftspolitik und liberalkonservativen bis rechtskonservativen Gesellschaftspolitik sämtliche Substanz verloren haben. Dies geschah im Zuge der Sozialdemokratisierung der CDU und politischen Herausforderungen wie der Finanz- und der Eurokrise. Dies war der ursprüngliche Spaltnagel, der von der Flüchtlingskrise nur noch einmal schärfer eingeschlagen wurde. Das Wählerklientel der AfD ist nicht etwa das Ergebnis einer ursächlichen Verrechtung der Gesellschaft sondern der Verlinkung der etablierten Parteien, die mit ihren Häutungen in Richtung Links-Mitte sowohl Politiker als auch Wähler hinter sich ließen und ignorant gar nicht in Betracht zogen, sie könnten sich von ihnen ab und einer anderen, rechten Kraft zuwenden. So wuchs im Zuge der Euro-Krise um den damaligen Vorsitzenden Bernd Lucke eine vor allem an (Volks)wirtschaftsfragen interessierte neoliberal orientierte Partei heran, die den Euro und die EU insbesondere aus marktliberaler Sicht und wirtschaftswissenschaftlicher Vernunft fundamental kritisierte.

Im Zuge des allgemeinen Wachstums der (Wirtschafts)Professorenpartei zu einer Bürgerpartei mit breiterem Standing, nahm man dann die unzufriedenen Konservativen der CDU, die in ihrer Partei keine Heimat mehr hatten, ebenfalls auf und vereinte die damalige Zweifaltigkeit von CDU und FDP eben direkt in einer einzigen Partei. Ideologisch war man sich nämlich aus den alten Zeiten ja immer noch nah.

Die dritte große Strömung zog vor allem peu a peu ein und orientierte sich am Versprechen der AfD eine Alternative zu sein und sich auch gesellschaftlichen Strömungen anzunehmen, die im zunehmend links-dominierten Diskursraum gar keine Daseinsberechtigung mehr zu haben schienen. Diese Leute sind nicht genau mit Konservativen deckungsgleich, auch wenn man sie in der CDU als rechtskonservative bezeichnet hätte, sondern kommen und kamen aus dem großen Zwischenfeld zwischen der CSU und der NPD. Die Rede ist von den Deutschnationalen.
Es ist eine ziemliche Vereinfachung und Verkürzung das rechte Spektrum so zu sehen, als passte zwischen CSU und NPD kein Blatt Papier mehr auf dem politisch-rechten Spektrum und als hörte damit rechts von der CSU der Bereich des Tragbaren automatisch auf. Das ist eine, ich will das hier an der Stelle nicht zu weitreichend ausführen, seit Jahren gepflegte und nützliche Tradition gewesen, alles was irgendwie national oder patriotisch gesinnt war, mit der Nazi-Keule zu den Nazis und ihren Parteien (insbesondere die NPD) zu schlagen, ob das nun wirlich Neo-Nationalsozialisten oder Faschisten waren oder nicht, ob es Rechtradikale und -extreme waren oder nicht. Und die Nazis nahmen sie natürlich dankbar auf. Es wurde diesen Parteien und Organisationen so gezielt ermöglicht auf Jahre hinweg die Deutungshoheit über den gesamten nationalen Raum zu beanspruchen und ihn zu vertreten. Man wollte ihnen den auch gar nicht mehr streitig machen. Wer Patriot, wer ein (gemäßigter) Nationaler war oder sein wollte, hatte wenn er nicht unpolitisch bleiben wollte, kaum andere Möglichkeiten als halbseidende von ewiggestrigen, demokratiefeindlichen Ideen durchdrungene Parteien oder Organisationen.
All diese Leute, denen das bisherige deutschnationale Angebot zu radikal, zu extrem war, die zurückscheuten vor Demokratiefeinden, Rassisten und Antisemiten aber die mit der aufziehenden Multi-Kulti- und späteren Zuwanderungspolitik nicht einverstanden waren, fanden in der AfD eine Kraft, die sie ufnahm und nicht gleich samt und sonders ausgrenzte, wie es CDU und CSU getan hatten, die sich das Nationale nur dann und wann wie den Christbaumschmuck einmal im Jahr umlegten.

Am Ende besteht die AfD nicht, wie kolportiert, nur aus einem liberalen und einem rechten Flügel. Das ist wiederum nur ein Ausdruck des Verlernens einer Differenzierung. Der rechte Flügel der AfD sind nämlich eigentlich zwei Flügel. ImE rgebnis sind es also eine liberale Strömung, eine konservative bis rechtskonservative Strömung und eine deutschnationale Strömung. Sicher haben die letzteren Beiden inhaltliche Überschneidungspunkte, sind aber keine kongruente Angelegenheit. Gauland, der gerne als rechter Hardliner dargestellt wird, ist als CDU-Urgestein eher Vertreter des Konservatismus in der Partei als eines dezidierten Nationalismus.

Wenn von einem Rechtsruck der AfD gesprochen wird, dann meint man aber hauptsächlich die Deutschnationalen (auch wenn gerade den Kritikern von links auch schon die Konservativen zuviel sind) und will damit aber vor allem den linken Gedanken eines allgemeinen moralisches Ausschlusses jeder Art nationalgesinnter Politik oder Theorie aus dem legitimen Diskurs weiter durchsetzen. Nationalismus an sich wird als unvertretbar aufgefasst, die Radikalität oder Fragen nach der Liberalität spielen dabei keine Rolle mehr.
Eine andere Setzung schien in dem Gespräch von gestern auf. Da meinte einer: eine national-liberale Ausrichtung könne er tolerieren, freilich nicht unterstützen, aber er würde sie als Teil des Diskurses damit anerkennen. Und hier sind wir bei einem Problem.
Das „liberal“ sagt nur etwas darüber aus, wie zudringlich die Proklamation des Nationalen in das Leben der Bürger mit gesellschaftlichem Druck oder staatlicher Zwangsgewalt einzugreifen gedenkt. Verwechselt, das Gefühl hatte ich zumindest, wurde das mit einer bestimmten Ausrichtung des Nationalismus, wo wir nämlich beim eigentlich definierenden wären, nämlich welche Art von Nationalismus man idealtypisch anstrebt.

Nun hatte ich zu dem Thema einen eigenen Artikel geplant (der auch den Begriff „völkisch“ kritisch beleuchtet), kam aber noch nicht dazu, ihn zu schreiben, deshalb will ich es an der Stelle kurz halten, dass man in der Politikwissenschaft nationalistische Ansätze je nach Nationsbegriff auf einem Spektrum zwei Idealtypen zuordnen kann. Das ist einmal der republikanische und das andere der völkische Nationalismus. Der republikanische Nationalismus stellt idealtypisch die Staatsbürgerschaft bzw. den Staatsbürger ins Zentrum der Betrachtungen und orientiert sich an Wert- und Verfassungstreue gegenüber dem spezifischen Staatskonstrukt, etwas das mit dem Verfassungspatriotismus in hohem Maße verwandt ist. Der völkische Nationalismus definiert die Nation primär durch Volkszugehörigkeit, durch qualitative Merkmale wie Abstammung oder im weiteren Sinne Identität (gemeinsame Sprache, Kultur, Geschichte, etc.) und formuliert auf dieser Ebene vor allem inhaltliche und weniger formelle Ansprüche.
In der Realität haben wir zwar häufig Nationalismen, die in der Geschichte mal mehr dem einen oder anderen Idealtyp zugeneigt waren, finden aber hauptsächlich Mischformen. Tatsächlich erfasst ein ausgewogener Nationalismus, der beide Seiten bedient, einen Staatsbürger auf beiden Ebenen, verbindet also Zuneigung und Pflichtgefühl gegenüber einem guten und gutgeordneten Staatswesen mit der Tradition aus der es gewachsen ist. In Deutschand herrscht ein Mangel am idealtypisch völkischen Element. Wir sind, so zumindest meine Einschätzung, bis an die Grenzen einer inhaltlichen Selbstverleugnung an den Idealtypus einer Staatsbürger-Nation herangerückt, entbehren aber auch eines Verfassungspatriotismusses ganz stark, weil auf Seiten der sogenannten Biodeutschen die staatliche Autorität als verdächtig demontiert wurde, auf der Seite der Neudeutschen zu diesem Staat in der Regel keine stärkere Bindung besteht, als ihn als einen Anspruchserfüller zu sehen, dem man nur deshalb nicht direkt feindlich gegenüber steht, weil es einen inhaltlich so machen lässt, wie man will.

Nun hat das völkische Element (und allein der Begriff ist außerhalb eines wissenschaftlich-beschreibenden Kontextes unrettbar kontaminiert) einen aus historischen Gründen schlechten Stand, weil die Nazis das Ganze bis hin zu einem rassenkollektivistischen Wahn übersteigert haben, der nicht nur extrem sondern auch totalitär war. Manche nehmen das zum Anlass deshalb Anliegen eines idealtypisch völkisch orientierten Ansatzes, samt und sonders zu beerdigen.
Wenn also von nationalliberal gesprochen wird, meinte mein Gesprächspartner aber vermutlich a priori republikanisch, da sich in der Vorstellungswelt der meisten ein völkisch orientierter oder zumindest ausgeglichener Nationalismus (wir befinden uns wie gesagt auf einem Spektrum) aus sich selbst heraus illiberal oder gar rassistisch sei. Wie gesagt lagen historisch ohnehin immer nur Mischformen vor, sodass das staatsbürgerliche Element und eine freiheitliche Verfassung illiberalen Tendenzen Grenzen setzen, es also zwangsläufig zu keiner Entfesselung des Nationalismus kommen kann, sofern das Staatswesen an sich gesund ist und die Historie belegt eben auch nicht die Thesis einer zwangsläufigen totalitären Entwicklung, die ein Nationalstaat, der sich auch dem völkischen Element zuwendet, nimmt.
Also zur Korrektur: Nationalliberal kann auch ein liberaler völkischer Nationalismus sein, wie wir ihn auch neben dem starken Staatsnationalismus im Deutschen Kaiserreich bei den gleichnamigen Parteien auch fanden.

Eine breite Vertretung im rechten Spektrum

Nun hatte besagter Gesprächspartner eingewandt die AfD sei rechter als die CSU von vor zehn Jahren, was gleichsam nicht viel heißt, da in den späteren 2000er Jahren die CSU wie die CDU schon stark das traditionale nationale Element eben in den Hintergrund gedrängt hatte. Rechtskonservativ mag man noch gewesen sein, also in gesellschaftspolitischen Fragen an den Grenzen des Reaktionären, wobei selbst das zu der Zeit schon stark auf dem Rückzug war. Das Nationale hatte man zu dem Zeitpunkt abseits von überflüssigen Debatten wie um das Holocaust-Mahnmal in der Berlin, längst überwiegend hinter sich gelassen. Wie gesagt: Christbaumschmuck, nicht mehr.
Es ist also schon in Frage zu stellen, ob von „rechter“ überhaupt zu sprechen ist, sondern eher die Frage zu stellen ist, welches Rechts da bearbeitet wurde. Zu sagen eine Partei sei rechter, weil sie sich nationaler/ nationalistischer Politik überhaupt wieder zuwendet, ist schon fragwürdig, wenn man sie nicht an die Radikalität der Forderungen adressiert. Es kann sicher auch eine Haltung sein – und das will ich einem (Links-)Liberalen, wie meinem Gesprächspartner, auch nicht absprechen – das per se eine völkischere Herangehensweise Freiheiten (insbesondere Freiheit der Migration) zugunsten des Traditionalismus einschränkt und jede Freiheitseinschränkung per se als wenig liberal oder illiberal gilt, das wäre aber eine Verkürzung wie die, dass von einem sehr linken Standpunkt aus freilich alles rechts aussehen muss. Auch Maßnahmen zur Steigerung der Sicherheit schränken Freiheiten zwangsläufig ein. Die entscheidende Frage ist immer in welchem Maß.

Weil die AfD diesen deutschnationalen Flügel hat, hat sie ein Alleinstellungsmerkmal und auch etwas von Bedeutung, das sie von den nominell konservativen Alparteien unterscheidet. Dieser deutschnationale Flügel, selbst erstmal von einer nationalistischen, tradtionell identitäspolitischen Agenda getrieben, ist an sich auch noch einmal heterogen eben in der Radikalität der Ansichten und politischen Forderungen. Ich halte diesen Flügel gerade in einer Zeit, in der die Gesellschaft von einer Identitätsdebatte getrieben wird, die die Rechten nicht gestartet haben, wichtig, weil sie alternative Antworten geben, auf ein Konzept von Internationalismus und Multikulturalismus, in dem sich große Teile der Linken und Liberalen im Grunde einig sind, wenn sie auch noch über die Umsetzung und Radikalität streiten.
Eine Nationaldebatte wäre im letzten Jahrhundert sinnlos gewesen, in einer Zeit in der mit Massenmigration und einem fortschreitenden Verzicht auf das Eigene politische Fakten geschaffen werden, hat dieser Debattenbeitrag seine Berechtigung und ist nicht einfach arrogant, präskriptiv als gegenstandslos zu verwerfen. Wie gesagt wir haben die Debatte nicht begonnen, wir antworten nur darauf. Die AfD ist eine demokratische, parlamentarische Kraft und daher am ehesten dazu geeignet diese Debatte im Namen aller konstruktiv und legitim zu führen, die bisher dafür nur die NPD oder Ähnliches zur Verfügung gehabt hätten und davor zurecht zurückscheuten.
An dieser Stelle leistet die AfD dann auch einen unglaublich wichtigen Beitrag eben, in dem sie die ganze Breite des rechten Spektrums auf demokratischem Boden, einschließlich demokratisch orientierter Nationalisten, abdeckt und damit anders als CDU und CSU keinen Leerraum übrig lässt, in dem Rechtsextreme wildern können. Die Alternative für Deutschland hat damit geschafft, was millionenteuren Rechtspräventionskampagnen über Jahrzehnte nicht vergönnt war: das Geschmeiß der NPD zu marginalisieren und an die Wand zu drücken, sie aus den Parlamenten zu entfernen.

Debatten darüber also ob die AfD zu rechts wird, muss man daher von zwei Feldern beobachten. Für die Leute, die diese Debatten in der Regel anstoßen, ist wie meinem Gesprächspartner bereits eine mehr identitäre nationale Politik zu rechts, die anderen sorgen sich mit einiger Berechtigung darum, dass der rechte Flügel übersteuern und den Boden des Angemessenen, Liberalen und Demokratischen verlassen könnte. Ich bin daher in einer Zwickmühle nämlich einerseits generalisierte Angriffe auf den deutschnationalen Flügel an sich, als Fehler und zudringlich abzuwehren, andererseits auch über gewisse Entwicklungen und Personen nicht glücklich oder besorgt zu sein.
Das führt mich in die unangenehme Lage einerseits bei Leuten die den deutschnationalen Flügel der Partei zurückschneiden wollen, weil sie die Übernahmegefahr von rechts fürchten, einerseits zu widersprechen, weil die AfD sich sonst an einer für die heutige Zeit wichtigen Strömung kastriert, sie damit aber gleichzeitig inhärent dabei zu behindern, gegen Elemente vorzugehen, gegen die ein Vorgehen absolut angemessen wäre, um zu verhindern, dass der Deutschnationale Flügel extremistische Tendenzen entwickelt.

Ein Björn Höcke zum Beispiel, auch wenn bei näher Betrachtung einige der Aussagen von ihm, nicht so skandalträchtig waren, wie sie dargestellt wurden, hat etwas in seiner Art, seiner Rethorik, aber auch an Unklarheiten aus der Vergangenheit, an sich, dass es mir schwerfällt darauf zu vertrauen, dass er nicht einfach ein rechtsextremer Wolf ist, der Kreide gefressen hat. Er ist in jedem Fall eine politische und womöglich auch ideologische Belastung für die Partei. Ich habe daher auch einen Parteiausschluss befürwortet. Da der wiederum vor großen formellen Hürden steht, immerhin hat es die SPD auch nicht geschafft seinerzeit Sarrazin loszuwerden, obwohl man sich da prinzipiell einig war, sollte man selbst wenn der Ausschluss nicht klappt, dem Mann nicht noch zu höheren Positionen verhelfen. Ich verstehe warum der rechte Flügel um Höcke zusammenrückt, nämlich Charaktere wie Pazderski bspw. planen ja relativ offen gegen die Deutschnationalen vorzugehen, aber es bringt nichts sich durch Männer wie Höcke oder Gedeon von zweifelhafter Gesinnung in ein schlechtes Licht rücken zu lassen. Stattdessen sollten dort gemäßigtere Stimmen die Moderation und Vertretung übernehmen, statt Höcke durch ewige Debatten noch in seiner Position als „Repräsentant“ des rechten Flügels zu bestätigen.
Vielmehr sollte sich nicht die AfD von den Deutschnationalen emanzipieren, das würde sie belanglos in wichtigen Fragen machen, sondern die Deutschnationalen sollten sich – und sollten auch dazu aufgefordert werden, sich von Extremisten und verbalen Eskalierern zu emanzipieren und Repräsentanten suchen, die die deutschnationalen Anliegen in einem gemäßigten, konstruktiven Maß artikulieren, ohne in anbiedernden Opportunismus zu verfallen.

Man sollte auch aufhören Gauland als einen Vorantreiber dieses Rechtsrucks zu sehen, weil seine Position ja klar und deutlich eine konservative ist. Das ist vielleicht Konservatismus von vor 30 Jahren, aber eben etwas, dass im Gegensatz zum deutschnationalen Kurs weder der CSU noch der CDU zu ihren wirklich konservativen Zeiten fremd war. Man kann das heute für nicht mehr zeitgemäß halten, das tue ich persönlich auch bei einigen Sachen nicht mehr, allerdings enthält das Wahlprogramm einen Fokus auf wertkonservativen Ansätzen, die ich selbst unserer heutigen Zeit noch für angemessen halte: Leistung, Bildung, Rechtseinhaltung und ein funktionierender Staat. Eine Hinwendung zum Christentum, die sich sogar erstaunlicherweise fortschreitend im dauernden Konflikt mit den Kirchen stark abschwächt und eine allzu exklusive Familien- und Ehepolitik mögen nicht mehr ganz meinen Maßstäben entsprechend, aber das kann ich aushalten. Im Endeffekt fängt damit die Partei genau jene ab, denen man vor ein paar Jahren auch noch nicht abgesprochen hat, demokratisch zu sein, obwohl sie die CDU/CSU für diese Sachen gewählt haben. Auch hier verbreitert man seinen Stand im rechten Spektrum.

Im Endeffekt geht es genau darum mit diesen zwei rechten Flügeln die ganze Bandbreite des rechten Spektrums zwischen Konservatismus und Nationalismus aufzunehmen und eben keine Vertretungslücken mehr zu lassen. Diese Breite ist dann die demokratische Aufgabe und Besonderheit und gleichzeitig die Stärke, die die AfD ausmacht. Was sich stets finden muss und was am Ende anhand der gerade akuten gesellschaftlichen Probleme wie in jeder Partei ausgehandelt werden muss, sind der Fokus und das Kräfteverhältnis. Die Migrationsfrage und schlussendlich auch die Kultur- und Identitätsdebatte, die in dessen Zug angestoßen wurde, führen zwangsläufig zu einer stärkeren Bedeutung eines deutsch-nationalen Debattenbeitrags inner- und außerhalb der Partei. Das ist der Sache zur Zeit angemessen. Das kann und soll sich ändern, sobald andere gesellschaftliche Fragen drängender werden, aber erst dann.

Die essentielle Bedeutung der Liberalen

Die Liberalen nehmen in der AfD damit wiederum eine Schüsselstellung ein. In ihnen liegt einerseits ein Teil der wirtschaftspolitischen Kernkompetenz der alten Lucke-AfD, zum anderen sind sie diejenigen, die auch weiterhin das wichtige Thema EU und Euro auf dem Schirm haben. Tatsächlich ist die Eurokrise, wie auch die sie bedingenden Folgen der Finanzkrise, nicht ausgestanden. Sie wird inzwischen nur überlagert in Deutschland von der guten Konjunktur auf der staatlichen Ebene von einer Nullzinspolitik, die im Hintergrund allerdings für den einfachen Bürger eine schleichende Zersetzung des privaten Wohlstandes darstellt. Der Unruheherd Griechenland kann jederzeit wieder ausbrechen, neue Schuldengarantien fällig werden und die Androhung eine Schuldenvergemeinschaftung steht nach wie vor im Raum. In dieser Frage bleiben liberale und euroskeptische Stimmen wichtig und relevant. Alice Weidel ist daher auch eine gute Wahl als Vertreterin dieser liberalen Strömung, weil sie die Euro-Politik nach wie vor als wichtiges Thema auf der Tagesordnung hält, aber weil sie auch einen einen progressiveren liberalen Kurs vertritt und verkörpert, was sie und die Liberalen zu einer wichtigen Ergänzung der Konservativen und Deutschnationalen macht.

Linke und Rechte Identitätspolitik haben das Momentum, dass sie kontextgebunden richtig und notwendig sein, aber ebenso zu einer Übersteuerung bis hin zu Illiberalität und Extremismus neigen können. Sicher ist viel auch an die Selbstbeherrschung und eine gesunde demokratische und liberale Grundhaltung auch der Deutschnationalen zu richten, gleichzeitig kann und muss diese durch einen Flügel, der die freie Geistes- und Entscheidungshaltung des Menschen hochhält, bestärkt werden. Also die wichtige Prämisse hochzuhalten, in die persönliche Freiheit, wenn überhaupt, so maßvoll und geringfügig wie möglich und nötig einzugreifen. Dies dürfte letztlich der beste Schutz der Partei davor zu sein, sich zu einem rechten Spiegelbild links-regressiver Bewegungen wie des Feminismus der dritten Welle zu machen.

Gleichsam müssen die Konservativen der AfD Konzepte dafür entwickeln, die Herausforderungen der neuen Zeit und inzwischen anerkannte gesellschaftliche Normalitäten, wie die Beziehung von Homosexuellen in ein konservatives Weltbild zu integrieren, insbesondere wenn diese konservative Kernwerte wie Familie und Ehe – anders als die Suggestionen und Projektionen der Linken vermuten lassen – auch leben wollen. Hier könnten liberale Kräfte und die offen als homosexuell auftretende Alice Weidel oder Fürsprecher wie David Berger (Philosophia Perennis) helfen alte konservative Lager- und Feindesgewissheiten zu überwinden.

Das führt mich an der Stelle jedoch zu einem unschönen Fall vom Anfang der aktuellen Wahlperiode zurück, der mit diesem frommen Wunsch in Beziehung steht.

Der Fall Petry

Wie soll es auch anders sein, spreche ich von der Causa Petry. Ich muss sagen mein Gefühlsbild damals schwankte zwischen „Jetzt macht sich die AfD, doch unmgölich“, Zorn und Verständnis. Das erste schwand mit der Zeit zuammen mit den guten konstruktiven Arbeit der Bundestagsfraktion, das Verständnis löste sich jedoch innerhalb der ersten Tage sehr schnell auf. Geblieben ist ein gewisser Zorn. Auch wenn ich nicht so weitgehen will, von einer Dolchstoßlegende zu sprechen, ist Petrys Abgang auch in der Nachschau für mich vor allem eines: ein hinterhältiger und maximal schändlicher Verrat.

Das Verständnis zu Anfang hatte ich aus drei Gründen. Einerseits hatte mich etwas, dass Blogger Kollege Pietsch auf Twitter gesagt hatte, maßgeblich verägert. So war ihm wegen früherer Mitgliedschaft in der Linkspartei der Parteieintritt verweigert worden. Und ich extrapolierte das an der Stelle, auch als jemand der mit dem Gedanken spielt in die AfD einzutreten: Wir träfen quasi eine Lebensentscheidung. Wenn die AfD aus irgendeinem, Fortuna möge es verhüten, Grund scheitert oder man sich inhaltlich tatsächlich völlig auseinander entwickelt, würden wir doch auch hoffen, dass uns andere Parteien eine Chance geben. Deshalb hat es mich maßgeblich wütend gemacht zu hören, dass der Herr Pietsch als Patriot scheinbar als zu links von einer Beteiliung ausgeschlossen wurde. Weshalb ich, um den weiteren Ausführungen an der Stelle vorzugreifen, auch verstehen kann, warum er sich jetzt lieber der Blauen Wende zugewandt hat.
Ein anderes Problem war, dass schon damals im Raum stand, dass Personen wie Höcke womöglich gute Chancen hätten auf wichtigere Positionen in der Parteihierarchie aufzurücken, jetzt wo der Einzug in den Bundestag geschafft war und das freilich ein tatsächlicher „Rechtsruck“ gewesen wäre, den ich so nicht unbedingt hätte mittragen wollen.

Dann kam also Petry. Ihr Verrat an der Partei geschah, da sollte sich keiner, auch der Herr Pietsch nicht, Illusionen hingeben, aus ganz und gar eigennützigen Motiven. Die ganze Blaupause des Vorgangs finden wir so eins zu eins im Ausstieg von Bernd Lucke früher. Die Ironie der ganzen Sache, vielleicht auch Frechheit, ist darin zu sehen, das Petry an dem Vorgang seinerzeit maßgeblich beteiligt war. Es gab einen internen Machtkampf, den Lucke, der die Partei zunehmend autoritär zu führen gedachte, gegen eine Frauke Petry verloren hat, die die Partei, ebenfalls Ironie, nach rechts öffnete und verbreiterte. Lucke, der aber vor allem diese persönliche kränkende Niederlage nich verwinden konnte, trat aus und gründete eine eigene Partei. Das war ALFA und von ALFA, tja da hört man nichts mehr.
Was Lucke damals schon anrichtete, war ein Partei-Exodus vieler Liberaler und auch wirtschaftlich kompetenter Personen, ihn eingeschlossen. Auch wenn ich in der Nachschau sehe, dass seine Entfernung und vielleicht auch die der Liberalen zunächst notwendig war, um die Partei überhaupt zu öffnen und zu verbreitern – ALFA erwies sich als eine weiche Beta-Bewegung – wünschte man sich heute doch gesetzte Leute wie Lucke, Biederkeit und Fachkompetenz, manchmal als einen Teil der internen Debatte zurück.

Umso frecher wirkt es, dass Frauke Petry, die die Öffnung nach Rechts opportunistisch gegen Lucke voran- und ihn ins Exil getrieben hat, jetzt genau den gleichen Weg wie Lucke beschreitet, eins zu eins und glaubte, sie würde im Gegensatz zu ihm damit durchkommen. Sie hat einen internen Machtkampf gegen Weidel, Gauland und Meuthen verloren. Es ging nicht um allzu gravierende ideologische Differenzen, denn die bilden sich anhand der Flügel in der Partei ohnehin im Widerstreit ab. Petry stünde gewissermaßen zwischen all diesen Positionen und hätte sich auch in der Partei weiter wiedergefunden, denn ein Problem hatte sie mit der Entwicklung der Partei bis zu ihren gescheiterten Ambitionen auch erkennbar nicht. Die jetzt erfolgte Abgrenzung ist maßgeblich ihrem Machtwillen geschuldet.
Nicht anders kann man nämlich auch erklären, dass sie in der Wahl von Art und Zeitpunkt ihres Rück- und Austrittes der Partei maximalen Schaden zugefügt hat und offenkundig auch zufügen wollte, denn sie musste wissen, was es für die AfD bedeuten würde. Noch einen Tag zuvor lässt sie sich von Wählern, in der Erwartung damit die AfD, vielleicht auch sie als Person, zu unterstützen in den Bundestag wählen, auch mit dem Versprechen zusammen mit der AfD Fraktionsarbeit zu betreiben und Opposition zu sein, um sich dann ohne Rücksprache mit der Partei, ihren Kollegen, auf der darauffolgenden Pressekonferenz wie aus heiterem Himmel abzusetzen und die Leute, die man gerade noch Parteigenossen und Kollegen genannt hatte, der Lächerlichkeit und dem medialen Zerriss preiszugeben. Der Image-Schaden der Partei in den ersten Tagen des neuen Bundestages und aufgeworfene interne Probleme vor der Herausforderung der Bildung einer handlungsfähigen Fraktion im selbigen, kann man wohl kaum in Schadenshöhe beziffern. Zumindest verfing der Aufruf zur Spaltung der AfD nicht. Der Exodus an Parteimitgliedern hielt sich in Grenzen und wurde durch neue Parteieintritte aufgefangen.

Dolchstoß, wie es dann in vielen patriotischen Kanälen hieß, wäre wohl auch aus historischer Sicht unangebracht, aber wie der Herr Lichtmesz kürzlich [Anm.: Die Überarbeitung des Artikels hat sich jetzt mehrere Wochen hingezogen, weshalb noch Ergänzungen gemacht wurden] von Petrys 30 Silberlingen, ihrem Judas Lohn, zu sprechen, erscheint mir dann für eine Verräterin gewissermaßen passend. Tatsächlich hat ihr ihre eigennützige Distanzierung von der AfD inzwischen einen bis zum Himmel stickenden Status einer Jeanne d’Arc eingebracht. Sie ist umgefallen und hat sich dem medialen Mainstream genug angebiedert, dass diejenigen, die sie noch als rechte nazieske Hardlinerin beschimpft haben, nun versöhnliche Töne anschlagen oder sie auch mal mit freundlicheren Fotos ablichten als bisher.

Und das freilich während sie sich in Berlin auf einem womöglich erschlichenen (sie ist zwar direkt gewählt worden, es bleibt aber fraglich ob ihrer Person wegen oder wegen ihrer Parteizugehörigkeit) Abgeordnetenposten aushalten lässt. Mit etwas Anstand hätte sie diesen Sitz, den sie einer aus ihrer Sicht inzwischen schädlichen Partei, verdankt, abgetreten. Aber vier Jahre Bezüge sind sicher kein schlechter Ausgangspunkt für die Blaue Wende. Man möge hoffen, dass vielleicht vorgezogene Neuwahlen dafür sorgen, dass sie noch einmal unter Beweis stellen kann, ob ihr Direktmandat verdient ist. Ihr Geschwurbel also davon, dass die AfD ein Extremismus- und Radikalisierungsproblem in Richtung Rechts habe und das sie deshalb austritt, ist der blanke Hohn.

Allerdings, das habe ich damals gesagt und dazu stehe ich noch, wir sollten ihre Worte dennoch im Hinterkopf behalten.

Petrys Schaden und die Spannweite der Flügel

Die Alternative für Deutschland muss darauf aufpassen, dass sie ihre liberalen Wurzeln nicht abschneidet, also sowohl national, konservativ aber auch liberal in einem Gleichgewicht der Kräfte hält. Erst der argumenative Streit und die gegenseitige Mäßigung erzeugen in einer verträglichen Konvergenz einen glaubwürdigen, einen vertrauenswürdigen und nicht-radikalen Nationalliberalismus mit konservativen Werten, dem ein Patriot weitestgehend bedenkenlos (wenn auch nicht unkritisch) vertrauen und seine Stimme geben kann. Die AfD muss dringend darauf achten, dass nicht das wahr wird, was die Petry aus reiner Schadensabsicht behauptet hat.

Die Bedeutung der Liberalen in der Partei und für die Partei kann deshalb nicht überschätzt werden. Und umso schädlicher war auch der Petry Austritt mit folgendem Exodus auch für die AfD. Denn tatsächlich, wenn es Frau Petry, tatsächlich um den Rechtsruck gegangen wäre, wenn es irgendjemanden um den Rechtsruck gehen würde, in den Medien oder unter den ätzenden Kommentatoren, dann müssen sie doch erkennen, dass der Austritt der Liberalen genau den gegenteiligen Effekt hat. Die – aller Wahrscheinlichkeit nach tatsächlich ideellen – Austritte nach Petrys Rückzug (abzüglich ihrer Claqueure) dürften die liberalen Kräfte in der Partei nämlich geschwächt haben. Wenn man nicht will, dass sich die AfD nach Rechts verliert, kann man nicht einfach wegen Debatten- und Streitfaulheit oder Kompromissunfähigkeit die Partei einfach den Rechten überlassen. Wäre Frau Petry tatsächlich an etwas in der Art gelegen gewesen, wäre sie geblieben und hätte mit den Liberalen, die jetzt noch in der Partei sind, um eine klare Linie gefochten, aber darum ging es ihr eben nicht. Wer also die AfD, trotz Sympathien, auf dem falschen Weg sieht, sollte sich einmischen statt abwenden.

Der Vorteil an einem gärigen Haufen ist nämlich, dass er – im Gegensatz zu den harten Strukturen, Funktionärsapparaten und ideologischen Verkrustungen – noch flexibel ist, wandelbar. Die AfD ist dank der Kürze ihres Bestehens immer noch eine Debattenpartei. Deshalb ist der von Petry angerichtete Exodus in seinem personell-ideologischen Schaden womöglich noch nicht zu ermessen.
Wichtig ist aber eben eine Radikalisierung zu vermeiden und entschieden zu bekämpfen. Ich würde für eine deutsch-nationale aber gleichzeitig auch liberal fundierte Partei eintreten. Also stärker an einem national gemäßigten Kurs festhalten, als Martin Sellner von der Identitären Bewegung das vielleicht würde, allerdings trifft er den Nagel in seinem ebenfalls kürzlich erschienen Video auf den Kopf, wo er sagt, dass daraus keine verwaschene Beliebigkeit entstehen darf, denn die hatten wir in patriotischer Hinsicht über vergangene Jahrzehnte mehr als genug. Der Vergleich zwischen Scylla und Charibdis zu manövrieren ist daher wohl nur passend:

Doch braucht so ein Schiff auch seine Kapitäne und Offiziere. Was bei den Diskussionen und Rochaden um das Personal, auch im kommentatorischen Umfeld dieses Parteitages, hinlänglich übersehen wurde und gerne übesehen wird, dass Führungsstreits zwar mit einer Entscheidung dann einen Strich unter einen Flügelkampf setzen, dass diese Flügelstreits aber nicht exterminatorisch geführt werden und auch nicht geführt werden sollten. Es gibt also keinen absoluten Gewinner sondern immer nur einen Gewinner auf Zeit. Der reagiert dann gut oder schlecht auf die Erfordernisse seiner Amtszeit und je nachdem, wie gut die Politik der Partei unter seiner Führung Antworten auf die bestehenden Probleme gibt, so entscheidet sich dann, ob ein Richtungswechsel dann angestrebt wird oder nicht. Derweil aber sind die anderen Flügel ja nicht tot. Ihre Politik ist vielleicht nicht zentraler Fokus aber dank der Debatte Teil des Programms und sie ziehen ja auch weiterhin Leute und Wähler der Partei an, die sich gerade von deren Fokus angesprochen fühlen.
Es wird als Schwäche der AfD aufgefasst, dass sie sich immer noch nicht auf eine zentrale Figur einigen kann, sondern wohl auch erst einmal weiter auf eine Doppelspitze angewiesen bleiben wird. Anders als bei den Grünen, wo diese Konstruktion gravierende ideologische Grabenkämpfe und Quotensysteme symbolisiert, konnte man bei der Spitze Weidel/ Gauland gerade für die Wahl aber auch für die Bundestagsarbeit eher von einem Schaulaufen sprechen. Es präsentieren sich hier nicht zwei aufs Blut verfeindete Ansätze ein und der gleichen Ideologie (Fundis und Realos bei den Grünen) sondern ein sich ergänzendes Programm.

Die AfD ist eine für Parteiverhältnisse außerordentlich junge Partei und das eben aus den drei erwähnten Herkunftsströmungen. Es ist daher absolut verständlich, dass sich aus den Synergien der drei Strömungen noch keine Konvergenz gebildet haben kann mit einer neuen Generation von Politikern die selbstverständlich mit allen drei politischen Strömungen innerhalb der Partei zugleich sozialisiert wurden. Die gibt es schlicht nicht. Umso wichtiger ist, dass in der Führung, um die Grundlage für eine solche Konvergenz zu legen, entsprechend diese Strömungen in den Debatten Berücksichtigung finden. Die Doppelspitze der AfD mag gerade für diesen Findungsprozess auch und vor allem für die Zukunft, sogar von Vorteil sein. Sie muss nicht Dauereinrichtung bleiben, man muss aber nicht zwangsläufig auf einen einzigen Chef zusteuern.
Wie behäbig und gedanklich sowie ideologisch unflexibel sich das dann auch gestalten kann, zeigt uns die CDU mit Frau Merkel jezt und Kohl damals seit Jahrzehnten, gerade wenn die Parteigenossen, wobei das bei der AfD eher nicht der Fall zu sein scheint, allzu debattenfaul und unbeweglich werden.

Die offenkundige Schwierigkeit ist, dass eine solche Führung, gerade mit einer – aus demokratischer Sicht positiven – diskussionsfreudigen Basis, ein hohes Maß an Disziplin, Kompromissbereitschaft, Teamfähigkeit und Selbstzurücknahme gegenüber der Sache aufweisen muss. Sowas dürfte man eher noch mit Konservativen finden, da diese eher bereit sind, einer Führung, auch wenn sie nicht mit ihr 100%ig übereinstimmen zu folgen, ohne zu spalten, aber man darf gewiss auch eine solche Partei nicht mit innerparteilichen Puritanismus überfordern. Das beste also wäre die AfD und gerade ihre Oberen begreifen die Spannweiten der Partei als Chance, statt alle Strömungen unter dem Gefahr des Parteibruchs unter eine einzige Linie zu zwingen. Wichtig ist, dass man intern debattiert, Parteiprogramme und den Fokus der Politik, wenn dies geboten ist intern neu verhandelt, aber an sich aber die Disziplin und Geschlossenheit beweist, die gemeinsame Sache über die internen Differenzen zu stellen.

Vor diesem Hintergrund zum Fall Petry noch ein paar nachgeschobene Worte:

Ich glaube zwar, dass Frau Petry das Tischtuch, was ihre Person angeht, unrettbar zerschnitten hat, allerdings sollte sich die AfD von den Leuten der Blauen Wende nicht abwenden, sondern ausloten, ob eine Wiedervereinigung in Zukunft nicht möglich ist und Sprachkanäle offenhalten. Es bringt niemanden weiter, aus reiner nachgetragener Bosheit Leute dauerhaft von politischer Repräsentation und Rehabilitation auszuschließen.

Maas und die Opferrolle

Die Maaslosigkeit will darüber sprechen, wie sich die AfD in die Opferrolle hineininterpretiert. Im Bezug auf Mitbestimmungsrechte, die ihr vorenthalten werden, muss sie das gar nicht tun. Die anderen Parteien besorgen das durch ihr antidemokratisches Vorgehen selbst.

Die Maaslosigkeit will darüber sprechen, wie sich die AfD in die Opferrolle hineininterpretiert. Im Bezug auf Mitbestimmungsrechte, die ihr vorenthalten werden, muss sie das gar nicht tun. Die anderen Parteien besorgen das durch ihr antidemokratisches Vorgehen selbst.

Da geht man nichtsahnend mal wieder online die Nachrichten durch und entdeckt dieses schöne Schmankerl: Maas hält AfD-Wahlprogramm für grundgesetzwidrig. Ich will mich gar nicht mit der angeblichen, nicht vertieften Erkennung von Verfassungsfeindlichkeit lange aufhalten. Man kann nur sagen, der Maas ist mal wieder los. Und er versucht uns, nachdem er das Feld der Hassrede absolut eindeutig bestimmt und mit einem Gesetz geregelt hat, für das wir internationale Beachtung finden, zum Beispiel durch Weißrussland oder Nord-Korea, nur mal wieder einen Anschlag auf die Alternative für Deutschland (AfD).

Man ist es ja gewohnt, wenn sich das eigene linkslastige Propagandawerk gegen Rechts, das eigentlich Andersdenkende meint, nicht verkauft, muss man mal wieder öffentlich zeigen, dass man zu den Guten gehört.

Eine Aussage in dem Artikel war für mich hingegen doch von einem gewissen Interesse, da ich darüber schon länger was schreiben wollte. Maas wird von der Welt zitiert mit:

„Ich halte nichts davon, irgendetwas zu verändern, nur damit die AfD kleingehalten wird“, kritisierte Maas. Das verschaffe der AfD die Möglichkeit, sich in „diese Opferrolle hineinzuinterpretieren und damit zu zeigen, dass man anders ist als die anderen Parteien und dass die anderen Parteien sich alle gegen sie verbündet haben“, warnte er.

Tja schlimm genug sei es trotzdem, wenn die AfD ins Parlament einziehe, deshalb sind einige seiner Parteikollegen und dem Parteivolk der anderen „demokratischen“ Kräfte wohl auch wesentlich weniger zimperlich. Ob er tatsächlich nichts vom Kleinhalten hält, ist angesichts, der von ihm verbürgten Netz-Zensur mehr als fraglich. Vielleicht weil man die Aushöhlung von Parteirechten nicht einfach mit einer nebulösen Hatespeech begründen kann und daher der Gegendruck stärker wäre. Und er ist stark.

Die AfD suhlt sich tatsächlich in einigen Opfer-Narrativen, manchmal ist es schon sehr unwürdig, an anderer Stelle stellt aber die Kommunikation auch Doppelstandards und Heuchelei des System bloß. Was unabhängig von der Partei und deren problematischer Positionen zu erkennen ist, ist das das sogenannte Overton-Window mit aller Macht auf Links gehalten werden und rechts komplett aus diesem und aus zukünftigen Diskursen verdrängt werden soll und allein für ihre Brecher-Funktion macht es Sinn auf die unterschiedlichen Bewertungsstandards hinzuweisen.
Vieles andere ist aber Cherry-Picking und ansonsten auch eher unwürdig. Ganz besonders peinlich wird es, wenn die Opferrolle zur Ausrede für das Ausblenden oder Abweisen von Kritik wird und man sich da auf das Niveau von SJWs begibt, die man vorher vielleicht auch noch dafür kritisiert hatte.

Umso mehr erstaunt es, dass Mr. Maasi von eingeredeten oder hineininterpretierten Opfer-Narrativen zu sprechen wagt, da das zumeist der Modus ist, auf dem die von ihm gehätschelten linken Gruppen, anti-rassistischer Rassisten und antisexistischer Sexisten, fußen.
Die AfD hingegen muss sich im Bezug auf Parteirechte jedoch die Unterdrückung des ominösen Systems gar nicht konstruieren, sie findet statt und Maas weis das genau und hat bei jedem Vorfall geschwiegen. Eher erkennt er richtigerweise, dass die AfD mit der Solidarisierung der Bürger und der Wähler rechnen kann, jedes Mal, wenn die anderen Partei mit Hilfe ihrer Macht über die Geschäftsordnungen doch versucht die Partei in ihren Möglichkeiten kleinzuhalten. Die Opferrolle ist hier tatsächlich real und sollte als solche auch kommuniziert werden. Maas übt sich also eher in Schadensbegrenzung.

Chronologie der Benachteiligung

Bevor die AfD durchaus auch spektakuläre Wahlerfolge, wie in Sachsen-Anhalt, vorweisen konnte, wurde sie erst verlacht und mit stärkerer Hartnäckigkeit dann ignoriert oder aktiv aus den Diskursen ausgegrenzt. Mit einer Parlamentsbeteiligung war das so nicht mehr möglich.

Als wachsender und erstarkender Oppositionskraft standen ihr damit entsprechende Kontrollrechte im Parlament zu und auch bestimmte Mitbestimmungsrechte. Und natürlich sind die genau dafür mit einem gewissen Einfluss ausgestattet, damit gerade die Opposition gegenüber den Regierungsparteien nicht völlig machtlos ist und Alternativen anbieten kann.

Das erste Schmierentheater lässt sich nach den ersten Landtagswahlen mit passablen AfD-Ergebnissen verorten, wo offen darüber gesprochen wurde Geschäftsordnungen und Gesetze zu ändern, um zu verhindern, dass die AfD in die Aufsichtsgremien des öffentlichen Rundfunks einzieht. Man fürchtete den Einfluss der rechten Partei auf die öffentliche Meinungsbildung und wollte diesen Einfluss nicht auch noch bei den hofbericht-erstattenden Staatssendern haben. Nach Jahren anhaltender Kritik an der nur vorgeblichen Staatsferne der ÖR-Anstalten machte man sich plötzlich über politischen Einfluss Sorgen, obwohl man bisher bestritten hatte, dass der Einfluss der Parteien auf die Sender zu groß sei.

Hätte man redlichen bleiben wollen, hätte man eine Debatte darüber starten können, die Politik endgültig oder weitestgehend aus der Kontrolle der Sendeanstalten zu entfernen, um somit die Anstalten tatsächlich unabhängig zu machen. Denn im Endeffekt ist das Hauptproblem die politische Einflussnahme und Gefahr von Propaganda an sich, um die es gegangen wäre. Tatsächlich stellte man sich selbst damit bloß, das man zeigte, dass man politische Einflussnahme schon richtig fand, aber bitte nur, wenn man sie auch selbst ausübte. Vor diesem Hintergrund also die Einflussmöglichkeiten der AfD einzig und allein zu beschränken und das an ihrer legitimen politischen Ausrichtung festzumachen muss ganz klar als Versuch des Beschneidens der Rechte einer demokratisch gewählten Partei gesehen werden. Und das nicht in einem Bundesland sondern in einigen.

Die Diskussion um den Alterspräsidentenposten im Bundestag schlägt genau in die gleiche Kerbe. Vergegenwärtigt man sich, dass es sich hierbei um ein reines Ehrenamt handelt, dass einem eine Rede gestattet, dann scheint noch deutlicher der Wille durch, diese verhasste Partei selbst auf der niedrigsten Symbolebene zu sabotieren. Der Alterspräsident, der bisher eine Verneigung vor dem biologisch ältesten Abgeordneten war, der sich das Abgeordnetenamt noch zumutet, hätte nach der Wahl von der professoralen, eher alten AfD gestellt werden können. Statt dem Respekt vor dem Alter zieht man jetzt das Dienstalter heran. Auch hier ist deutlich erkennbar, dass es sich nicht um einen Bewusstseinswandel im Verständnis des Amtes handelte, sondern auch wieder ganz klar und auch ausdrücklich vom Einzug der AfD in das Parlament motiviert gewesen ist.

Weitreichender wäre da auch schon der Eingriff, wie es im Gespräch war, die Vizepräsidentenstellen des Bundestages anders zu verteilen, um auch hier der AfD ein deutlich wichtigeres Amt in der internen Verwaltung des Bundestages vorzuenthalten, das eigentlich jeder Fraktion zustehen sollte. Die Pläne gingen in die Richtung kleineren Fraktionen in Zukunft dieses Amt nicht mehr zu gewähren, nur doof, dass es im Moment nicht den Eindruck macht, die AfD würde in der Opposition nur die kleine Triangel spielen.
Begründen wollte man das natürlich anders, schließlich müssen wir uns auf ein Parlament mit sieben Parteien in sechs Fraktionen einstellen und da wären das eine Menge Vizepräsidenten, die alle natürlich auch Geld kosten. Wenn wir nachrechen wären das aber dennoch nur sechs Stück, soviele wie wir jetzt haben. Das wir jetzt auch schon sechs haben liegt daran, dass sich CDU und SPD jeweils noch einen zweiten Vizepräsidenten gegönnt haben. Kontrolliert man in einer Großen Koalition derartig mehrheitlich das Parlament, kann man sich schon mal noch mehr Posten zugestehen, bezahlt ja der Steuerzahler.  Im Endeffekt würden wir aber, würden SPD und CDU sich wie früher mit einem Vizepräsidenten bescheiden, die gleiche Zahl ohne Mehrkosten im Vergleich zu jetzt haben.
Über das Vorenthalten von Vizepräsidenten für die AfD zu reden, zeigt auch hier wieder: Es geht nicht um allgemeine Kostenerwägungen, es geht auch nur darum der Partei so wenig Posten und so wenig Einfluss wie möglich zuzugestehen, sie also an ihren Rechten zu beschneiden.

Wenn sie zudem, was nicht ganz unwahrscheinlich ist, auch noch größte Oppositionsparte wird, stünde ihr auch der durchaus mächtige Vorsitz im Haushaltsausschuss zu, das Königsamt zur Regierungskontrolle. Und verdammt Regierungskontrolle haben wir auch in den Sachen nötig, in denen selbst die, anerkennenswert kritische Linkspartei, mit der Regierung übereinstimmt. Gesetzt den Fall die SPD geht nicht aus Wunsch oder Kalkül in die Opposition und lässt Merkel mit den Grünen und der FDP als nächstes regieren. Das auch dieses Amt, das man so selbstverständlich auch der Linken anvertraut hatte, wie es der demokratische Prozess vorsieht, jetzt auch wieder zumindest theoretisch zur Disposition gestellt ist, sodass Maas sich hier zu Wort melden muss, zeigt auch hier, dass die AfD es gar nicht nötig hat, sich eine Opferrolle zu konstruieren.

Dass die Partei gemäß ihrer politischen Ausrichtung nicht im Bundestag platziert werden soll, da säße sie nämlich direkt rechts von Frau Merkel und ihren Bettvorlegern aus München, wäre an sich nur noch ein kleines Kuriosum. Der Symbolwert wäre aber bei so einer Platzierung im Kontext »es darf keine Partei rechts der CSU geben« enorm befriedigend. So würde sehr deutlich gezeigt, wie weit nach links Merkel gerutscht ist, zusammen gerückt mit der SPD und den Grünen und wie hilflos und nutzlos am Ende die CSU in der Konstellation ist.

Von Demokratieverteidigern und antidemokratischem Verhalten

Am Ende des Tages hat die AfD zwei Aufgaben, die Vertretung ihrer Wähler und damit Repräsentanten eines, gemäß der Umfragen, auch gar nicht so kleinen Teil des Wahlvolkes und als designierte Opposition die Kontrolle der Regierung zu sein. Im demokratischen System sind das zwei sehr wichtige und notwendige Aufgaben, von deren Erfüllung die Legitimität und Funktionsweise unserer Demokratie abhängig ist.
Auch die Linke erfüllt bereits die Oppositionsaufgabe ganz  gut, aber natürlich nicht in allen Belangen. Geht es um das nationale Element, sind die Linken häufiger Anhänger der herrschenden Meinung und kritisch gegenüber der Regierung nur dort, wo ihnen die Maßnahmen nicht weit genug gehen. Hier wäre die AfD eine wichtige Ergänzung und muss dafür auch als Oppositionkraft die nötigen Einflussmöglichkeiten haben, um der Regierung faktsich auf die Finger schauen zu können und braucht dafür die Ämter, Posten und Einflussmöglichkeiten.

Und genau diese verbrieften Einflussmöglichkeiten sind es auch die Meinungen der Bürger, die die AfD tragen bzw. ins Parlament getragen haben überhaupt in den demokratischen Diskurs einzubringen und sichtbar zu machen.

Neben Kriterien des Fairplays und Gleichberechtigung demokratisch legitimierter Parteien verletzten diese Maßnahmen eben nicht nur die Rechte der Alternative für Deutschland als demokratisch legitimierter Partei, darüber hinaus legen sie eine Axt an die Grundlagen der deutschen Demokratie, in dem einer Oppositionpartei im Vorfeld die Zähne gezogen und die Bürger, deren Sprachrohr sie ist, mundtot gemacht werden.

Umso widerlicher ist es dann, dass die Medien diese Dinge nicht nur nicht kritisch beleuchten sondern gar mit Verständnis oder Jubel geschehen lassen und sie sich und die Parteien, die dieses schmutzige Spiel spielen, auch noch als Verteidiger der Demokratie heroisieren. Das die Parteien auch ein machtpolitisches Interesse haben die Konkurenz auszuschalten? Geschenkt. Das demokratische Grundsätze ausgehebelt und die Demokratie ausgehebelt wird? Ebenso geschenkt. Nein zu Verteidigung der Demokratie, was eine Anmaßung, ist deren Einschränkung gerechtfertigt. Die Leute merken in ihrer bessermenschlerischen Arroganz nicht einmal mehr, wer sich hier eigentlich selbst zum Gegner der Demokratie macht.

Umso bemerkenswerter das selbst der Einzug der Linkspartei als Nachfolgepartei der SED in den deutschen Parlamentarismus und deren Regierungsübernahme in Thüringen oder deren Beteiligung in Berlin bis auf wenige kleine Provokationen und Anpassungsschwierigkeiten, vergleichsweise glimpflich abging.

Am Ende des Tages ist es womöglich der rechte Boogeyman, der in einer Zeit in der Hass kein Gefühl (starker Abneigung) sondern ein Verbrechen und verpönt ist, dass ist, was man maaslos hassen und sich dabei auch noch gut fühlen darf und wenn die Balken der Demokratie darunter ächzen.
Aber Ende ist es diese Demokratie mit Haltung, die der AfD und ihren Anhänger ein völlig zutreffendes Opfer-Narrativ verleiht, in das sie sich gar nicht erst „hineininterpretieren“ müssen, sondern das faktisch existiert.

Parteilichkeit und Kritische Reflexion

Man kommt aus pragmatischen Gründen nicht umhin, sich irgendwann für die Verfolgung von Idealen oder schlichten Interessen Bewegungen oder auch Parteien zu suchen. Doch man hat nie wirklich Einfluss auf die Menschen, mit denen man dort in Verbindung gebracht wird. Die Pragmatik gestattet selten eine konsequente Distanzierung, aber das sollte ein Freifahrtschein für Ignoranz gegenüber Problemen sein.

Man kommt aus pragmatischen Gründen nicht umhin, sich irgendwann für die Verfolgung von Idealen oder schlichten Interessen Bewegungen oder auch Parteien zu suchen. Doch man hat nie wirklich Einfluss auf die Menschen, mit denen man dort in Verbindung gebracht wird. Die Pragmatik gestattet selten eine konsequente Distanzierung, aber das sollte kein Freifahrtschein für Ignoranz gegenüber Problemen sein.

Ich habe, allein schon der eigenen Redlichkeit vor mir selbst aber auch vor anderen, beschlossen, vor Organisationen, deren Handeln ich freilich nicht kontrollieren kann und mit deren Mitgliedern man sich doch gemein macht, wenn man ihr Sympathien entgegen bringt, nicht unkritisch zurückzuweichen. Wenn man nach Sartre geht, sind freilich die Hölle die Anderen und im Vereinswesen ist das noch einmal das schlimmste. Eigentlich fühlt man sich zumeist, so der Impetus dafür einem Verein beizutreten, der abstrakten Idee verpflichtet und die kann gut klingen, sie kann auch gut sein. Wie die Idee umgesetzt, wie sie interpretiert, unterfüttern oder auch gelebt wird, hängt von den Einzelnen ab, von Menschen. Eigene Interessen, eigene Vorstellungen Idealismus gemischt mit Pragmatismus. Kühle Berechnung und echte Überzeugungen. Wer mag schon besreiten, dass sich gemessen an der gesamten Mitgliederzahl eine ebenso nict geringe Zahl an Leuten einschleust, denen es vor allem darauf ankommt, sich an eine Gruppe anzukoppeln, die gerade im Aufwand ist?

Sei es die AfD, die in ihrem schnellen Wachstum ordentlich weitrechten und altrechten Beifang gezogen hat, entweder weil die Leute wirklich gedacht haben, sie fänden hier eine Kraft, die ihren Faschismus, Rassismus und oder Antisemitismus wieder salonfähig macht oder die meinten sie könnten ihrerseits wie U-Boote, die Partei für sich nutzbar machen, sie als Schafspelz im Wahlkampf nutzen und zugleich ihrerseits unterwandern, umformen und nach rechts rücken, um nach der „Machtergreifung“ zuzuschlagen.

Nun ist das ein zweischneidiges Schwert mit politischen Ansichten. Selbst reifere Leute mit festgefügten Idealen und Ideologien oder gerade die Jüngeren, wo ohnehin noch alles ungefügt und beeinflussbar ist, entwickeln sich weiter. Entwickeln oder verwerfen neue Ideen, mäßigen oder radikalisieren sich. Welcher Alt-Grüne oder welcher Alt-Sozi möchte heutzutage gerne noch mit Aussagen zu Pädophilie, zum Segen des Kommunismus oder mit Gewalt gegen Staat und Polizei in Verbindung gebracht werden, wo er sich doch inzwischen dem Staat zugeneigt und darin auch Karriere gemacht hat? Seine Ansichten nicht komplett revidiert, so aber reflektiert und reformiert hat?
Nun kann man von einem „geläuterten“ Rechten nicht verlangen, dass er sein ganzes ideologisches Portfolio über Bord wirft – was nicht heißt, dass es nicht regelmäßig doch getan wird – denn ihn bewegen bestimmte Themen auf eine bestimmte Weise und daher hat er nach rechten politischen Antworten auf seine Fragen oder Nöte gesucht. Ob man aber nun die rechte CDU, die AfD etwas dazwischen oder dahinter oder gleich den Neonazismus bevorzugt ist eine Frage der Radikalität der Ansichten einerseits, andererseits auch der Abwägugng pragmatischer oder ideeller Gründe. Steht man zur Demokratie und ihren Grundwerten verbieten sich gedanklich automatisch einige der Alternativen.
Wenn wir die Frage der politischen Entwicklung aber als einen Lern- bzw. ständigen Weiterentwicklungs- und Umformungsprozess begreifen, kann uns schnell einmal das, was wir vor wenigen Jahren für richtig und notwendig gehalten haben, als absurd oder widerwärtig erscheinen.

Der Gedanke einem Nazi da etwas zuzugestehen, wenn er doch so ein menschenverachtender Unmensch war, mag einem unbehaglich erscheinen. Hätte er es nicht besser wissen müssen? Das Argument scheint schief, aber hätte man das Beschießen von Polizisten mit Stahlkugeln nicht eigentlich auch besser wissen müssen? Im Endeffekt sollte es nicht um eine, an den grundlegenden Fragen von unterschiedlichen Standpunkten zu Vernunft und Moral scheiternde, unabtragbare Schuld für Gedankenverbrechen gehen, für reelle durchaus. Es ist die Frage, ob man Leute ewig über das Definieren will, was sie hinter sich gelassen haben. Es ist natürlich eine Frage, ob jemand das glaubwürdig tut oder nicht und das ist sicher eine entscheidendere Frage, als sie nur kurz anzureißen, aber ich belasse das an der Stelle dabei. Das Prinzip sollte sein, eine Partei oder ein Verein, auch wenn er gemäßigt rechts orientiert ist, sollte die Möglichkeit einräumen auch ehemalige Weit- oder Altrechte aufzunehmen, wenn die sich glaubhaft losgesagt haben und auch in diesem Sinne handeln.
Ihre Kritiker sollten den Geläuterten die Chance zu gestehen, sich zu bewähren statt die Parteiung dafür zu skandalisieren, dass sie diese Chance einräumt. Wer in dieser Sache A sagt, sich nämlich die Pädo-Witze über die Grünen bspw. verbittet, muss auch B sagen und sollte sich nicht selbst in der Kritik an der vermeintlichen rechtsextremen Gesinnung einer Parteiung auf ebenfalls ältere Aussagen beziehen, die man längst revidiert hat.

Das gilt aber auch umgekehrt und damit kommen wir zu meinem Problem. Die Alternative für Deutschland hat ein enormes Wachstum hingelegt und den erwähnten Beifang gehalten. Man kann das vielleicht kritisieren oder man kann die z.T. übertriebene Kritik daran kritisieren, was aber bleibt sind Mitglieder, die sich mit untragbaren Äußerungen auch in der neuen Partei, entgegen anderslautender Beteuerungen der Partei, einen Ruch aufgebaut bzw. weiter ausgebaut haben. Und sie zu einem Problem der Partei nicht nur in pragmatischer sondern auch moralischer Hinsicht werden. Wie glaubwürdig erscheint selbst einem wohlmeinendem Unterstützer, wie mir, der Wille mit Antisemitismus, Rassismus oder anderen Dingen aufzuräumenn bzw. diese nicht zu dulden, wenn Verfahren erst spät eingeleitet, wenig geprüft und stattdessen medial auch noch widerwärtigste Aussagen zunächst relativiert werden.

Aber lassen wir das Ganze noch etwas differenzierter angehen: Die AfD hatte dieses Wachstum und es wäre das Beste gewesen untragbare Leute erst gar nicht teilnehmen zu lassen, wobei wie gesagt auch das schwierig ist, selbst wenn man eine Gesinnungsermittlung nach geläuterten Rechten durchführt, zu ermitteln, ob derjenige es Ernst meint oder nicht. Aber das mal beiseite bringt die Aufnahme von jemandem in eine Parteiung nämlich ein Problem mit sich: Ein Ausschluss ist ohne weiteres gar nicht so leicht zu bewerkstelligen. Womit sich die Katze in den Schwanz beißt. Man hätte ja vorher drauf achten können. Danke Captain Obvious, warum das durchaus schwierig ist, hatten wir gerade. Das Problem ist jedenfalls da. Die Frage ist aber, ob die Parteiung sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten ausreichend bemüht, sich quasi redlich zu halten. Werden zumindest Prüfverfahren schnell eingeleitet, werden Ermahnungen ausgesprochen, werden Erklärungen zur Treue zu Verfassungs- und Partei- bzw. Vereinsprinzipien verlangt? Distanziert man sich ausreichend? Werden Ausschlussverfahren, die natürlich ihre Zeit in Anspruch nehmen, wie jedes ordentliche Verfahren, verschleppt oder konsequent angegangen? Wird verschleiert oder aufgeklärt?
Und natürlich kann ein Übereifer die Basis, die gerade genug von politischer Korrektheit hat, schnell in Aufruhr versetzen. Da greifen die alten Reflexe schnell, weil die Bezeichnung Nazi und Rassist inzwischen so inflationär geworden ist, dass man selbst mit gutem Willen meist nicht anders kann als mit den Augen zu rollen.

Hängen bleibt allerdings bei zweifelnden oder selbstkritischen Sympathisanten und auch in der Öffentlichkeit ein Bild wie es die Kirche jedes Mal aufs Neue von sich zeichnet, wenn mal wieder Ministranten zu privaten Spielen ins Pfarrhaus gelockt wurden.
Man wünscht sich dann zumindest gerne auch mal eine einhellige Distanzierung. Das ist zwar auch nicht immer leicht, weil die (mediale) Öffentlichkeit gerne auch mal zur Überreaktion neigt. Doch gibt es Fälle, wo es fraglos ist, dass man derartiges nicht tolerieren kann, wenn man sich nicht selbst völlig unglaubwürdig machen will. Auf der anderen Seite ist nicht alles, was als Skandal beschriehen wird, tatsächlich sanktionsfähig.

Bei der AfD gab es zuletzt zum Beispiel zwei Fälle, die diese Kategorien gut aufzeigen. Da wäre einmal Gauland. Dessen Wortwahl im Bezug auf Frau Özuguz ich persönlich unglücklich und unschön fand, auch wenn die Kritik genau ins Schwarze getroffen hat. Die Implikationen aber, die das Gesagte haben kann, zeigt Felix Krautkrämer von der Jungen Freiheit in einem eigenem Meinungsartikel gut auf. Es gab dennoch einen medialen hysterischen Aufschrei, wie man aber generell häufig zu streitbaren Äußerungen von AfD-Oberen findet. Man muss den Leuten halt von oben herab schon vorgeben, und der eigenen Meinungsbildung vorgreifen, was pfui pfui ist. Hätte der AfD etwas mehr Selbstkritik gut getan? Kann man drüber streiten, wäre eine Distanzierung im genannten Maßstab, eine Untersuchung gar erforderlich? Ich denke nicht.

Die AfD hat dann tatsächlich in der Kerbe nochmal nachgelegt sowie nachgewiesen das entsprechende Äußerungen auch in anderen Parteien durchaus schon stattgefunden haben, ohne das daran jemand Anstoß nahm. Außerdem hatte die ganze Angelegenheit den positiven Nebeneffekt die eigentlich skandalträchtige Äußerung von Frau Özuguz, die medial kaum beachtet wurde, dem öffentlichen Diskurs noch einmal mit mehr Zwangs aufs Auge zu drücken, wie die Neue Züricher Zeitung anerkennt.

Anders das gestern [der Artikel wurde Tage vor der Veröffentlichung geschrieben] mir auf Twitter zugeflatterte Bonmot eines AfD-Politikers aus Mecklenburg-Vorpommern, Holger Arppe, der seine Wolf im Schafspelz-Strategie nur allzu deutlich in einem internen Chat bloßstellt. Der Kontext ist eigentlich relativ eindeutig, lässt sich noch die Frage nach der Echtheit des Geschriebenen stellen, aber ich will das nicht Zweifel ziehen. Wie wird die AfD reagieren? Wer keinen Hehl daraus macht, die politischen Gegner verbal oder real nach der Machtergreifung an die Wand zu stellen, hat offenkundig mit Meinungsfreiheit und demokratischen Verfahren nicht viel am Hut. Der Wahlsieg ist der Endsieg. Und die Frage, ob eine Entschuldigung und ein Zu-Kreuze-Kriechen genug ist, um die Sache auf sich beruhen zu lassen, ist mehr als fragwürdig. Herr Arppe ist von sich aus zurückgetreten und Martin Lichtmesz, rechter Theoretiker, hatte gewünscht man möge ihn doch bitte zu Edathy, Beck und ähnlichem menschlichen Müll schieben. Zweifellos ist aber, dass die Chats unter der Teilnahme weiterer Mitglieder der AfD und sogar auch mit Daniel Fiß von den Identitären entstanden und so manche Unsäglichkeit enthalten, bei denen sich fragen lässt, wie konnten all diese Leute nur so ruhig bleiben und immer noch den Kontakt aufrecht erhalten? Und hätte man ihn weitermachen lassen, wäre die Sache nicht ans Licht der Öffentlichkeit gedrungen?
Es sind Fragen auf die ich keine Antworten habe und genau dies beunruhigt micht. Wie gemäßigt, wie liberal oder im Gegenzug wie rechts sind bspw. Björn Höcke, gegen den ein Ausschlussverfahren läuft, und andere aus dem rechten Flügel der AfD wirklich? Was wenn die Herde durchsetzt ist mit räudigen Schafen?

Da ich ja mit der Identitären Bewegung sympathisiere, endet das Problem aber auch nicht mit der AfD. Ich will gar nicht von der Vergangenheit der Mitglieder reden. Machen wir diesen Schnitt. Die Bewegung ist gegen Rassismus, Antisemitismus und auftrumpfendes faschistisch-nationalistisches Gehabe. So zumindest die Selbstdarstellung und das öffentliche Selbstverständnis. Ein Abstraktum, das ich teile. Sind das leere, abgetarnte Worte oder leben die Mitglieder und damit die Bewegung, was sie sich selbst auf die Fahnen geschrieben haben? Auch hier die Frage: Wie konsequent geht man gegen Mitglieder oder Handlanger vor, die offenkundig diese Prinzipien brechen?
In den Kommentaren zu einem der Video-Logbücher zu Defend Europe, tolle Aktion an der Stelle, machte ein Auszug aus einer Unterhaltung mit Alex Schleyer, Bootsmann der Identitären auf der C-Star die Runde, wo er keinen Hehl daraus machte, wie abwertend er nicht nur über andere Kulturen denkt. Von Ethnopluralismus keine Spur. Dafür das Bekenntnis dazu nur vorzugeben, anderes als gleichwertig anzuerkennen. Mit im Chat scheinbar Martin Sellner und das ohne kritische Würdigung des Ganzen.
Auch im Video-Logbuch wo Schleyer dann für die Aktion interviewt wird, hauptsächlich wegen der Episode am Suez-Kanal, hält Martin noch große Stücke auf ihn und bezeichnet ihn als defintiv nicht rassistisch.
Wenn ich ins Zweifeln komme, auch wenn ich Martin eigentlich vertrauen will, wie wirkt das Ganze nach außen? Und wie stellt sich die Identitäre Bewegung dann an manchen Stellen von innen dar, wenn die Oberen so etwas durchgehen lassen? Geschenkt, dass sich auch hier Altrechte untermischen. Aber es ist in Frage gestellt, wie die Führung umgehen wird mit problematischen Stimmen oder wie sie umgehen würde mit kritischen Stimmen, die darauf hinweisen.

Im Endeffekt wenn man sich organisieren will, muss man natürlich mit der Hölle, die die anderen darstellen, zu leben lernen, sich mit denen dort vernetzen, die an das eigene Ideal und die eigenen Standards glauben und ggf. auch versuchen die Parteiung zu einem besseren Ort zu machen oder vor dem Abdriften zu bewahren. Der Grund mit dem Imad Karim sein Engagement bezüglich der AfD rechtfertigt. Es ist eine Frage des Pragmatismus. Man wird im Endeffekt keine Bewegung finden, wo man völlig bedenkenlos alles mittragen kann. Auf der anderen Seite ist es eine Frage abstrakter Ideale, für die Parteien oder Bewegungen stehen können.
Allerdings – und das ist eine andere Sache – man wird nach außen hin zweifellos immer mit dem Tun und Sagen aller anderen Mitglieder in Verbindung gebracht werden, ob man es gutheißt oder verurteilt; Mitgehangen, mitgefangen wie es so schön heißt. Da kann man sicher aushalten, wenn es im Großen und Ganzen redlich zu geht. Aber dafür muss es das tun, ansonsten schreckt man Leute nicht nur von der Beteiligung ab sondern treibt sie auch in die Flucht, gerade dann, wenn grundlegende Regeln nicht eingehalten oder nicht durchgesetzt werden. Und das schadet im Endeffekt jeder dieser Bewegungen.
Zu sagen man sei nicht „Böse“ ist das eine, immer wieder aufs neue das Vertrauen darin zu erarbeiten, dass es tatsächlich so ist, ist das andere. Und da sind der IB und der AfD in Zukunft mehr Konsequenz und mehr Transparenz vielleicht anzuraten.

Sonntagsfrage: Zwischen den Stühlen

Ich habe mir kürzlich selbst die berühmte Sonntagsfrage gestellt. Das mache ich hin und wieder um noch zu schauen, wie anknüpfungsfähig ich im Moment überhaupt noch an das politische Spektrum bin. Ich muss sagen es sah düster aus.

Ich habe mir kürzlich selbst die berühmte Sonntagsfrage gestellt. Das mache ich hin und wieder um noch zu schauen, wie anknüpfungsfähig ich im Moment überhaupt noch an das politische Spektrum bin. Ich muss sagen es sah düster aus.

Ich war jetzt lange Jahre ein Anhänger der SPD gewesen. Ich wurde in Zeiten der Ära Schröder politisiert und von ihm begeistert. Diese Zeit prägte und prägt mein Verständnis und meine Überzeugungen von Wirtschafts- und Sozialpolitik bis heute. Schröder war es der mich seinerzeit für die SPD gewann (überhaupt für meine erste Partei); für eine Partei die für mich den Ausgleich zwischen dem Anspruch einer guten sozialen Versorgung und dem Pragmatismus hinsichtlich einer dafür notwendigen, starken wirtschaftlichen Basis verkörperte. Dem gegenüber stand eine CDU, die die soziale Gerechtigkeit im Zweifel immer der Wirtschaft zu opfern schien, den Staat neoliberal zu schwächen gedachte und ansonsten wenig zur Gestaltung der Gesellschaft tun wollte und das mit der Wahl von Angela Merkel schließlich auch institutionalisierte, die weder eine Vollendung und Abrundung der Agenda-Reformen vornahm, sich auf den Erfolgen ausruhte, die die Agenda-Reformen, für die die SPD dann verprügelt wurde, überhaupt erst hervorgebracht hatten und sich dafür gleichzeitig selbst feiern ließ und jetzt auch in den vergangenen Jahren Reformen und Investitionen unterließ, die den Staatskörper fit und effizient gemacht hätten. So meine Vorstellung, dass jeder Effizienzgewinn an anderer Stelle wiederum hätte in sinnvollere Projekte reinvestiert hätte werden können.

Die Fähigkeit genau für dieses systemische Fortkommen zu sorgen, traute ich über die Jahre einzig der SPD zu und tat mein Möglichstes auch bei der letzten Bundestagswahl, dass sie mit rot-grün würden die ewige Kanzlerin ablösen können. Der Witz an der Geschichte: Ich verstand mich immer politisch als sozial und ordnete mich da entsprechend hinsichtlich meiner Vorstellungen Mitte-Links ein, obwohl ich tatsächlich in meinen Werten eher konservativ eingestellt bin, hinsichtlich meiner nationalen Gefühle sogar noch weiter rechts stehe – und wie mir unbedarftem Jugendlichen aber erst später bewusst wurde, die SPD nicht einzig eine Arbeiterpartei ist, sondern sich in ihrem Programm freilich auch für all das einsetzt, auf das ich eher unmusikalisch reagiere. Das stellte aber lange Zeit für mich kein Problem dar, denn die nationale Frage lag nie in der Dringlichkeit auf dem Tisch und in der jugendlichen Naivität (in der man ohnehin davon ausgeht, dass die Menschen grundsätzlich ohnehin alle so ähnlich denken, wie man selbst es tut, man nur die richtigen Argumente finden oder Sichtbarrieren beseitigen müsse) meinerseits, glaubte ich im Ernstfall könne man einen Kompromiss finden, übersah das das Überwinden des Nationalen praktisch schon lange zum Kernbestand der SPD gehörte und das bspw. über eine zugunsten der autochthonen Bevölkerung mindestens regulierte Einwanderung kein Konzept sei, über das man überhaupt reden könne, da man schon die Grundlagen des Denkens dahinter ablehnen würde. Trotz einer guten Aussage von Sigmar Gabriel, was ich durchaus als Handreichung verstanden habe, habe ich inzwischen ernüchtert feststellen müssen: Ich bin wohl neunzig Jahre zu spät für die SPD, die SPD die nationaler, weil staatstragender und staatsbewusster, bevölkerungs- und demokratieorientierter als jeder andere Partei ihrer Zeit war und sich bis zuletzt der Machtübernahme der Nationalsozialisten in den Weg gestellt hatte, ohne aber anders als heute mit dem Tod des Nationalen zu kokettieren, sondern für eine bessere deutsche Nation einzutreten. Von der Abkehr einer ausgeglichenen Wirtschafts- und Sozialpolitik, die in den letzten Jahren vollzogen wurde, ganz zu schweigen, obwohl Herr Gabriel sein bestes tut. Kurz um, kann ich die SPD nicht mehr ohne das schlechte Gewissen, damit dem Ausverkauf der Werte, die für mich auch zentral sind, Vorschub zu leisten, unterstützen.

Davon ab, dass die Partei, für die ich mich bei den letzten Wahlen immer eingesetzt hatte, mich wohl auch nicht mehr haben wollen würde. Ich gehöre ja quasi zum Pack, dass man nicht haben will bzw. auf das man dankend verzichten kann. Meine bisher sicher geglaubte politische Heimat habe ich verloren.

Doch wo liegen die Alternativen? Als Konservativer wendet man sich ja ganz naheliegend der CDU zu, sollte man meinen. Einerseits hat die Frau Merkel zu bieten, die ich aufgrund ihrer Unbestimmtheit in vielen wichtigen Fragen der letzten Jahre – ich erkenne aber ihre klare Haltung jetzt in der Flüchtlingsfrage mit gewissem Erstaunen an – nur ungern noch zu einer weiteren Amtszeit verhelfen will. Wir brauchen jemanden der reformiert und anpackt und die kommenden Problemlagen nicht einfach auf sich zukommen lässt. Außerdem ist der CDU in sozialen Fragen nicht zu trauen. Die Vergangenheit zeigt eindeutig, dass die soziale Frage fast immer der Wirtschaft drangegeben wurde, wenn sich dort Kritik hob. Dazu kommt eine geradezu zwanghafte Fixierung auf den amerikanischen Partner, die darin resultiert ihm auch jedes noch so große Schindluder durchgehen zu lassen, anstatt auf Augenhöhe Kritik zu üben und auch Konsequenzen zu vollziehen und alles andere als Anti-Amerikanismus zu schmähen. Auf der anderen Seite ist die kritiklose Hingabe an die EU einschließlich des Bekenntnisses zu einer immer engeren Union für mich kritisch zu beurteilen. Anstatt an einem einigen Europa in Vielfalt und Freundschaft zu arbeiten, wird stattdessen weiter an der fragwürdigen Verhärtung und Ausweitung der Institutionen zu deren Selbstzweck gearbeitet, was schon in der Angelegenheit mit Griechenland zu mehr Konflikten geführt hat, als dass sie sie gelöst hätten. Und es ist auch die Frage, wie weit es mit dem Konservatismus in der Union überhaupt noch her ist. Das konservative Lager ist eine Bastion, eine sehr kleine Bastion alter Männer und beflissener Jungunionisten, dass zur Profilpflege dient, aber nicht ernstlich gegen den sozialen Mittekurs der Kanzlerin, der gerade durch die Abschleifung jedes Profils gekennzeichnet ist, überhaupt Schnitte in den politischen Leitlinien der Partei machen kann. Dazu ist es ein allzu häufig dumpfer und muffiger Konservatismus, der statt die wirklich brisante Frage der Nation anzupacken sich vielmehr in Fragestellungen verrennt, wo mehr Aufgeschlossenheit freilich deutlich wünschenswerter wäre zum Beispiel bei der Frage nach der Ehe von Homosexuellen, dem Status des Computerspiels; von der zweifelhaften Neigung zu Law & Order Politik und Überwachung ganz abgesehen. Dazu behagt mir eine Partei nicht besonders, die eine Religion im Namen trägt, selbst wenn dies mittlerweile zu einer leeren Phrase verkommen ist. Die CSU will ich an der Stelle nur mit ein, zwei Aussagen würdigen, nämlich der, dass sie eine inzwischen immer provinzieller auftretende Kraft ist, die ihre Fähigkeit verliert, dass konservative Korrektiv für die Merkel-CDU zu sein.

Die FDP habe ich immer verabscheut, nicht weil sie bürgerrechtsliberal wäre, sondern gerade weil sie das nicht mehr ist, sondern sich ganz marktliberal ausschließlich nur noch der Freiheit der Gewinnmaximierung politisch widmet. Warum die Grünen nicht in Frage kommen, ist wohl auch mit der Frage nach der SPD beantwortet, weil dort das antinationale Potenzial noch größer ist und das obwohl ich durchaus sehr umweltbewusst eingestellt bin. Dann wäre da noch Die Linke und hier gilt das auch wieder und sogar noch schlimmer, wenn ich an eine kürzlich stattgefundene Demonstration denke, auf der ein Pro-Volkstod-Banner zur Schau getragen wurde. Widerlich. Außerdem hat im  Gegensatz zur SPD Die Linke mit der reinen sozialen Lehre nie gebrochen und möge die wirtschaftliche Basis des Sozialsystems darüber zu Grunde gehen. Außerdem ist ihre zweifelhafte Haltung zum DDR-Regime und dessen Verbrechen für mich abschreckend. Auch wenn ich für einzelne Charaktere durchaus große Sympathien hege und dem ostdeutschen Realo-Flügel durchaus auch seine guten Seiten abgewinnen kann. Aber ich denke im Endeffekt wäre ich bei dieser Partei noch deplatzierter, als ich es momentan bei der SPD bin.

Nationalist, dann komm doch endlich zu deinen Lieblingsparteien, wird man sich jetzt an der Stelle sicher sagen. Nehmen wir mal als die einzig relevanten Kräfte die NPD und die Alternative für Deutschland und schauen sie uns an. Aus den oben genannten Punkten sollte ja schon vorhergegangen sein, dass ich mannigfache politische Interessen hege, die an sich erstmal so grundsätzlich im Gleichgewicht liegen. Das Nationale macht da keine Ausnahme. Als Nationalist lege ich natürlich sehr viel Wert darauf und muss gerade in Zeiten, wo sich diese Frage dringend stellt, bei Parteien darauf achten. Aber wenn sich der Nationalismus mit Abwertung, Unmenschlichkeit, Extremismus, Verbrecherschaft, Terrorismus oder einer zweifelhaften Einstelllung zur Demokratie oder dem politischen System meines geliebten Staates paart, dann ist diese Partei trotz ihrer vermeintlich nationalen Gesinnung absolut inakzeptabel. Und damit dürfte zur NPD schon alles gesagt sein, wenn sie nicht ohnehin bis zur kommenden Bundestagswahl vom Bundesverfassungsgericht verboten worden ist.

Bleibt nur noch die Alternative für Deutschland. Ich habe den Aufstieg der Partei durchaus mit gewissem Interesse verfolgt doch das Handeln der letzten Monate spricht Bände. Statt eines gemäßigten Nationalismus predigen gewisse, darüber hinaus auch noch zweifelhafte, Personen dort reinen Populismus, verbreiten Angst und Lügen und öffnen sich Kräften, die in mehr als einer Hinsicht als fragwürdig zu bezeichnen wären. Und Bernd Lucke, der als Garant für Stabilität, Mäßigung und Realpolitik galt, ist inzwischen gegangen oder gegangen worden. So genau weis man es nicht.

Da sie eindeutig Fleisch vom Fleische der CDU/ CSU und FDP ist, trägt sie ebenfalls mit dem nach Lucke gefolgten Rechtsrutsch auch deren insbesondere muffig konservatives Erbe zur Schau. An der Sozialdemokratisierung der CDU war aus meiner Sicht sicher nicht alles verkehrt, aber es ist natürlich nur allzu richtig und verständlich, dass Konservative auch einen echten Ansprechpartner brauchen, der für christliche Werte, Sexualmoral und dergleichen eintritt, aber es geht hier ja um die Frage, ob ich damit klarkommen kann. Auch wenn ich gewisse konservative Werte, zum Beispiel in Fragen der Familienpolitik teile, bin ich auf anderen Feldern liberaler und progressiver und damit eher Klientel der SPD oder der Grünen. Dass es auf mich derzeit den Eindruck macht die AfD wolle bezüglich Frauen auch keine Wahlfreiheitspolitik sondern stattdessen wieder nur klassische Rollenbilder macht es da nicht besser.
Das Hochfahren christlicher Religionspolitik und des christlichen Bekenntnisses schreckt als Atheist generell ab und ich halte es auch gefährlich, das als Konter gegen den Islam zu gebrauchen. Im Endeffekt archaisieren wir uns selbst, statt den archaischen Islam zu marginalisieren, mögliche geschürte Religionskonflikte einberechnet.

Und der Anteil der FDP? Es ist zumeist das neoliberale Erbe der Jahrtausendwende: der Staat ist verdächtig, zu übergriffig, nicht effizient, die Sozialsysteme zu fett. Zumindest ist es das, was mir so zu Ohren kommt. Das widerspricht meinen Ansichten, auch wenn sich hier natürlich wie bei der CDU abgelegte und Positionen wiederfinden und es daher auch berechtigt ist, dass diese Wähler durch die AfD vertreten werden. Der Staat ist in manchen Bereichen wirklich allzu übergriffig und könnte, wenn effizienter in seinen Arbeitsprozessen gestaltet, auch Mittel für sinnvollere Verwendungen freimachen, aber im Kern widerspricht die AfD-Linie in dieser Hinsicht meinen sozialen Überzeugungen.

Schlussendlich muss ich konstatieren, dass die Alternative für Deutschland, für manch einen eine gangbare Alternative wäre, je nachdem ob sie sich noch weiter radikalisiert oder nicht, für mich aber derzeitig leider nicht viel wählbarer erscheint als das restliche Parteienangebot. Dabei ist natürlich festzuhalten, dass in den derzeit drängenden Fragen nach der nationalen Souveränität, Integrität und Identität die AfD leider auch die zumindest einzig politisch opportune Partei ist, die Lösungen anbietet, die mir schmecken würden.

Wenn ich aber auf die eingangs gestellte Sonntagsfrage zurückkomme, muss ich leider gestehen. Ich weis nicht wen ich wählen soll und würde womöglich das erste Mal, seitdem ich das Wahlrecht habe, wohl eher dazu tendieren nicht oder ungültig zu wählen.

Das große Problem ist nämlich eindeutig, dass ich hier politisch zwischen zwei Großblöcken sitze, von denen ich jeweils zwei große Themenkomplexe wichtig und richtig finde, bei denen man aber gleichzeitig weitere Komplexe einkauft, die diesen aber wiederum widersprechen. Von links ist es die soziale Gerechtigkeit und das progressive Engagement, von rechts ist es die nationale Agenda denen wiederum stehen rechts das konservativ-neo-liberale Engagement der AfD und links der Internationalismus gegenüber. Und rechts und links sind heutzutage kaum noch alternativ also ohne die Ausrichtung zu denken. Links ist inzwischen derartig verbandelt und festgefahren in den Denkstrukturen des antinationalen Internationalismus, dass man kaum mehr ein Linker sein kann, ohne diese Dinge mitzukaufen und eine sozial-(r)evolutionäre Rechte war ohnehin immer eine seltene Randgruppe.

Was sich früher für mich auf linker Seite nach halbwegs vereinbaren ließ, weil ich eine patriotische Plattform in der SPD für möglich hielt, ist inzwischen derartig unerträglich geworden, dass die Partei einfach nicht mehr wählbar ist ohne die Fortsetzung der bisherigen Politik zu legitimieren und… ich weis nicht, ob der Leidensdruck aber noch nicht hoch genug ist, um über meinen Schatten zu springen und die AfD für wählbar zu halten, zumindest unter dem Bild, das die Partei jetzt von sich zeichnet. Ich sitze also zwischen den Stühlen.