Die EU-Wahl 2019 ist vorbei und sollte uns vor allem zur Evaluation dienen. Defätismus ist unangebracht, hat sich die AfD doch angesichts der Umstände stabil gehalten, während der Erfolg der Grünen vor allem auf einer Umverteilung von Stimmen basiert.
Heute (noch ist es der 26.05. während ich dies schreibe) waren die Wahlen zum Europäischen Parlament. Ich war heute auf den frühen Nachmittag meine Bürgerpflicht im nahegelegenen Wahllokal erledigen und es war durchaus gut besucht und durchaus auch in der Weise wie man sich ein gesundes demokratisches Gemeinwesen vorstellen muss. Familien, die ihre Kinder mit zur Abstimmung nehmen, sozusagen an den demokratischen Prozess heranführen. Die Eltern wählen oder Erstwähler werden von ihren Familien zum Lokal begleitet und anschließend geht man etwas essen. Jeder kleine Plebiszit eine Art Feiertag. Das mögen Idealbedingungen sein aber das Bild ist trotzdem schön, auch wenn es sich in der Realität wohl eher in dem kleinbürgerlichen suburbanen Grüngürtel zeigt, in dem ich auch wohne.
Nun zeigten sich hier schon die ersten Risse in der heutigen Wahlstimmung, auch wenn ich generell guter Dinge war und auch mit dem Wahlergebnis nicht unzufrieden bin, wie es jetzt schon bei manchen sehr viel niedergeschlageneren und fatalistischen Kollegen auf YouTube und Twitter der Fall ist. Denn ich musste mir schon bei Agabe der Stimme eingestehen, hier draußen wo die Welt noch in Ordnung erscheint und die naheliegenden Flüchtlingsheime vor allem von Familien bewohnt werden und das in einem Umfeld mit relativ niedriger Ethno-Diversität (und damit dem Fehlen der damit üblichen verbundenen Probleme) wohl nicht wenige Wähler ihr Kreuzchen bei der CDU oder womöglich sogar bei den Grünen gemacht haben. Woran sich das doppelte Paradox zeigt: In den Gegenden an denen die Probleme am deutlichsten hervortreten sind ethnisch wählende, eingebürgerte Migranten häufig in einer Mehrheit und die deutsche Restbevölkerung entweder apathisch oder in einer Weise mit den Zuständen weichgeklopft und daran gewöhnt, dass der Impuls noch etwas dagegen zu unternehmen verschwindet. Umgekehrt fehlt in den Breiten, in denen der Große Austausch nicht oder noch nicht angekommen ist, der notwendige Druck und man kann sich in völliger Ignoranz der Zustände andererorts zeitgeistigen Wohlfühlthemen wie dem Klimaschutz und mehr Gerechtigkeit für alle und alles mögliche annehmen.
Das führt uns in logischer Folge zu zwei einhalb wesentlichen Ergebnissen dieser Wahl, bezogen auf Deutschland, nämlich einem absolut gesehen eher dürftigen Ergebnis für die AfD und einem Erdrutschsieg für die Grünen in dessen Folge sich ein deutlicher Niedergang der ehemaligen Volksparteien zeigt.
AfD-Ergebnis – Wider das Blackpilling
Wie gesagt ergehen sich die patriotischen Kollegen auf YouTube, ganz besonders schlimm der geschätzte Caligula, aber auch Leute wie Tim Kellner in schwärzesten Gedanken und auch Martin Sellner konnte im Livestream nur schwer eine gewisse Enttäuschung verbergen. Jetzt kann man sagen, natürlich kann mit niedrigen Erwartungen nicht enttäuscht werden, aber ich bin mit dem Wahlergebnis angesichts der Umstände zufrieden. Nach den letzten Hochrechnungen liegt die AfD zwischen 10% und 11% (zuletzt näher an den 11%) und trifft damit meine Erwartung von 10%+ ziemlich genau.
Warum ich damit zufrieden bin? Man muss hier zwei Dinge trennen. Absolut gesehen bräuchten wir für eine patriotische Wende in Europa und ein schnelles Umsteuern natürlich ein deutlich größeres Ergebnis. Und man fragt sich auch zurecht, was denn noch alles passieren müsse (implizit schwingt wohl eine Angst mit: noch katastrophaler geht es eigentlich kaum noch und trotzdem wählt kaum einer die AfD, was können wir überhaupt noch tun?) Das wäre das Ergebnis, das wir brauchen und das wir ansteuern müssen, es ist aber von vornherein nicht realistisch, entsprechend kann man auch nur enttäuscht werden.
Relevant erscheint daher viel mehr wie groß das Wahlergebnis in Relation zu den Umständen aussieht und da muss man klar sagen, dass die EU-Wahl mit der Bundestagswahl nicht vergleichbar ist und umgekehrt. Es war ein ambitioniertes Ziel zu erwarten die AfD würde ihr Bundestagswahlergebnis, das unter ungleich günstigeren Voraussetzungen zustande kam, noch toppen unter der Bedingung einer Wahl die per se sehr viel schwieriger für rechte Parteien ist. Und umgekehrt bedeutet das aber auch, dass wir zwar einen Großtrend der Wählerbewegungen an der EU-Wahl ablesen können aber nicht, dass wir die gleichen Verhältnisse bei einer kommenden Bundestags- oder gar Landtagswahl fürchten müssten.
Daher erst einmal zu den Grundbedingungen dieser Wahl:
Das Hauptproblem besteht generell in der Mobilisierung. Wir haben in den letzten Jahrzehnten eine Wahlbeteiligung zwischen 40% und 50% gehabt, was selbst im Vergleich zur Bundestagswahl deutlich abfällt. in diesem Jahr fiel die Wahlbeteiligung mit ca. 50% so hoch aus wie zuletzt in den 90ern, was immerhin für eine hohe Politisierung des Wahlkampfes spricht (ein Erfolg, der sicher auch mit dem Erstarken des Rechtspopulismus als wirklicher Option und dem Anstoßen neuer gesellschaftlicher Debatten zusammenhängt). Nichtsdestotrotz zeigt die generell niedrige Wahlbeteiligung, dass die EU-Wahl bei den Bürgern eine nachrangige Priorität oder überhaupt Aufmerksamkeit genießt. Während das Potenzial von vielen Wechsel- oder Spontanwählern, ebenso wie dem Erreichen von Nichtwählern bei einer Bundestagswahl noch relativ hoch ist, muss man EU-Wahlen nach wie vor als einen Mobilisierungswettstreit vornehmlich der Kernwählerschaften betrachten.
Wer zur EU-Wahl geht, ist intrinsich entweder an der europäischen Ebene und der dortigen Politik oder aber am Machterhalt und Machtausbau der von ihm präferierten Partei bzw. politischen Ausrichtung interessiert, insbesondere weil EU-Wahlkämpfe auch seltener unter großen Hauptthemen gestellt und verhandelt werden können, als es für nationale Wahlen zuträfe.
In dem Fall hätte das mit dem Thema von Migration und Grenzsicherung anders sein können, allerdings wurde – was mir heute spontan auf dem Rückweg vom Wahllokal so richtig erst bewusst wurde – das Thema politisch gelöscht und durch ein anderes ersetzt: Klimaschutz, was von den Grünen mit deutlicher stärkerer Präsenz bespielt wird.
Aber zurück zum Thema Kernwählerschaften: EU-skeptische Parteien haben ein großes Problem ihre Wähler, die sie gerade wegen ihrer eu-skeptischen Position wählen, dazu zu bringen der Ebene politische Aufmerksamkeit beizumessen, die diese emotional und fachlich ablehnen. Das ist kein neues Problem sondern ein enorm altes, was auch dafür gesorgt hat, dass die EU-Institutionen sehr stark kosmopolitisch ausgeprägt sind und sich das Parlament über die Jahrzehnte als eine linsliberale Kolonie einrichten konnte. Man hat den Linken diese Ebene über Jahrzehnte überlassen und hat jetzt mit einer metapolitischen und realpolitischen Übermacht dort zu kämpfen. Rechte Parteien haben es enorm schwer ihren Wählern daher klar zu machen, dass es nicht um einen Abwehrkampf geht (der gerade dazu einlädt, die EU und damit die EU-Wahl zu ignorieren oder zu boykottieren) sondern um eine (Rück)eroberung. Ein anderes Problem dürfte immer noch die im Rechten Lager verbreitete degenerierte Haltung sein, man beschädige die Legitimität der Institutionen in dem man die Wahlbeteiligung möglichst niedrig halte. Wenn wir die Wahlbeteiligung zw. 40 und 50 Prozent als Indikator für diese Strategie nehmen, dann ist sie über die letzten Jahrzehnte gescheitert.
Von einer niedrigen kritischen Wahlbeteiligung profitieren immer genau die Parteien, die es schaffen ihre Wähler besser zu organisieren und zu mobilisieren und das trifft auf SPD, CDU und vor allem die Grünen zu, bei denen ein empathisches Ja! zur Europäischen Union zur Parteiräson gehört. Während die AfD also ein Grundproblem hat ihre Wähler zu mobilisieren, trifft das auf die anderen Parteien nicht zu, im Gegenteil sogar.
Desweiteren muss man das EU-Wahlergebnis vor dem Hintergrund sehen, dass keine 5% Hürde besteht. Das bedeutet, dass die letztliche Stimmverteilung nicht noch nach Herausrechnen all der Parteien, die unter dieser Hürde geblieben sind, angepasst würde und da die EU-Wahl als weniger wichtig angesehen wird, sind Leute hier auch eher bereit mit der Parteiwahl zu experimentieren, gerade auch weil keine Stimmen durch künstliche Hürden verloren gehen können. Womit wir auch vor dem Problem stehen, dass die AfD in Richtung der Mitte eine wählbare Scheinkonkurrenz mit den Humanisten hat, die sich gerade als Alternative für Liberale im weitesten Sinne anbietet, denen die anderen Parteien erkennbar zu vercuckt und duckmäuserisch gegenüber der sich ausbreitetenden SJW-Agenda sind, die aber habituelle oder sonstige Bauchschmerzen mit der AfD haben, aber nicht wirklich reflektieren, dass die Humanisten in Fragen der Souveränitätsaufgabe und den offenen Grenzen im Grunde auf Linie der Altpartei liegen und daher auch mehr nur eine Scheinopposition wären. Aber ihr Vorhandensein spaltet das weiteste Unterstützerumfeld der AfD eben auf und kostet sie Stimmen.
Am Ende muss man auch klar sagen, dass die EU-Wahl in den entscheidenden Wählerschichten (jüngere Wähler interessieren sich für die EU-Wahl mehr als ältere Wähler) durch die Dominanz von Schulen und Universitäten die linken Parteien ebenfalls einen Vorsprung genießen.
In Relation all dieser Erschwernisse (und da sind die etwaigen Auswirkungen der Skandale und „Skandale“ der letzten Zeit noch nicht inbegriffen) hielt ich ein niedrigeres Wahlergebnis als das der Bundestagswahl für realistisch, eben um die psychologisch wichtige Zweistelligkeit herum. Alles darüber war für mich schon ein guter Bonus, zumal die AfD damit endlich auch in Brüssel ein deutlich stärkeres und nicht mehr nur rein symbolisches Aufgebot stellen kann.
Es besteht also aus meiner Sicht kein Grund für übertriebenen Defätismus nur weil wir ein von vornherein unrealistisches, wenn auch nötiges Ziel nicht erreicht haben. Viel mehr sollten wir diese Wahl als Testballon dafür ansehen, wo die deutlichen Schwächen der AfD aber vor allem des Rechten Lagers generell liegt, denn das Thema EU wird uns auch in Fragen der nationalen Politik und damit der kommenden Wahlen begleiten.
Für mich sind hier drei Dinge klar erkennbar:
- Das sicher mobilisierbare Kernwählerpotenzial der AfD bewegt sich derzeit im Rahmen von etwa 10%. Es ist davon auszugehen, dass alles was bei der letzten Bundestagswahl darüber hinaus mobilisiert werden konnte ein unsicheres Wählermillieu ist, das bei sich bietenden Alternativen (wie den Humanisten) von der Fahne geht. Entsprechend muss die AfD stärker evaluieren wer auf welcher Ebene zu ihren Konkurrenzparteien gehört und die Wähler entsprechend adressieren.
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Die AfD ist in den Neuen Bundesländern vermutlich aufgrund eines anders gerarten metapolitischen Klimas stark vertreten und in der Lage auch den ehemaligen Volksparteien den Rang abzulaufen, allerdings zeigt sich an dem mageren Bundesergebnis deutlich, dass die wahre Macht in den westlichen Bundesländern liegt. Es ist definitiv wichtig den Osten zu halten (und im Zuge der kommenden Landtagswahlen zu politischen und hoffentlich auch metapolitischen Festungen auszubauen) doch muss für den Westen eine eigene Kommunikations- und Politikstrategie entwickelt werden, die dem dort herrschenden Temprament Rechnung trägt, ansonsten bleibt die AfD ähnlich wie die Linkspartei eine Regionalpartei für den Teil der Bundesrepublik, der leider nicht in der Lage ist die Bundespolitik zu dominieren.
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Der Wahlkampf kam viel zu spät in Fahrt. Es wäre dringened geboten gewesen einen Vorwahlkampf auf metapolitischer Ebene zu eröffnen, um ein eigenes europäisches Narrativ (Voraussetzung wäre hier auch, dass die Partei zuvor selbst einen roten Faden von Standpunkten zu dem Thema entwickelt, statt sich in Einzelmeinungen und Teildistanzierungen zu zerfasern) in Denk- und Redebeiträgen zu konstruieren und in der Öffentlichkeit zu verbreiten, um damit dem Narrativ vorzugreifen, die AfD wolle grundsätzlich die EU zerstören und besäße den Zynismus sich in Institutionen wählen zu lassen, um diese abzuschaffen. Es brauchte eine rechte, alternative Vision für ein anderes Europa und nicht nur singuläre Attacken gegen das Jetzige. Da muss die AfD wie generell an der metapolitischen Breitenwirkung massiv arbeiten, sonst wird der Vorsprung der Linken in diesen Dingen immer wieder dafür sorgen, dass sich rechte Politik totläuft.
Der Grüne Teilerfolg – Die interne Wählerwanderung
Nun ist der enorme grüne Balken im Auge etwas, an dem wir nicht vorbei kommen. Die Grünen haben ihr Wahlergebnis im Vergleich zu 2014 verdoppelt und spielen damit vom Kräfteverhältnis her in der Liga der Volksparteien mit und sitzen der Union ziemlich im Nacken. Da die Grünen eine der radikalsten zeitgeistigen Open Borders-Parteien sind, sind sie neben der Union als konservativer Hauptkonkurrent im gesellschaftspolitischen Machtkampf der Hauptgegner der AfD. Dieses… erschreckende Ergebnis kann uns definitiv nicht zufrieden stellen, zumal die Grünen mit ihrer Politik Deutschland auch in anderen Belangen massiv auf einen Weg des Schadens führen, womit hier die Kosten der ideologisch betriebenen Energiewende und der Souveränitätsverlust auf EUrokratischer und internationaler Ebene zu erwähnen sind. Besonders gefährlich macht die Grünen, dass sie im Gegensatz zur nicht weniger radikalen Linkspartei aufgrund ihrer eigentlich bourgeoisen Natur bis weit in wohlstandsbürgerliche Schichten anschlussfähig sind.
Die Grüne Partei hat es geschafft in den letzten Wochen das Umwelt-Thema derartig aufzublasen und zu besetzen, dass es die Themen Euro und Migration völlig aus dem aktuellen Bewusstsein der Öffentlichkeit verbannt hat, sehr zum Schaden der AfD, mit dem letzten Höhepunkt in Form einiger zeitgeistiger Videos von Influencern auf YouTube, die empfahlen weder SPD, noch CDU und schon gar nicht die AfD zu wählen und damit praktisch nur Grüne und Linke übrigließen, wenn wir von der FDP absehen, die angesichts ihrer Wirtschaftsfreundlichkeit auch nicht wirklich in Frage kommt.
Wie geschrieben brillieren die Grünen besonders im EU-Wahlkampf. Auf nationaler Ebene dürfte ihr Wahlergebnis generell etwas schwächer ausfallen, weil hier andere Prioritäten gelten, allerdings nicht sehr viel schwächer, sodass sie ein ziemlich dickes Brett bleiben. Auch wenn ich nicht daran glaube, dass die Union stimmentechnisch überflügeln werden, werden mit diesen Wahlergebnissen die Optionen Schwarz-Grün und Grün-Rot-Rot, ebenso realistisch wie eine Kanzler-Option im letzten Fall. Das sind deutlich sichtbare Folterinstrumente vor denen wir uns in Acht nehmen müssen. Wenn CDU und Grüne ohne FDP zusammengehen können, dann müssen wir uns auf eine Legislatur verheerender Politik einstellen.
so düster diese Aussichten angesichts einer so starken Grünen Partei sind, besteht aber noch kein Grund zur defätistischen Panik. Es erschienen bereits – und wahrscheinlich werden noch mehr erscheinen – Videos der Marke, warum in Deutschland immer noch soviele die Leute die Grünen wählen können. Die Frage geht meines Erachtens nach von falschen Voraussetzungen aus, wenn wir uns anschauen, wie sehr SPD und CDU an Wählerstimmen verloren haben, dann müssen wir davon ausgehen, dass die Grünen nicht ideologisch gesehen neue Wähler gewonnen haben, sondern Wähler aus den Volksparteien anziehen, die ohnehin schon ihre Ideologie geteilt haben. Wir haben es hier mit den Mechanismus zu tun, der bereits bei den Landtagswahlen deutlich geworden ist.
Die SPD ist eine linke Partei und hat in den vergangenen Jahren einen Überhang an gesellschaftspolitisch interessierten Wählern und Mitgliedern aufgebaut. Diese interessieren sich nicht unbedingt vorrangig für klassische sozialdemokratische Sozial- und Wirtschaftspolitik sondern für Fragen von Minderheitenrechten, Multikulturalität, Internationalismus, Gender sprich alles was eine kosmopolitische Weltanschauung befriedigt. Das Versagen der SPD bei den letzten Wahlen (unter anderem gerade durch die massive Abwanderung des klassischen sozialdemokratischen Arbeiter- und Kleinbürgermillieus in die Reihen der AfD oder im Fall der Sozialradikalen zur Linkspartei) und das daraufhin immer wieder von Einzelpersonen (so zuletzt Sigmar Gabriel) eingebrachte Spielen mit einem Rechtsruck der Partei (ähnlich wie #aufstehen bei Die LINKE) macht sie kaum mehr zu einer sicheren Bank für Kosmopoliten. Diese kriegen ihre zeitgeistige Moralpolitik konsequenter und radikaler bei den Grünen, einschließlich der nötigen Machtoption für die Umsetzung an der Seite der vergrünten CDU.
Und ich schrieb bereits, dass die Grünen mit ihrem Umweltschutzgedanken tief ins bürgerliche Millieu klassischer CDU-Wähler hineinwirken. Baden-Württemberg hat es vorgemacht und Personen wie der geschätzte Boris Palmer dienen der Partei (auch wenn sie sehr undankbar ist) nach wie vor als bürgerliche Feigenblätter und als Hoffnung darauf, dass es im Zweifel doch immer noch vernünftige Leute in der Partei gibt (tja das dachte ich auch sehr lange von den Sozialdemokraten). Damit bleiben die Grünen anschlussfähig und attraktiv für Wohlstandsbürger aus dem CDU-Umfeld, bieten sie doch moralischen Highground scheinbar ohne Reue, und profitieren natürlich enorm von dem gepushten Klimaschutz-Thema jetzt vor der Wahl, Greta lässt grüßen.
Abgesehen davon, weil es hier ja auch um eine Wahl mit einem Überhang an jungen durch die Schulen EUropolitisch geprägten Erst- und Zweitwählern geht, darf der Einfluss des Kampfes gegen Artikel 13 (ich schrieb dazu bereits) nicht unterschätzt werden, was das Ausmaß des Imageschadens für CDU und SPD in dieser Wählergruppe anging. Für die SPD trotz der damaligen Prognose vor allem deshalb, weil sie sich auf nationaler Ebene dann unmöglich gemacht hatte, in dem sie nicht bereit war gegen die CDU den Koalitionsvertrag durchzusetzen, sprich in dem sie nicht bereit war, die Koalitions im Zweifelsfall platzen zu lassen.
Was ich – ich muss es eingestehen – übersehen habe, war das schnelle Umsteigen auf die Grünen als Alternative (statt der Piratenpartei), obwohl sich die Grünen im Kampf gegen Artikel 13 kaum sicht- oder hörbar verdient gemacht haben, womöglich überzeugten hier aber die oben genannten Punkte mehr.
Zusammengefasst können wir feststellen, dass die Grünen lediglich die ohnehin vornehmlich kosmopolitischen und umweltbewegten linken und bourgeoisen Wähler der CDU und SPD aufgenommen haben und jetzt stärker konzentrieren und nicht etwa originäre neue Grünen-Wähler geschaffen haben. Die Gesellschaft ist also nicht grüner geworden, als sie es vorher ohnehin schon war, sondern das Wählerpotenzial ist jetzt nicht mehr auf drei verschiedene Parteien gestreut sondern sammelt sich jetzt bei den Grünen. Deshalb sollten wir uns von diesem nur scheinbaren Erdrutschsieg der Grünen, der eigentlich nur eine Wählerwanderung ist, nicht kirre machen lassen. Das Hauptproblem besteht eher darin, dass der Hauptgegner nun sichtbarer geworden ist und seine Kraft jetzt immer mehr bündelt und radikalisiert und nicht mehr auf drei Fraktionen aufteilt.
Die SPD können wir, was den gesellschaftspolitischen Kampf angeht, vermutlich als erledigt betrachten. Ihren Status als Volkspartei kann sie auf mittlere Sicht kaum mehr rechtfertigen und Erholung ist nicht in Sicht. Was die AfD definitiv noch tun kann, ist ein stärkerer Fokus auf klassischer Sozialpolitik im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft, womit sie in der Lage wäre die SPD endgültig zu beerben und noch letzter weiterer Wähler zu berauben, um zu wachsen. Der Fokus dürften jetzt für die kommende Zeit die Grünen und die sich ihnen andienenden Christdemokraten sein. Die Verwerfungen, die eine Schwarz-Grüne Regierung im konservativen Teil der CDU mit sich bringen könnte, wäre dann ein Schwachpunkt an dem die AfD weiter von rechts angreifen kann und muss.
Europäische Aussichten
Im Gegensatz zu Deutschland blieb das österreichische rechte Potenzial trotz des Ibiza-Skandals halbwegs stabil. Ein Verlust von zwei Prozentpunkten ist eine milde Abstrafung angesichts der moralischen Liderlichkeit eines Parteichefs und dem Sprengen der gesamten Regierung unmittelbar vor der Wahl. Das Kurz‘ ÖVP enorm profitieren würde, einerseits von der guten Regierungspolitik, die man eigentlich der FPÖ zu verdanken hat, andererseits eben wegen der Skandalschwäche der Rechten, war relativ klar. Das Ergebnis wäre sogar positiv, würde die ÖVP weiterhin von der FPÖ auf nationaler Ebene kontrolliert, was eventuell auch Auswirkungen auf deren Arbeit im EU-Parlament gehabt hätte. So muss man leider die ÖVP als sicheren Teil des Blocks cuckservativer EU-Kosmopoliten sehen.
Allerdings haben die Rechtsparteien in den anderen Ländern der EU sehr gut geliefert. Osteuropa bleibt mit Ungarn, Polen, etc. eine sichere Bastion und auch in Westeuropa mit Italien, dem wichtigen Frankreich und dem noch anwesenden Groß-Britannien (ich hatte mich ja auch schon dazu geäußert, dass der Austritt GB die nationale Sache in der EU eher schwächt als stärkt) sind wichtige Erfolge zu erzielen, sodass man sagen kann, dass zukünftig die EU vor allem wohl von deutschen Abgeordneten getragen wird. Allerdings sehen wir dennoch an der überwältigenden Sitzverteilung das gleiche Problem, dass die AfD in Deutschland auf nationaler Ebene hat, hier im größeren Maßstab. Länder wie Ungarn können sich mit überwältigender Mehrheit für rechte Parteien entscheiden, weil ihr Gesamtanteil an den Sitzen relativ gering ist, würden diese Länder vermutlich auch dann kaum ins Gewicht fallen, wenn die rechten Parteien dort 90% der Stimmen holen würden.
Insofern ist zwar erfreulicherweise zukünftig mit einer kritischen, nationalorientierten Opposition zu rechnen, allerdings sorgt die Schwäche der rechten Parteien in Mitteleuropa und anderen Ländern Westeuropas weiterhin für einen sicheren pro-EUropäischen Block. Dazu ist auch noch nicht ausgemacht, ob die Zusammenarbeit der rechten Parteien in der neuen Fraktionsgemeinschaft ENF und die Zusammenarbeit mit den anderen rechten Fraktionsgemeinschaften EKR und EFDD so harmonisch ablaufen wird, wie es nötig wäre, um tatsächlich den Brüsseler Betrieb aufzumischen. Nach wie vor fehlt ein stimmiges EU- oder Europa-Konzept, dass die Notwendigkeit von Zusammenarbeit und gemeinsamen Institutionen bei gleichzeitig möglichst großer Wahrung von Identität und Souveränität konstruiert. Es fehlt ein Leitbild, das man der „immer engeren Union“ oder den „Vereinigten Staaten von Europa“ entgegen setzen kann.
Als Fazit für die AfD müssen wir festhalten, dass die Feindbewertung neu vorgenommen werden muss und man schauen muss, wie man sich auf welche Gegnerpartei einstellt und im welchen Wahlkampfraum (Ost vs. West); es muss dringend weiter am Aufbau metapolitischer Macht abseits der eigenen Parteistrukturen gearbeitet werden, gerade dort wo Jungwähler politisiert werden und es müssen in diesem Zusammenhang an Konzeptionen, an neuen Idealen gearbeitet werden, die der praktischen und pragmatischen Politik einen fundierten Unterbau und idealistischen Überbau geben. Und daran muss schnell gearbeitet werden, denn nach den Landtagswahlen, die von der grünen Dominanz womöglich ebenso überschattet werden könnten, ist die Hälfte der aktuellen Legislatur schon fast wieder vorbei, ohne das ein substanzieller Fortschritt im Ausbau der eigenen Wirkungsräume erzielt werden konnte.
Statt sich also von nur scheinbar negativen EU-Wahlergebnissen ins Bockshorn jagen zu lassen, wäre es an der Zeit noch stärker in den Aufbau zu investieren.