EU-Wahl 2019: Stabile AfD & Grüne auf Steroiden

Die EU-Wahl 2019 ist vorbei und sollte uns vor allem zur Evaluation dienen. Defätismus ist unangebracht, hat sich die AfD doch angesichts der Umstände stabil gehalten, während der Erfolg der Grünen vor allem auf einer Umverteilung von Stimmen basiert.

Die EU-Wahl 2019 ist vorbei und sollte uns vor allem zur Evaluation dienen. Defätismus ist unangebracht, hat sich die AfD doch angesichts der Umstände stabil gehalten, während der Erfolg der Grünen vor allem auf einer Umverteilung von Stimmen basiert.

Heute (noch ist es der 26.05. während ich dies schreibe) waren die Wahlen zum Europäischen Parlament. Ich war heute auf den frühen Nachmittag meine Bürgerpflicht im nahegelegenen Wahllokal erledigen und es war durchaus gut besucht und durchaus auch in der Weise wie man sich ein gesundes demokratisches Gemeinwesen vorstellen muss. Familien, die ihre Kinder mit zur Abstimmung nehmen, sozusagen an den demokratischen Prozess heranführen. Die Eltern wählen oder Erstwähler werden von ihren Familien zum Lokal begleitet und anschließend geht man etwas essen. Jeder kleine Plebiszit eine Art Feiertag. Das mögen Idealbedingungen sein aber das Bild ist trotzdem schön, auch wenn es sich in der Realität wohl eher in dem kleinbürgerlichen suburbanen Grüngürtel zeigt, in dem ich auch wohne.

Nun zeigten sich hier schon die ersten Risse in der heutigen Wahlstimmung, auch wenn ich generell guter Dinge war und auch mit dem Wahlergebnis nicht unzufrieden bin, wie es jetzt schon bei manchen sehr viel niedergeschlageneren und fatalistischen Kollegen auf YouTube und Twitter der Fall ist. Denn ich musste mir schon bei Agabe der Stimme eingestehen, hier draußen wo die Welt noch in Ordnung erscheint und die naheliegenden Flüchtlingsheime vor allem von Familien bewohnt werden und das in einem Umfeld mit relativ niedriger Ethno-Diversität (und damit dem Fehlen der damit üblichen verbundenen Probleme) wohl nicht wenige Wähler ihr Kreuzchen bei der CDU oder womöglich sogar bei den Grünen gemacht haben. Woran sich das doppelte Paradox zeigt: In den Gegenden an denen die Probleme am deutlichsten hervortreten sind ethnisch wählende, eingebürgerte Migranten häufig in einer Mehrheit und die deutsche Restbevölkerung entweder apathisch oder in einer Weise mit den Zuständen weichgeklopft und daran gewöhnt, dass der Impuls noch etwas dagegen zu unternehmen verschwindet. Umgekehrt fehlt in den Breiten, in denen der Große Austausch nicht oder noch nicht angekommen ist, der notwendige Druck und man kann sich in völliger Ignoranz der Zustände andererorts zeitgeistigen Wohlfühlthemen wie dem Klimaschutz und mehr Gerechtigkeit für alle und alles mögliche annehmen.

Das führt uns in logischer Folge zu zwei einhalb wesentlichen Ergebnissen dieser Wahl, bezogen auf Deutschland, nämlich einem absolut gesehen eher dürftigen Ergebnis für die AfD und einem Erdrutschsieg für die Grünen in dessen Folge sich ein deutlicher Niedergang der ehemaligen Volksparteien zeigt.

 

AfD-Ergebnis – Wider das Blackpilling

Wie gesagt ergehen sich die patriotischen Kollegen auf YouTube, ganz besonders schlimm der geschätzte Caligula, aber auch Leute wie Tim Kellner in schwärzesten Gedanken und auch Martin Sellner konnte im Livestream nur schwer eine gewisse Enttäuschung verbergen. Jetzt kann man sagen, natürlich kann mit niedrigen Erwartungen nicht enttäuscht werden, aber ich bin mit dem Wahlergebnis angesichts der Umstände zufrieden. Nach den letzten Hochrechnungen liegt die AfD zwischen 10% und 11% (zuletzt näher an den 11%) und trifft damit meine Erwartung von 10%+ ziemlich genau.

Warum ich damit zufrieden bin? Man muss hier zwei Dinge trennen. Absolut gesehen bräuchten wir für eine patriotische Wende in Europa und ein schnelles Umsteuern natürlich ein deutlich größeres Ergebnis. Und man fragt sich auch zurecht, was denn noch alles passieren müsse (implizit schwingt wohl eine Angst mit: noch katastrophaler geht es eigentlich kaum noch und trotzdem wählt kaum einer die AfD, was können wir überhaupt noch tun?) Das wäre das Ergebnis, das wir brauchen und das wir ansteuern müssen, es ist aber von vornherein nicht realistisch, entsprechend kann man auch nur enttäuscht werden.
Relevant erscheint daher viel mehr wie groß das Wahlergebnis in Relation zu den Umständen aussieht und da muss man klar sagen, dass die EU-Wahl mit der Bundestagswahl nicht vergleichbar ist und umgekehrt. Es war ein ambitioniertes Ziel zu erwarten die AfD würde ihr Bundestagswahlergebnis, das unter ungleich günstigeren Voraussetzungen zustande kam, noch toppen unter der Bedingung einer Wahl die per se sehr viel schwieriger für rechte Parteien ist. Und umgekehrt bedeutet das aber auch, dass wir zwar einen Großtrend der Wählerbewegungen an der EU-Wahl ablesen können aber nicht, dass wir die gleichen Verhältnisse bei einer kommenden Bundestags- oder gar Landtagswahl fürchten müssten.

Daher erst einmal zu den Grundbedingungen dieser Wahl:

Das Hauptproblem besteht generell in der Mobilisierung. Wir haben in den letzten Jahrzehnten eine Wahlbeteiligung zwischen 40% und 50% gehabt, was selbst im Vergleich zur Bundestagswahl deutlich abfällt. in diesem Jahr fiel die Wahlbeteiligung mit ca. 50% so hoch aus wie zuletzt in den 90ern, was immerhin für eine hohe Politisierung des Wahlkampfes spricht (ein Erfolg, der sicher auch mit dem Erstarken des Rechtspopulismus als wirklicher Option und dem Anstoßen neuer gesellschaftlicher Debatten zusammenhängt). Nichtsdestotrotz zeigt die generell niedrige Wahlbeteiligung, dass die EU-Wahl bei den Bürgern eine nachrangige Priorität oder überhaupt Aufmerksamkeit genießt. Während das Potenzial von vielen Wechsel- oder Spontanwählern, ebenso wie dem Erreichen von Nichtwählern bei einer Bundestagswahl noch relativ hoch ist, muss man EU-Wahlen nach wie vor als einen Mobilisierungswettstreit vornehmlich der Kernwählerschaften betrachten.

Wer zur EU-Wahl geht, ist intrinsich entweder an der europäischen Ebene und der dortigen Politik oder aber am Machterhalt und Machtausbau der von ihm präferierten Partei bzw. politischen Ausrichtung interessiert, insbesondere weil EU-Wahlkämpfe auch seltener unter großen Hauptthemen gestellt und verhandelt werden können, als es für nationale Wahlen zuträfe.

In dem Fall hätte das mit dem Thema von Migration und Grenzsicherung anders sein können, allerdings wurde – was mir heute spontan auf dem Rückweg vom Wahllokal so richtig erst bewusst wurde – das Thema politisch gelöscht und durch ein anderes ersetzt: Klimaschutz, was von den Grünen mit deutlicher stärkerer Präsenz bespielt wird.

Aber zurück zum Thema Kernwählerschaften: EU-skeptische Parteien haben ein großes Problem ihre Wähler, die sie gerade wegen ihrer eu-skeptischen Position wählen, dazu zu bringen der Ebene politische Aufmerksamkeit beizumessen, die diese emotional und fachlich ablehnen. Das ist kein neues Problem sondern ein enorm altes, was auch dafür gesorgt hat, dass die EU-Institutionen sehr stark kosmopolitisch ausgeprägt sind und sich das Parlament über die Jahrzehnte als eine linsliberale Kolonie einrichten konnte. Man hat den Linken diese Ebene über Jahrzehnte überlassen und hat jetzt mit einer metapolitischen und realpolitischen Übermacht dort zu kämpfen. Rechte Parteien haben es enorm schwer ihren Wählern daher klar zu machen, dass es nicht um einen Abwehrkampf geht (der gerade dazu einlädt, die EU und damit die EU-Wahl zu ignorieren oder zu boykottieren) sondern um eine (Rück)eroberung. Ein anderes Problem dürfte immer noch die im Rechten Lager verbreitete degenerierte Haltung sein, man beschädige die Legitimität der Institutionen in dem man die Wahlbeteiligung möglichst niedrig halte. Wenn wir die Wahlbeteiligung zw. 40 und 50 Prozent als Indikator für diese Strategie nehmen, dann ist sie über die letzten Jahrzehnte gescheitert.

Von einer niedrigen kritischen Wahlbeteiligung profitieren immer genau die Parteien, die es schaffen ihre Wähler besser zu organisieren und zu mobilisieren und das trifft auf SPD, CDU und vor allem die Grünen zu, bei denen ein empathisches Ja! zur Europäischen Union zur Parteiräson gehört. Während die AfD also ein Grundproblem hat ihre Wähler zu mobilisieren, trifft das auf die anderen Parteien nicht zu, im Gegenteil sogar.

Desweiteren muss man das EU-Wahlergebnis vor dem Hintergrund sehen, dass keine 5% Hürde besteht. Das bedeutet, dass die letztliche Stimmverteilung nicht noch nach Herausrechnen all der Parteien, die unter dieser Hürde geblieben sind, angepasst würde und da die EU-Wahl als weniger wichtig angesehen wird, sind Leute hier auch eher bereit mit der Parteiwahl zu experimentieren, gerade auch weil keine Stimmen durch künstliche Hürden verloren gehen können. Womit wir auch vor dem Problem stehen, dass die AfD in Richtung der Mitte eine wählbare Scheinkonkurrenz mit den Humanisten hat, die sich gerade als Alternative für Liberale im weitesten Sinne anbietet, denen die anderen Parteien erkennbar zu vercuckt und duckmäuserisch gegenüber der sich ausbreitetenden SJW-Agenda sind, die aber habituelle oder sonstige Bauchschmerzen mit der AfD haben, aber nicht wirklich reflektieren, dass die Humanisten in Fragen der Souveränitätsaufgabe und den offenen Grenzen im Grunde auf Linie der Altpartei liegen und daher auch mehr nur eine Scheinopposition wären. Aber ihr Vorhandensein spaltet das weiteste Unterstützerumfeld der AfD eben auf und kostet sie Stimmen.

Am Ende muss man auch klar sagen, dass die EU-Wahl in den entscheidenden Wählerschichten (jüngere Wähler interessieren sich für die EU-Wahl mehr als ältere Wähler) durch die Dominanz von Schulen und Universitäten die linken Parteien ebenfalls einen Vorsprung genießen.

In Relation all dieser Erschwernisse (und da sind die etwaigen Auswirkungen der Skandale und „Skandale“ der letzten Zeit noch nicht inbegriffen) hielt ich ein niedrigeres Wahlergebnis als das der Bundestagswahl für realistisch, eben um die psychologisch wichtige Zweistelligkeit herum. Alles darüber war für mich schon ein guter Bonus, zumal die AfD damit endlich auch in Brüssel ein deutlich stärkeres und nicht mehr nur rein symbolisches Aufgebot stellen kann.

Es besteht also aus meiner Sicht kein Grund für übertriebenen Defätismus nur weil wir ein von vornherein unrealistisches, wenn auch nötiges Ziel nicht erreicht haben. Viel mehr sollten wir diese Wahl als Testballon dafür ansehen, wo die deutlichen Schwächen der AfD aber vor allem des Rechten Lagers generell liegt, denn das Thema EU wird uns auch in Fragen der nationalen Politik und damit der kommenden Wahlen begleiten.

Für mich sind hier drei Dinge klar erkennbar:

  1. Das sicher mobilisierbare Kernwählerpotenzial der AfD bewegt sich derzeit im Rahmen von etwa 10%. Es ist davon auszugehen, dass alles was bei der letzten Bundestagswahl darüber hinaus mobilisiert werden konnte ein unsicheres Wählermillieu ist, das bei sich bietenden Alternativen (wie den Humanisten) von der Fahne geht. Entsprechend muss die AfD stärker evaluieren wer auf welcher Ebene zu ihren Konkurrenzparteien gehört und die Wähler entsprechend adressieren.

  2. Die AfD ist in den Neuen Bundesländern vermutlich aufgrund eines anders gerarten metapolitischen Klimas stark vertreten und in der Lage auch den ehemaligen Volksparteien den Rang abzulaufen, allerdings zeigt sich an dem mageren Bundesergebnis deutlich, dass die wahre Macht in den westlichen Bundesländern liegt. Es ist definitiv wichtig den Osten zu halten (und im Zuge der kommenden Landtagswahlen zu politischen und hoffentlich auch metapolitischen Festungen auszubauen) doch muss für den Westen eine eigene Kommunikations- und Politikstrategie entwickelt werden, die dem dort herrschenden Temprament Rechnung trägt, ansonsten bleibt die AfD ähnlich wie die Linkspartei eine Regionalpartei für den Teil der Bundesrepublik, der leider nicht in der Lage ist die Bundespolitik zu dominieren.

  3. Der Wahlkampf kam viel zu spät in Fahrt. Es wäre dringened geboten gewesen einen Vorwahlkampf auf metapolitischer Ebene zu eröffnen, um ein eigenes europäisches Narrativ (Voraussetzung wäre hier auch, dass die Partei zuvor selbst einen roten Faden von Standpunkten zu dem Thema entwickelt, statt sich in Einzelmeinungen und Teildistanzierungen zu zerfasern) in Denk- und Redebeiträgen zu konstruieren und in der Öffentlichkeit zu verbreiten, um damit dem Narrativ vorzugreifen, die AfD wolle grundsätzlich die EU zerstören und besäße den Zynismus sich in Institutionen wählen zu lassen, um diese abzuschaffen. Es brauchte eine rechte, alternative Vision für ein anderes Europa und nicht nur singuläre Attacken gegen das Jetzige. Da muss die AfD wie generell an der metapolitischen Breitenwirkung massiv arbeiten, sonst wird der Vorsprung der Linken in diesen Dingen immer wieder dafür sorgen, dass sich rechte Politik totläuft.

 

Der Grüne Teilerfolg – Die interne Wählerwanderung

Nun ist der enorme grüne Balken im Auge etwas, an dem wir nicht vorbei kommen. Die Grünen haben ihr Wahlergebnis im Vergleich zu 2014 verdoppelt und spielen damit vom Kräfteverhältnis her in der Liga der Volksparteien mit und sitzen der Union ziemlich im Nacken. Da die Grünen eine der radikalsten zeitgeistigen Open Borders-Parteien sind, sind sie neben der Union als konservativer Hauptkonkurrent im gesellschaftspolitischen Machtkampf der Hauptgegner der AfD. Dieses… erschreckende Ergebnis kann uns definitiv nicht zufrieden stellen, zumal die Grünen mit ihrer Politik Deutschland auch in anderen Belangen massiv auf einen Weg des Schadens führen, womit hier die Kosten der ideologisch betriebenen Energiewende und der Souveränitätsverlust auf EUrokratischer und internationaler Ebene zu erwähnen sind. Besonders gefährlich macht die Grünen, dass sie im Gegensatz zur nicht weniger radikalen Linkspartei aufgrund ihrer eigentlich bourgeoisen Natur bis weit in wohlstandsbürgerliche Schichten anschlussfähig sind.

Die Grüne Partei hat es geschafft in den letzten Wochen das Umwelt-Thema derartig aufzublasen und zu besetzen, dass es die Themen Euro und Migration völlig aus dem aktuellen Bewusstsein der Öffentlichkeit verbannt hat, sehr zum Schaden der AfD, mit dem letzten Höhepunkt in Form einiger zeitgeistiger Videos von Influencern auf YouTube, die empfahlen weder SPD, noch CDU und schon gar nicht die AfD zu wählen und damit praktisch nur Grüne und Linke übrigließen, wenn wir von der FDP absehen, die angesichts ihrer Wirtschaftsfreundlichkeit auch nicht wirklich in Frage kommt.

Wie geschrieben brillieren die Grünen besonders im EU-Wahlkampf. Auf nationaler Ebene dürfte ihr Wahlergebnis generell etwas schwächer ausfallen, weil hier andere Prioritäten gelten, allerdings nicht sehr viel schwächer, sodass sie ein ziemlich dickes Brett bleiben. Auch wenn ich nicht daran glaube, dass die Union stimmentechnisch überflügeln werden, werden mit diesen Wahlergebnissen die Optionen Schwarz-Grün und Grün-Rot-Rot, ebenso realistisch wie eine Kanzler-Option im letzten Fall. Das sind deutlich sichtbare Folterinstrumente vor denen wir uns in Acht nehmen müssen. Wenn CDU und Grüne ohne FDP zusammengehen können, dann müssen wir uns auf eine Legislatur verheerender Politik einstellen.

so düster diese Aussichten angesichts einer so starken Grünen Partei sind, besteht aber noch kein Grund zur defätistischen Panik. Es erschienen bereits – und wahrscheinlich werden noch mehr erscheinen – Videos der Marke, warum in Deutschland immer noch soviele die Leute die Grünen wählen können. Die Frage geht meines Erachtens nach von falschen Voraussetzungen aus, wenn wir uns anschauen, wie sehr SPD und CDU an Wählerstimmen verloren haben, dann müssen wir davon ausgehen, dass die Grünen nicht ideologisch gesehen neue Wähler gewonnen haben, sondern Wähler aus den Volksparteien anziehen, die ohnehin schon ihre Ideologie geteilt haben. Wir haben es hier mit den Mechanismus zu tun, der bereits bei den Landtagswahlen deutlich geworden ist.

Die SPD ist eine linke Partei und hat in den vergangenen Jahren einen Überhang an gesellschaftspolitisch interessierten Wählern und Mitgliedern aufgebaut. Diese interessieren sich nicht unbedingt vorrangig für klassische sozialdemokratische Sozial- und Wirtschaftspolitik sondern für Fragen von Minderheitenrechten, Multikulturalität, Internationalismus, Gender sprich alles was eine kosmopolitische Weltanschauung befriedigt. Das Versagen der SPD bei den letzten Wahlen (unter anderem gerade durch die massive Abwanderung des klassischen sozialdemokratischen Arbeiter- und Kleinbürgermillieus in die Reihen der AfD oder im Fall der Sozialradikalen zur Linkspartei) und das daraufhin immer wieder von Einzelpersonen (so zuletzt Sigmar Gabriel) eingebrachte Spielen mit einem Rechtsruck der Partei (ähnlich wie #aufstehen bei Die LINKE) macht sie kaum mehr zu einer sicheren Bank für Kosmopoliten. Diese kriegen ihre zeitgeistige Moralpolitik konsequenter und radikaler bei den Grünen, einschließlich der nötigen Machtoption für die Umsetzung an der Seite der vergrünten CDU.

Und ich schrieb bereits, dass die Grünen mit ihrem Umweltschutzgedanken tief ins bürgerliche Millieu klassischer CDU-Wähler hineinwirken. Baden-Württemberg hat es vorgemacht und Personen wie der geschätzte Boris Palmer dienen der Partei (auch wenn sie sehr undankbar ist) nach wie vor als bürgerliche Feigenblätter und als Hoffnung darauf, dass es im Zweifel doch immer noch vernünftige Leute in der Partei gibt (tja das dachte ich auch sehr lange von den Sozialdemokraten). Damit bleiben die Grünen anschlussfähig und attraktiv für Wohlstandsbürger aus dem CDU-Umfeld, bieten sie doch moralischen Highground scheinbar ohne Reue, und profitieren natürlich enorm von dem gepushten Klimaschutz-Thema jetzt vor der Wahl, Greta lässt grüßen.

Abgesehen davon, weil es hier ja auch um eine Wahl mit einem Überhang an jungen durch die Schulen EUropolitisch geprägten Erst- und Zweitwählern geht, darf der Einfluss des Kampfes gegen Artikel 13 (ich schrieb dazu bereits) nicht unterschätzt werden, was das Ausmaß des Imageschadens für CDU und SPD in dieser Wählergruppe anging. Für die SPD trotz der damaligen Prognose vor allem deshalb, weil sie sich auf nationaler Ebene dann unmöglich gemacht hatte, in dem sie nicht bereit war gegen die CDU den Koalitionsvertrag durchzusetzen, sprich in dem sie nicht bereit war, die Koalitions im Zweifelsfall platzen zu lassen.
Was ich – ich muss es eingestehen – übersehen habe, war das schnelle Umsteigen auf die Grünen als Alternative (statt der Piratenpartei), obwohl sich die Grünen im Kampf gegen Artikel 13 kaum sicht- oder hörbar verdient gemacht haben, womöglich überzeugten hier aber die oben genannten Punkte mehr.

Zusammengefasst können wir feststellen, dass die Grünen lediglich die ohnehin vornehmlich kosmopolitischen und umweltbewegten linken und bourgeoisen Wähler der CDU und SPD aufgenommen haben und jetzt stärker konzentrieren und nicht etwa originäre neue Grünen-Wähler geschaffen haben. Die Gesellschaft ist also nicht grüner geworden, als sie es vorher ohnehin schon war, sondern das Wählerpotenzial ist jetzt nicht mehr auf drei verschiedene Parteien gestreut sondern sammelt sich jetzt bei den Grünen. Deshalb sollten wir uns von diesem nur scheinbaren Erdrutschsieg der Grünen, der eigentlich nur eine Wählerwanderung ist, nicht kirre machen lassen. Das Hauptproblem besteht eher darin, dass der Hauptgegner nun sichtbarer geworden ist und seine Kraft jetzt immer mehr bündelt und radikalisiert und nicht mehr auf drei Fraktionen aufteilt.

Die SPD können wir, was den gesellschaftspolitischen Kampf angeht, vermutlich als erledigt betrachten. Ihren Status als Volkspartei kann sie auf mittlere Sicht kaum mehr rechtfertigen und Erholung ist nicht in Sicht. Was die AfD definitiv noch tun kann, ist ein stärkerer Fokus auf klassischer Sozialpolitik im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft, womit sie in der Lage wäre die SPD endgültig zu beerben und noch letzter weiterer Wähler zu berauben, um zu wachsen. Der Fokus dürften jetzt für die kommende Zeit die Grünen und die sich ihnen andienenden Christdemokraten sein. Die Verwerfungen, die eine Schwarz-Grüne Regierung im konservativen Teil der CDU mit sich bringen könnte, wäre dann ein Schwachpunkt an dem die AfD weiter von rechts angreifen kann und muss.

 

Europäische Aussichten

Im Gegensatz zu Deutschland blieb das österreichische rechte Potenzial trotz des Ibiza-Skandals halbwegs stabil. Ein Verlust von zwei Prozentpunkten ist eine milde Abstrafung angesichts der moralischen Liderlichkeit eines Parteichefs und dem Sprengen der gesamten Regierung unmittelbar vor der Wahl. Das Kurz‘ ÖVP enorm profitieren würde, einerseits von der guten Regierungspolitik, die man eigentlich der FPÖ zu verdanken hat, andererseits eben wegen der Skandalschwäche der Rechten, war relativ klar. Das Ergebnis wäre sogar positiv, würde die ÖVP weiterhin von der FPÖ auf nationaler Ebene kontrolliert, was eventuell auch Auswirkungen auf deren Arbeit im EU-Parlament gehabt hätte. So muss man leider die ÖVP als sicheren Teil des Blocks cuckservativer EU-Kosmopoliten sehen.

Allerdings haben die Rechtsparteien in den anderen Ländern der EU sehr gut geliefert. Osteuropa bleibt mit Ungarn, Polen, etc. eine sichere Bastion und auch in Westeuropa mit Italien, dem wichtigen Frankreich und dem noch anwesenden Groß-Britannien (ich hatte mich ja auch schon dazu geäußert, dass der Austritt GB die nationale Sache in der EU eher schwächt als stärkt) sind wichtige Erfolge zu erzielen, sodass man sagen kann, dass zukünftig die EU vor allem wohl von deutschen Abgeordneten getragen wird. Allerdings sehen wir dennoch an der überwältigenden Sitzverteilung das gleiche Problem, dass die AfD in Deutschland auf nationaler Ebene hat, hier im größeren Maßstab. Länder wie Ungarn können sich mit überwältigender Mehrheit für rechte Parteien entscheiden, weil ihr Gesamtanteil an den Sitzen relativ gering ist, würden diese Länder vermutlich auch dann kaum ins Gewicht fallen, wenn die rechten Parteien dort 90% der Stimmen holen würden.

Insofern ist zwar erfreulicherweise zukünftig mit einer kritischen, nationalorientierten Opposition zu rechnen, allerdings sorgt die Schwäche der rechten Parteien in Mitteleuropa und anderen Ländern Westeuropas weiterhin für einen sicheren pro-EUropäischen Block. Dazu ist auch noch nicht ausgemacht, ob die Zusammenarbeit der rechten Parteien in der neuen Fraktionsgemeinschaft ENF und die Zusammenarbeit mit den anderen rechten Fraktionsgemeinschaften EKR und EFDD so harmonisch ablaufen wird, wie es nötig wäre, um tatsächlich den Brüsseler Betrieb aufzumischen. Nach wie vor fehlt ein stimmiges EU- oder Europa-Konzept, dass die Notwendigkeit von Zusammenarbeit und gemeinsamen Institutionen bei gleichzeitig möglichst großer Wahrung von Identität und Souveränität konstruiert. Es fehlt ein Leitbild, das man der „immer engeren Union“ oder den „Vereinigten Staaten von Europa“ entgegen setzen kann.
Als Fazit für die AfD müssen wir festhalten, dass die Feindbewertung neu vorgenommen werden muss und man schauen muss, wie man sich auf welche Gegnerpartei einstellt und im welchen Wahlkampfraum (Ost vs. West); es muss dringend weiter am Aufbau metapolitischer Macht abseits der eigenen Parteistrukturen gearbeitet werden, gerade dort wo Jungwähler politisiert werden und es müssen in diesem Zusammenhang an Konzeptionen, an neuen Idealen gearbeitet werden, die der praktischen und pragmatischen Politik einen fundierten Unterbau und idealistischen Überbau geben. Und daran muss schnell gearbeitet werden, denn nach den Landtagswahlen, die von der grünen Dominanz womöglich ebenso überschattet werden könnten, ist die Hälfte der aktuellen Legislatur schon fast wieder vorbei, ohne das ein substanzieller Fortschritt im Ausbau der eigenen Wirkungsräume erzielt werden konnte.

Statt sich also von nur scheinbar negativen EU-Wahlergebnissen ins Bockshorn jagen zu lassen, wäre es an der Zeit noch stärker in den Aufbau zu investieren.

Marionetta Slomka: Jamaikanische Handpuppe oder Der Lindner ist immer noch an allem Schuld

Marietta Slomka betreibt als Handpuppe der Jamaika-Sondierer um Merkel Propaganda in einem Interview mit Christian Lindner. Es geht nicht um seine Sicht auf die Dinge, sondern er soll zugeben, was Slomka und das mediale Establishment ihm vorwerfen, das Ende von Jamaika aus eigennützigen Motiven verschuldet zu haben.

Marietta Slomka betreibt als Handpuppe der Jamaika-Sondierer um Merkel Propaganda in einem Interview mit Christian Lindner. Es geht nicht um seine Sicht auf die Dinge, sondern er soll zugeben, was Slomka und das mediale Establishment ihm vorwerfen, das Ende von Jamaika aus eigennützigen Motiven verschuldet zu haben.

Manchmal werden Artikel etwas persönlicher. Weil sie Berührungspunkte mit der eigenen Realität haben oder weil das Thema Gegenstand einer Konversation war, die man kürzlich hatte und in der Meinungen einen aufwühlen. Genauso eine hatte ich kürzlich. Digital freilich aber mit Leuten, die man seit Jahren kennt, schätzt, selbst wenn man sich ziemlich uneins ist. Aus diesem Gespräch werden wohl zwei Artikel entstehen, weil sie zwei eigenständige aber verwandte Themen berühren und werden sich diese Einleitung vermutlich auch teilen. Heute geht es um Marietta Slomka und ihr Interview mit Christian Lindner. Der andere Beitrag, der wird sich mit Merkel beschäftigen.

Wenn ich in meinen letzten Artikeln „Chancellor of the Weed“ oder dem kleinen SPIEGELblick-Intermezzo mit dem Verhandlungscoach von Realitätsverlust gesprochen habe, bezog sich das vor allem auf die Medien oder auf eine abstrakte Menge von Leuten. Es ist unschön, dissonant und in jeder Beziehung wohl auch unschicklich, wenn man zu der Erkenntnis gelangt, dass man die eigenen geschätzten Bekanntschaften, fairerweise eben eines solchen Realitätsverlustes bezichtigen müsste oder politischen Analphabetentums. Eigentlich ist es ja nur logisch. Die Medien kämen kaum mit ihrer Deutung durch, wenn die meisten Menschen, die sie konsumieren, nicht die Gedankengänge teilen oder ihnen eben glauben schenken würden, wo Kritik oder Zweifel angebracht wären. Nicht das wir nicht auch verleitet wären unseren rechten, alternativen Quellen über den Klee Geschichten ebenfalls allzu schnell abzunehmen.
Dennoch lässt es einen mit Schrecken zurück, wenn man mit einer Vehemenz nicht etwa eine abweichende, sondern aus eigener Anschauung kaum aufrechtzuerhaltende und stellenweise auch dumme Meinung entgegen gesetzt bekommt. Nicht von einer Einzelperson, sondern von mehreren.

Der Aufhänger der Diskussion war das erwähnte Interview von und mit Slomka. Ich binde es hier an der Stelle mal ein:

Das ließ mich doch mit einigem Entsetzen zurück, weil es eigentlich in allen Punkten unfassbar falsch und tendenziös war. Eine sehr geraffte Wiedergabe, auch meiner Meinung, findet sich da auch bei Tichy unter: „Polit-Aktivist Slomka„.

Weil ich so fassungslos war und wir ohnehin über Jamaika sprachen, hab ich das zur Diskussion gestellt und freilich auch nicht hinterm Berg gehalten und war überrascht, wie doch alle dieser Politaktivistin aus der Hand fraßen.

Journalistische Ethik und Methodik? Unbekannt.

Mein erster Kritikpunkt war sie als „Journalistin“ mit Anführungszeichen zu bezeichnen, also in Frage zu stellen, dass sie eine sei. Nun habe ich dabei den Tichy-Duktus übernommen, allerdings lässt er sich auch begründen. Journalismus ist der sachwiedergebenden Berichterstattung und der Aufdeckkung (zumindest der Annäherung) an die Wahrheit verpflichtet und fordert vom Journalisten ein kritisch zu sein, gegenüber der Sache und gegenüber Vorannahmen (insbesondere wenn es mehrere Parteien mit unterschiedlichen Versionen eines Vorfalls gibt) und seine Haltung sowieso zurückzuhalten und die Meinung auf eine einordnende Konklusio nach Abwägung der Fakten zu beschränken.
Nun war dieses Format ein Interview, also eine journalistische Methode zur Gewinnung und Darstellung von Informationen. Der Gesprächspartner soll sich und seine Sicht der Dinge darstellen und Nachfragen des Journalisten sollen dazu dienen, den Informationsfluss am Laufen zu halten und weitere, genauere oder verborgene Informationen herauszukitzeln. Was ein Interview nicht ist, ist eine Diskussion und schon gar nicht ein Format, in dem die persönliche Deutung des Journalisten oder seine Haltung irgend etwas zu suchen hat.
Das sind zumindest die Ansprüche, die ich an Journalismus allgemein und das Format eines Interviews im Besonderen stelle.

Jetzt wurde mir als entgegnet Frau Slomka hätte vor allem kritisch nachgefragt und es wäre die richtige Portion Schärfe gewesen. Sie hätte nachgefragt, um ihn von seinen einstudierten Phrasen abzubringen und die Fragen gestellt, die die Leute bewegen. Das ist falsch. Das was sie rausbringen wollte, ist der Offenbarungseid, auf den sich die Medien eingeschossen hatten: Das das Ganze ein abkartetes Spiel war, um sich in den Medien zu profilieren.
Sie hat immer wieder auf diesem Punkt insistiert und Lindner hat ihr dreimal auseinandergesetzt, dass es unmöglich gewesen ist, eine Einigung mitzutragen, die der FDP eine Gesichtwahrung und überhaupt ermöglicht hätte, irgendeine ihrer Positionen im Verhandlungsergebnis unterzubringen. Doch statt, wie es für ein Interview üblich gewesen wäre, diesen Faden fallen zu lassen, nachdem die Position klar gestellt wurde, wurde weitergemacht. Und dabei, wo wir bei Phrasendreschen sind, hat sie wie eine kleine Handpuppe Merkels quasi deren einstudierte Sätze zum Ausstieg der FDP übernommen.
An den Zusammenfassungsversuchen von Slomka wurde deutlich, wie sie die Welt sieht und welche Botschaft ihrer Meinung nach auch dieses Interview ausstrahlen sollte: Die Position der anderen Sondierer. Statt wie es ihre Aufgabe gewesen wäre, die Position von CDU, Grünen und CSU zu hinterfragen, hat sie sich auf deren Deutungsebene unhinterfragt eingelassen und Lindner angegriffen nicht befragt.
Nun muss sie Lindner keinesfalls den Ring küssen und seine Sicht der Dinge unhinterfragt übernehmen, wenn er ihr aber konsistent mehrere Male ein glaubhaftes (und nach meinem Dafürhalten glaubhafteres; dazu kommen wir gleich) Szenario auseinandersetzt, dann nimmt das Ganze solcher Art Züge an, als spräche Lindner hier mit einer Flach-Erdlerin, die zwar keinen einzigen Beleg, für ihre Behauptungen vorlegen kann, aber mit keiner vernünftigen Erklärung der Gegenseite zufrieden ist.

Ebenso verhält es sich dann eben auch in dem Momenten, in dem sie dann versucht die Aussage des FDP-Chefs einfach zu ignorieren, um dann ihre eigene Deutung, in Anwesenheit von Lindner, dann einfach in die Kamera zu quatschen, was den FDP-Chef freilich zu einer Gegendarstellung verpflichtet, was wiederum zu einer mehr talkartigen Diskussion führt, die diesem Format und der Person Slomkas einfach nicht zusteht. Ein Interview ist kein Talk, er ist auch kein kritischer Kommentar. Es ist nicht ihre Aufgabe dem Zuschauer an dieser Stelle mitzuteilen, wie er das Gesagte zu beurteilen hat.
Darüber hinaus wird sogar sehr eindeutig, dass Frau Slomka, wie viele Journalisten, hier offenbar eine Agenda verfolgt. Eine Agenda, die sich auf Jamaika bereits eingeschossen hatte und von der Rainer Zitelmann in seinem Beitrag „Drei Parteien, die nicht Selbstmord begehen wollen“, den ich bereits in vorherigen Beiträgen erwähnte, meinte, dass sie ein Hirngespinst gewesen sei – unmöglich ohne das wenigstens einer der Parteien sich vor ihren Wählern selbstzerstören müsste – und die Journalisten das eigentlich vorprogrammierte Scheitern als Sakrileg wahrnehmen. Die Schuldige ist die FDP, die nur zuerst eingesehen hat, dass es keinen Sinn hat, unter diesen Bedingungen weiterzuverhandeln.

Der Lindner ist immer noch an allem Schuld.

Am Anfang stand die Chimäre, dass die Verhandlungen ohne Weiteres eine stabile Regierung, einmal gegen die AfD, aber auch eine viel gelobte progressive Koalition, hervorgebracht hätten. Man hat versucht sich das für Merkel verheerende und kaum mehr realistische Koalitionsoptionen zulassende und eindeutig nach rechts tendierende Wahlergebnis als Chance für eine neue große Erzählung schönzureden, gerade um nicht einzugestehen, dass der Traum von Links-Schwarz-Grün gescheitert war. Jamaika wurde als Ersatz-Utopie aufgeblasen. Und ihr Scheitern erzeugt eine Dissonanz mit der Realität, die die Medien – man kann es kaum anders ausdrücken – in einer Art neuer Dolchstoß-Legende verarbeiten. Die Sondierer waren im Felde unbesiegt, nur wegen dem Verräter FDP ist der Krieg/ sind die Verhandlungen gescheitert, obwohl man kurz vor dem Sieg/ einer Einigung stand.

Das Schlimme ist, dass jeder diese von Merkel, Seehofer und Co. gestreute Ansicht der Dinge glaubt und im Fall der Medien unkritisch und dankbar aufgreift und weiter potenziert. Und was in den Medien ist, wird hier allzu vielen zur Gewissheit. Es wird vorgeworfen der Ausstieg sei geplant gewesen. Klar hat man ihn vorbereitet. Das hat Lindner auch deutlich gemacht. Wer nur mit etwas politischem Sachverstand an die Sache herangegangen ist, hätte wissen müssen, dass diese Verhandlungen kein Selbstläufer sind und die Differenzen selbst über das hinausgingen, was man sonst als harte Verhandlungen bezeichnen würde, sodass ein Scheitern jederzeit möglich war. Sich auf dieses Scheitern vorzubereiten, insbesondere wenn schon vor dem Wochenende (den Insel Utopia-Beitrag schrieb ich in besagter Nacht) kurz vor dem Aus stand, ist doch nur geboten. Allein das die FDP nochmal an den Verhandlungstisch zurückkehrte, statt den Sack an der Stelle schon zuzumachen zeigt doch, dass sie hoffte, die anderen Parteien würden einlenken.

Ich habe es jetzt schon merfach vorgebracht, aber ich rekapituliere es für diesen Beitrag noch einmal: Die AfD hat mit ihrem Wahlerfolg und ihrer Existenz zweierlei getan, was für diese Sache relevant ist. Sie hat eine Alternative geschaffen, zu der Leute gehen können, die eine eher rechtsgerichtete Politik, insbesondere in der Migrationspolitik wollen, sofern sie diese nirgendwo anders bekommen. Sie hat damit dafür gesorgt, dass die Parteien der rechten Mitte wie CSU und FDP (von der CDU braucht man nicht mehr zu sprechen) nach rechts aufrücken mussten, um dort nicht noch mehr Wähler zu verlieren. Die Folge war eine Rechtsrichtung der Wahlprogramme insbesondere der FDP. Das hat die AfD auch geschwächt und der FDP zu einem durchaus beachtlichen Abschneiden verholfen. Allerdings ist die AfD sehr stark ins Parlament eingezogen und setzt jetzt die Mitte-Rechts-Parteien unter Druck zu ihren Zusagen zu stehen. Tun sie das nicht, outen sich also als Umfaller, würden sie von der AfD bei den nächsten Wahlen gefressen.

Die FDP steht also nicht allein unter dem Druck möglichst aus eigenem Machtinteresse unter jeden Umständen in die Regierung zu kommen, sondern unter dem Druck ihrer Wähler ihre Zusagen umzusetzen oder eben keine Regierung zu bilden, die das nicht tut oder ggf. sogar das Gegenteil davon durchsetzt.
Auf der anderen Seite hast du die ideologiegetriebenen Grünen, die in praktisch den hauptsächlichen Belangen das komplette Gegenteil der FDP wollten und die davon ebenso kaum abweichen konnten, ohne von ihrer Basis zerrissen zu werden.
Das das ein praktisch kaum aufzulösender Konflikt sein würde, den man höchstens mit der Zusage die großen Problemfragen erstmal zu verschieben, hätte beiseite schieben können, wird überhaupt nicht wahrgenommen. Verhandlungen brauchen Spielräume. Die Spielräume sowohl der Grünen als auch der FDP waren aber enorm begrenzt, sodass es praktisch nichts zu verhandeln gab. Was nicht heißt, man hätte nicht doch irgendwie Kompromisse finden können.

Es ist nämlich erstaunlich, dass man jetzt der FDP das Scheitern anlastet, die traditionell als Hure der Macht gilt und ihnen vorwirft zu ideologisch und zu gierig gewesen zu sein, während von den Grünen die Legende des Entgegenkommens kolportiert wird. Wenn überhaupt dann in belanglosen Feldern. Ob die Grünen nicht zu sehr auf ihren Themen bestanden haben, diese Frage wird gar nicht aufgeworfen. Und es geht hier nicht darum die Schuld den Grünen zuzuweisen, die ihrerseits ihre Wähler vertreten müssen, ohne sich ansonsten zu zerreißen, sondern um zu zeigen, wie hanebüchen es ist, der FDP das jetzt vorzuwerfen.

Mag sein, dass irgendwelche Verirrten und Verwirrten, den Vorstoß zur Digitalisierung für das heißeste Eisen im Feuer der FDP gehalten und sie deshalb gewählt haben, aber die haben offenbar immer noch nicht verstanden, dass die Migrationspolitik DAS Thema dieses Wahlkampfes war und folglich jeder Koalitionsverhandlung sein muss. Jedes Mal wenn ich gelesen habe, dass die größten Streitthemen Soli und sonstiges Abstruses gewesen sein sollen, dann konnte ich einfach nur an Realitätsverweigerung denken. Das ist der Geist derjenigen, die auch nicht erkennen, was man hätte anders machen sollen und die Merkel auch so attestieren, dass sie ja eigentlich nichts falsch gemacht habe.
Der Familiennachzug war einer der Kristallisationspunkte. Aufnahmegrenzen und Abschiebungen wären weitere Themen, wo sich die Grünen mit der FDP ganz und gar nicht grün waren. Aber nein das ist natürlich überhaupt kein relevanter Streitpunkt! Wie Herr Wallasch bei Tichy in einem Rückblick auf „hart aber fair“ richtig zu dem ganzen Vorgang dann anmerkt:

„Aber nein Frau Bär, möchte man hinüber rufen von der Wohnzimmercouch. Aber nein, es ging doch nur um dieses bisschen Zuwanderung, das wir mit links schultern werden die nächsten Jahre und Jahrzehnte.“

In dem gleichen Beitrag bemerkt Herr Wallasch nämlich die eigentliche Konzeption dieser Verhandlungen:

„Interessante Frage von Plasberg: ‚Wenn sich die Grünen in den Sondierungsgesprächen so auf die anderen zu bewegt hätten, wird das bei Neuwahlen eigentlich alles wieder resettet?‘ Simone Peter sagt darauf einen der wichtigsten Sätze des Abends. Entlarvend, selbsterklärend. Also nein, warum sollten wir uns resetten, ‚wenn sie das Papier genau gelesen hätten …‘ Offensichtlich hat das die FDP. Aber die Presse nicht. Weil sie nicht wollte. Peter gibt also unumwunden zu, dass man so schlau formuliert hat, damit die Presse schreibt was sie schreiben soll, aber bewegt hätte man sich natürlich nie wirklich. Sag sie so nicht, aber genau so muss man es hier verstehen.“

und weiter:

„Eine interessante Information kommt noch: Simone Peter stellt klar, dass Claudia Roth für die Grünen das Thema Zuwanderung verhandelt hat. Und noch mal redet sie sich um Kopf und Kragen: Nein, es wäre keine Begrenzung der Zuwanderung vereinbart worden. ‚Eine Begrenzung wird es mit den Grünen nicht geben.‘ Also alles falsch, was nachher an Legende mit medialer Unterstützung gestrickt wurde. Nicola Beer kann ihr Glück kaum fassen. Kommt aber nicht zu Wort. Simone Peter redet und redet und redet. Sie merkt wohl gar nicht, was sie da sagt, hart aber fair. Plasberg muss eingreifen: Faktencheck abwarten!“

(anzuschauen unter: https://www.youtube.com/watch?v=9G6YxzOgsxc)

Mit den Grünen gab es Kompromisse mit einer ohnehin GroKo-isierten CDU also sozialdemokratische, gerade für sie noch tragbare Kompromisse, während man die großen Streitfragen (die hauptsächlich mit der FDP bestanden) in Formelkompromisse und Lippenbekenntnisse gekleidet vom Verhandlungstisch zu komplimentieren glaubte. Vielleicht hat man angenommen die FDP allein mit Ministerposten zufriedenzustellen und gedacht das Insistieren auf politischen Inhalten wäre nur reine Verhandlungstaktik und nicht politischer Überlebenswille.

Wenn Lindner also in einem anderen Interview mit dem SPIEGEL (das die Standards eines guten Interviews im Gegensatz zu Slomkas Haltungsjournalismus einhält), beschreibt, dass am Ende nichts zustande gekommen ist, dass FDP Handschrift trägt, dann ist das allemal glaubwürdiger, als anzunehmen man hätte kurz vor einer Einigung gestanden, bei der die Grünen von ihren migrationspolitischen Forderungen abgewichen wären, was das Personal der Grünen ja selbst bestreitet.
In welcher Welt laufen also bitte Verhandlungen so ab, dass man dann zustimmt, wenn man gar nichts und die Anderen immerhin ein bisschen was bekommen? In welcher Welt ist es ein Kompromiss, wenn man seine Positionen preisgibt und akzeptiert, was andere einem vorsetzen? Man kann anfangen der FDP Vorhaltungen zu machen, wenn dies hier eine Welt wäre in der die Grünen bereit gewesen wären für sofortige Abschiebungen, geschlossene Grenzen und dem Versprechen über die Sache mit der Förderung des Umweltschutzes in vier Monaten nochmal sprechen zu wollen, zu votieren. Alles für die Staatsräson versteht sich.

Da ich das aber nicht glaube, kann man nur sagen, dass man versucht hat, die FDP hier über den Verhandlungstisch zu ziehen, und die eben als Einzige ehrlich genug waren einzugestehen, dass diese „Einigung“ ein Haufen heiße Luft gewesen wäre. Aber wenn ich ehrlich bin, glaube ich, dass das den Beteiligten irgendwo auch klar ist, nur dass sie die „rechten“ Forderungen der FDP ohnehin für vernachlässigenswert und falsch hielten, dass es auch kein Recht dazu gab, sie in den Verhandlungen durchzusetzen und die Medien dabei assistierte, wie Tichy in einer Redaktionskolumne (Merkel und Medien) feststellte:

„Aber im Kern hält Hanfeld seinen Kollegen den richtigen Spiegel vor: ‚Das kann man sich gut vorstellen, auch mit Blick auf die begleitende Berichterstattung in Rundfunk und Fernsehen, bei der es in den vergangenen Wochen häufig so schien, als stellten die Positionen der Grünen eine mehr oder weniger naturgegebene, selbstverständliche, durch und durch rationale Grundlage zu allen politischen Streitfragen dar, bei denen Union und FDP nur noch nicht das richtige Licht aufgegangen sei: Kohleausstieg, Klimaschutz, Ende für den Verbrennungsmotor, Familiennachzug. […]‘ „

Da Seehofer und seine CSU sich nach alldem an der Jagd auf die FDP beteiligten, lässt nur den Schluss zu, dass er im Gegensatz zu Lindner umgefallen ist.

Wenn sich jetzt also Slomka hinstellt, der FDP ein abgekartetes Spiel vorwirft und glaubt die FDP hätte aus reiner Profilierungssucht die Verhandlungen scheitern lassen, dann ist sie entweder dumm und naiv oder sie besitzt schlicht die Dreistigkeit diese Sendung als Haltungsjournalistin für ihre Agenda zu missbrauchen. Inszeniert ist hier höchstens Eines: dieser Skandal.

Eine ganz besondere Frechheit ist dann noch der FDP zu unterstellen, dass sie schlecht verhandelt hätte. Wo keine Kompromisse möglich sind, finden gar keine Verhandlungen statt. Schlecht verhandelt bedeutet, ich habe einen schlechten Deal gemacht. Hier hat die CDU mit den Grünen Kompromisse ausgehandelt, die der FDP dann nach dem Motto „Friss oder stirb“ vorgelegt wurden. Einwendungen Lindners hat man offenbar abgewiesen oder nicht ernst genommen.

Den Rechtsruck der FDP noch immer nicht verstanden

Was in dem Gespräch deutlich zum Ausdruck gekommen ist und da sieht man die eigentlichen Hoffnungen und Absichten hinter Jamaika, man hatte gehofft rechte Lösungsansätze für eine weitere Legislatur aus der Politik auszuklammern, um weiter Fakten zu schaffen. Jamaika wäre keine liberale und keine konservative Lösung gewesen. Die Merkel CDU im Verbund mit den Grünen hätte die linkshegemoniale Poltik der Großen Koalition, in einigen Feldern sogar noch intensiviert, fortgesetzt und die FDP hätte als Stimmenbeschaffer fungiert. Außerdem hätte man sie so eingehegt, nachdem sie vor der Wahl nach rechts abgeglitten war. Den Wunsch vieler Bundesbürger nach einer rechten Politik oder eine Mitte-Rechts Politik zumindest, wollte man getrost ignorieren. Linke Politik war bei der Wahl eindeutig abgewählt worden (zum Schaden von SPD und CDU), sie sollte jetzt durch die Hintertür fortgesetzt werden und das hat die FDP nicht mit sich machen lassen.

Die hysterische Angst vor einer AfD, die bisher im Bundestag konstruktive Reden hält und bereit ist in Sachfragen zu kooperieren hält die Republik und vor allem das links-hegemoniale Establishment im Griff. Zwei Sorgen sind es vor allem: der Verlust des Primats linker Politik und eine Stärkung der AfD. Deshalb ist Lindners Verhandlungsabbruch in zweierlei Richtung für diese Leute verheerend. Er hat gezeigt, dass er bereit ist für die vermeintlich falschen rechten Prinzipien aufrecht zu bleiben, aber was nach viel wichtiger ist, dass das Gespenst einer weiteren Stärkung der AfD in den Köpfen dieser Leute die Runde macht.

Sie glauben noch immmer ihr selbstgesetzes Narrativ davon, dass die Position der rechten zu kopieren nur diese stärken würde, weil die Leute lieber das Original wählen würden. Diese Ansicht steht meiner Ansicht nach nur im Raum, um eine scheinbar vernünftige Rechtfertigung dafür zu haben, einfach mit alternativloser linker Politik fortzufahren. Denn es ist falsch, von vorne bis hinten. Die FDP hat bei dieser Wahl das genaue Gegenteil bewiesen und man muss eigentlich die Frage stellen, ob die ganzen Leute, die Lindner lieber die Positionen seiner Partei in einer Jamaika-Koalition preisgeben sehen wollte, eigentlich nicht doch heimliche Fans der AfD sind.
Sie fürchten sich jetzt, dass der Verhandlungsabbruch und etwaige Neuwahlen Wasser auf die Mühlen dieser Partei sein könnten und ignorieren völlig, dass die FDP nur so stark abgeschnitten und die AfD in ihrem Wachstum gebremst wurde, weil die Liberalen deren Position übernommen und ordentlich an ihren Stimmen gewildert hatten.
Die sozialen Kosten, dass zeigte mir auch wieder dieses Gespräch, dafür die AfD zu wählen, sind immer noch recht hoch und vielen, die sich eine schärfere Gangart in der Migrationspolitik wünschen, ist die AfD womöglich auch zu extrem, aber eben die bis zum Rechtsschwenk der FDP bestehende einzige Alternative. Jeder der Zweifel an der Integrität der AfD hat, wird zunächst nochmal der FDP eine Chance gegeben haben und auch die, die der AfD trotzdem ihre Stimme gegeben haben, sind keine harten Wähler, sie können sich jederzeit wieder umorientieren, wenn sie finden, dass sich die Etablierten wieder glaubwürdig positionieren.

Das Scheitern von Jamaika hat sicher auch im Sinne der AfD Schlimmeres von Deutschland abgewendet, polittaktisch wäre es für die rechte Partei aber sicher nützlich gewesen ihre Konkurrenz, insbesondere die FDP hätte sich in einer links-grün dominierten Chaos-Koalition demontiert. Das die FDP Haltung bewahrt hat, gibt den Liberalen nach rechts bei etwaigen Neuwahlen und in den Landtagswahlen eine sehr viel bessere Ausgangsposition. Die können sich jetzt nach rechts als glaubwürdig verkaufen und so eine Alternative zur Alternative für Deutschland bieten. Wer dafür ist die AfD zu schwächen, musste den Ausstieg der Liberalen aus den Sondierungen begrüßen.

Wer glaubt der Ausstieg sei Wasser auf die Mühlen der AfD, wenn gleich diese erst als Drohkulisse für Lindner dessen Sinneswandel erzeugt hat und deshalb weiter wichtig ist, hat den Rechtsruck der Partei noch immer nicht verstanden. Und er hat auch nicht verstanden, bei welchen Themenkomplex, nämlich der Migration, die Prioritäten des Wahlvolkes derzeit liegen. Slomka und die links-grünen Medien versuchen aber ihr möglichstes um diesen Irrsinn aufrecht zu erhalten, eben um weiterhin rechte Politik, egal von welcher Partei, exterminatorisch aus dem politischen System auszugrenzen.

Wieso? Weil sie eine Frau ist!??! <.<

Zum Abschluss dieses Verrisses will ich, auch wenn es mich davor sträubt, mich in diese Niederungen herabzubegeben, noch um eine besondere Stilblüte dieses Gesprächs kümmern, das ich hatte. Da wird mir doch wenn nicht direkt Sexismus so doch ein Doppelstandard unterstellt. Männer dürften ja anderen Leuten (und vor allem Frauen) ja immer ins Wort fallen, aber wehe eine Frau tut dies! Und überhaupt tun das AfD-Politiker in Talk-Sendungen ja auch.

So räumen wir die AfD-Politiker in Talk-Sendungen erstmal zunächst ab. Das wurde erwähnt, weil ich als Unterstützer der AfD da natürlich Doppelstandards anlegen würde. Erstens in Talk-Sendungen fallen sich die Gesprächsteilnehmer regelmäßig ins Wort, Männer wie Frauen, in den unterschiedlichsten auch parteipolitischen Konstellationen. Das ist der Knackpunkte, wenn man Gespräche statt serieller Monologe, haben möchte. Man muss insistieren, insbesondere wenn man direkt oder indirekt angesprochen wird, um erstens Missfallen auszudrücken und man den Willen verspürt etwas direkt richtig zu stellen. Ein Verhalten das für Moderatoren ebenso normal wie notwendig ist, um Gesprächsteilnehmer zur Räson zu bringen bzw. die Gesprächsleitung in der Hand zu behalten. Natürlich lässt man am besten ausreden, wenn es nicht zuviel wird. Mal quatschte Frau Petry mal in einem Talk hinein, mal kam in einer anderen Sendung ein Gauland so gut wie nie dran, weil er kaum das Wort ergriff aber die Moderatorin natürlich bei denjenigen Teilnehmern blieb, die was auszudiskutieren hatten, um mal bei der AfD zu bleiben und beide Seiten zu zeigen. Für eine Talk-Runde ist das normal und Usus. Es gehört auch zur politischen Darstellung.

Das hier ist allerdings ein Interview, kein Talk. Auch keine Diskussion zwischen Frau Slomka und Herr Lindner, ihre Meinung ist hier herzlich irrelevant und sie hat sie deshalb auch schon gar nicht über Lindner drüber zu sprechen. Und wenn jetzt kommt, aber der Lindner hat ja auch versucht sie zu unterbrechen. Natürlich. Sie hat sich von dem Interview, während er noch in der Leitung ist, abgewandt, um direkt an den Zuschauer gerichtet, ihre Meinung des Gesagten zum Besten zu geben, was schon verflucht frech ist. Da ist es selbstverständlich, dass der Interviewte das nicht einfach so stehen lässt.

Deshalb auch hier zum Sexismus. Nein Lindner darf sie nicht unterbrechen weil sie eine Frau ist und sie ihn nicht, sondern weil sie tendenziöse Meinungen von sich gibt und er sich falsch dargestellt sieht. In gleicherweise hätte sich auch ein Herr Bator oder Herr Kleber behandeln lassen müssen. Also von wegen muh Sexismus! Mit so einem Argument angesichts dieses journalisten Tiefpunkts zu kommen, ist echt erbärmlich. Es riecht stattdessen nach umgekehrten Sexismus, um mal den Spieß umzudrehen, Frau Slomka wird so quasi für ihr Verhalten noch entschuldigt, weil sie eine Frau ist?!!?

Und ich lasse es mal bewenden und gehe nicht noch auf die Körpersprache und ihre besserwisserische Art ein, wie sie Lindner nicht interviewt sondern konfrontiert und verweise nochmal auf den guten Artikel: Polit-Aktivist Slomka von Fritz Goergen.

Slomka ist die Journalistin, die der ÖR verdient

Wenn mir also einer erzählen will, dass Frau Slomka zum besten gehört, was unser Journalismus zu bieten hat, dann scheinen seine Standards nicht hoch zu sein, generell muss der Standard unseres Journalismus in Relation zu ihr massiv gesunken sein. Vielleicht habe auch ich einfach nur verlernt wahres Talent zu würdigen. Tja wenn das wahres Talent ist. Tja… Na dann können wir ja weiter machen mit journalistischen Kasperle-Theater in den Medien mit der AfD und seit neueste der FDP als Buhmann und Prügelknappe der Öffentlichkeit.

SPIEGELblick: Der Lindner ist an allem Schuld

Der SPIEGEL gestattet sich mal wieder ein besonders peinlich einsetiges Gesellenstück auf SPON. Da ich leider etwas zuviel geschrieben habe, dass mir der Kommentar versagt bleibt, lasse ich euch hier auf dem Blog daran teilhaben.

Der SPIEGEL gestattet sich mal wieder ein besonders peinlich einsetiges Gesellenstück auf SPON. Da ich leider etwas zuviel geschrieben habe, dass mir der Kommentar versagt bleibt, lasse ich euch hier auf dem Blog daran teilhaben.

ich habe ja schon in meinem gestrigen Beitrag den offenkundigen Realitätsverlust der zugedröhnten Jamaika-Fraktion in den Medien kritisiert, die jetzt Christian Lindner, trotz der offenkundigen ideologischen Unvereinbarkeiten aller Verhandlungsparteien, allein für das Scheitern der Sondierungen verantwortlich machen, obwohl er wohl nur den nötigen Realitätssinn besaß, diese Farce als erster zu beenden.

Doch anzuerkennen, dass es womöglich auch an den Grünen gescheitert ist, an faulsten Kompromissen, die nichts weiter sind als heiße Luft? Nein, das geht gar nicht, denn auf die Tropeninsel hatten sich alle nämlich schon so gefreut.

 

Und weil man heutzutage nicht ohne Psychologisierung und Experten auskommt, lässt SPON einen Verhandlungscoach auftreten, der uns erklärt, was der Christian beim Schachern um den Nachzug von womöglich 100.000en Menschen falsch gemacht hat. Denn an den Grünen sind die Verhandlungen bestimmt nicht gescheitert. So 200.000 bis 300.000 wären doch bestimmt drin gewesen, ne Christian? Das erkärt uns der Coachh dann mal:

http://www.spiegel.de/karriere/christian-lindner-welche-folgen-hat-der-jamaika-abbruch-a-1179516.html

Der Coach, der Experte, der uns hier erklären soll, wie die Verhandlungen gescheitert sind und eigentlich von Berufswegen alle Verhandlungspartner in die Betrachtung mit einbeziehen müsste, macht den Fehler, den Journalisten jetzt gerne machen. Ihr feuchter Wunschtraum von Jamaika ist geplatz, dabei hat man sich das alles so schön ausgemalt, und die Schuld trägt natürlich derjenige, der vermutlich einfach nur am Aufrichtigsten erkannt hat, dass eine Einigung ohne faule Formelkompromisse nicht möglich war.

Um im Sprech des Coaches zu bleiben. Es wird unterstellt Linder habe übersteuert und die Verhandlungen gegen die Wand gefahren, es wird unterstellt, dass Lindner die ganze Orange wollte, es wird unterstellt Lindner sei schon mit bösen Absichten in die Verhandlungen gegangen. Die Position der Grünen, die hier wohl als Gegenpol anzusehen sind (denn die CDU hat keine Haltung und keinen Charakter) werden überhaupt nicht hinterfragt.
Dabei liegt es doch näher zu sagen, dass nicht etwa die in der Vergangenheit sehr flexible FDP sich verweigert hätte, sondern die bekanntermaßen ideologiegetriebenen Grünen.

Mithin unterschätzt der Coach hier gewaltig die Fliehkräfte solcher politischen Verhandlungen, wo es nicht wie auf dem Markt um flexible, formbare Beträge sondern Fragen prinzipieller Natur geht. Einer der großen Kernprobleme, das lange ausgeblendet wurde, war der Familiennachzug. Die Grünen waren nicht einmal bereit mit einer absolut nebulösen Flexi-Obergrenze der CSU zu leben. Die FDP hatte sich im Wahlkampf, und damit hat sie der AfD nochmal massiv Stimmen abgejagt, dagegen positioniert. Die Positionen sind unvereinbar. Man kann sich einen Kompromiss vorstellen, wo eine Obergrenze für Familiennachzug eingeführt würde. Die FDP hätte sie höchstens niedrig ansetzen können, dass wäre ihr Verhandlungsspielraum gewesen. Die Grünen hätten sich aber nicht mit einer homöopathischen Dosis im 10.000er Bereich abfinden können.

Das Problem ist, dass die Außenwirkung, die der Coach hier anspricht, für die Partei wesentlich ist. Es geht nicht um das Ansehen ein guter oder schlechter Verhandler zu sein, sondern ein Versprechen zu befriedigen. Ein Arbeitgeber wird nicht gleich aus dem Verband geworfen und Branchen-Gewerkschaften sind realistisch alternativlos für ihre Mitglieder.

Die FDP jedoch hat ihren Wahlsieg derartig nur gestalten können, weil sie die Positionen der Rechten besetzt und sich als AfD-light verkauft hat. Die Folge ist, die FDP steht damit unter einem hohen Druck von Rechts. Wenn sie umfällt, könnte das ihren politischen Tod oder zumindest eine massive Abstrafung bei den nächsten Wahlen bedeuten UND damit der AfD massiv Zulauf bescheren. Das die CSU in dieser Konstellation bereits aussieht wie eine Bande von Umfallern, dürfte der AfD bei den Landtagswahlen in Bayern gut zu Angesichte stehen.

Mithin war es für die FDP keine gangbare Alternative, wenn man nicht erwartet, sich für ein unbedingtes Gelingen Jamaikas politisch zu opfern (man könnte ja das Gleiche von den Grünen verlangen, aber warum sollte man, schließlich sind die rechten Positionen der FDP ja augenscheinlich das Problem). Mithin hat Lindner den einzig richtigen Weg beschritten und diese Verhandlungen eben dort beendet, wo sie einfach keinen Sinn mehr machten.

Als Konklusio bleibt festzuhalten: Der SPIEGEL versucht das Ganze hier zu psychologisieren und Linder den Schwarzen Peter zuzuschieben. Der Coach folgt dieser Linie, wirft keinen Blick auf die anderen Verhandlungspartner und anerkennt nicht die massiven ideologischen und positionellen Diskrepanzen zwischen den einzelnen Parteien, die mit einem einfachen Kompromiss kaum aufzulösen wären und schon gar nicht mit einem Formelkompromiss, der zuungunsten der FDP nur deren Ruin und den weiteren Aufstieg der AfD bedeuten würde. Ein Artikel hier auf SPON, der mal wieder die Zeit nicht wert war, ihn zu tippen.

Chancellor of the Weed: Politischer & medialer Realitätsverlust

Die FDP lässt die Sondierungsverhandlungen platzen und die Medien, die sich noch nicht von IHREM grasschwangeren Wahntraum Jamaika verabschiedet haben, schlagen auf sie ein. Die Konstante im postdemokratischen Merkel Deutschland nach der Bundestagswahl ist offenbar anhaltender links-grüner Realitätsverlust.

Die FDP lässt die Sondierungsverhandlungen platzen und die Medien, die sich noch nicht von IHREM grasschwangeren Wahntraum Jamaika verabschiedet haben, schlagen auf sie ein. Die Konstante im postdemokratischen Merkel Deutschland nach der Bundestagswahl ist offenbar anhaltender links-grüner Realitätsverlust.

Man sagt ja Jamaika sei das Land, wo der Hanf blüht und man könnte meinen die Medien, die Politiker der an den Jamaika-Sondierungen beteiligten Parteien, ja selbst der Bundespräsident hätten bereits zuviel von dessen Dämpfen inhaliert. Vielleicht hat man auch schon schlechten Shit erwischt, beim vorglimmen im Vorfeld der Sondierungen. Anders ist der Realitätsverlust, der derzeit das Rauschen des medialen und politischen Blätterwaldes bestimmt, nicht mehr vernünftig zu erklären. Berauscht war man derart von Jamaika und seinen botanischen Vorzügen, dass die dreckigen Abstinenzler der FDP jetzt dastehen wie Spießer. Ja sogar wie rechte Spießer oder gar rechtspopulistische Spießer. Denn da gibt es ja keine Toleranz für exotischere psychoaktive Substanzen. Dreckige rassistische Spielverderber und die FDP gehört jetzt dazu. Aus der rauschhafte Fiebertraum von Jamaika.

Als ich gestern morgen (also etwa halb 1:00 morgens) meinen letzten Beitrag zu Merkels Totengeläut schrieb, selbst etwas berauscht von der Nachricht des Merkelschen Scheiterns und dem Ouzo, den ich zur Feier des Tages wieder hervorgeholt hatte, war ich etwas naiv, gutgläubig. Ich hatte geglaubt, dass Merkel doch noch ein wenig Anstand jenseits des unbedingten Willens zum Machterhalt hätte, doch weit gefehlt. Noch wird jenseits von Neuwahlen natürlich noch nach Alternativen gesucht, denn vorgezogene Neuwahlen sind ja schließlich kein Wunschkonzert sondern die Ultima Ratio des demokratischen Systems. Doch natürlich müssen für den Fall der Fälle bereits Optionen besprochen werden. Doch statt ihre Position erst einmal im Wagen zu lassen, um sich in weiteren Verhandlungen nicht selbst die Legitimität zu entziehen, besaß Frau Merkel doch tatsächlich die Chuzpe sich ihrer Partei im Fall von Neuwahlen doch noch einmal als Spitzenkandidatin aufdrängen zu wollen. Sie wagte es gar dabei von Verantwortung zu schwadronieren. Verantwortung ist das, was Frau Merkel während ihrer zwölfjährigen Kanzlerschaft immer gerne wegdeligiert hat und die nur dann opportun war, wenn es darum ging, dass Lob der Bürger einzuheimsen. In Merkels Verantwortung lag die unbegrenzte, planlose, widerrechtliche und ihren Folgen verheerende Migrationspolitik der letzten zwei Jahre. Und damit ist sie, einerseits der Müdigkeit der Bevölkerung an ihrer Person wegen, andererseits eben wegen der katastrophalen Folgen ihrer Politik, auch für eines der schlechtesten CDU Ergebnisse der letzten Jahre und überhaupt verantwortlich. Unter ihrer Herrschaft und durch ihre Herrschaft ist rechts von der CDU/ CSU eine legitime Partei gewachsen, etwas das der eigenen Partei nicht gefallen kann. Wenn Frau Merkel Verantwortung verspüren würde, dann müsste sie sich erst einmal diese Verantwortlichkeiten zuerkennen und müsste um diese Verantwortung dann auch zu übernehmen zurücktreten, mindestens vom Vorsitz der Partei und definitiv auf eine Spitzenkandidatur verzichten.

Stattdessen erleben wir „Ich sehe nicht, was wir anders machen sollten“ in einer Neuauflage. Diesmal nicht zum Schaden des Landes sondern „nur“ zum Schaden ihrer eigenen Partei. So eine Aussage nach einer solchen Wahlschlappe und dem Scheitern der Jamaika-Koalition, die das Volk eben NICHT will, für die es keinen klaren Regierungsauftrag gibt, nur weil sie rechnerisch möglich wäre (das wäre nämlich eine Koalition mit der AfD auch und das das Volk eine solche lieber sähe, zumindest von der politischen Ausrichtung her, ist sehr viel deutlicher) kann nur von wenigem zeugen: einer egozentrischen Borniertheit oder eben Realitätsverlust im Endstadium. Man denkt an den französischen Adel, der am Vorabend der Revolution dekadent auf einem Abendball dahingleitet, dem Volk empfiehlt doch Kuchen zu essen, wenn es kein Brot hat und die Zeichen der Zeit übersehen hat, oder wie die Spitzen des DDR-Regimes, die kurz vor dem Ende, noch den 40. Geburtstag ihrer Diktatur begangen und die brodelnde Stimmung auf der Straße gar nicht mehr wahrhaben konnten, wie es scheint. Angela Merkel ist damit derzeit auf dem besten Weg ihren Ziehvater Kohl auch in dieser Hinsicht zu beerben: Sich für alternativlos und unverzichtbar zu halten und den Zeitpunkt für ein würdiges Ende damit zu verpassen.

Etwas unterscheidet sie noch von Kohl. Sie hat systematisch jede Konkurrenz entfernt. Die CDU ist in den Spitzenpolitiker-Reihen, die am ehesten in Sprungweite für ihren Posten wären, durchsetzt mit Ja-Sagern, monarchisch Ergebenen und dienstbaren Schranzen, von denen keiner die charakterliche Eigenständigkeit und Kaltblütigkeit, zumindest sichtbar, besitzt, die für einen Königinnenmörder nötig wäre. Doch die wird nötig sein, wenn die CDU bei Neuwahlen nicht noch mehr Schaden nehmen will. Von einem Garant auf stabile Mehrheiten ist die ewige Kanzlerin inzwischen zur Belastung geworden. Sie kann nämlich Spitzenkandidaturen verkünden, wie sie will, am Ende hat es ihre Partei in der Hand bzw. kann es in der Hand haben, wenn sie es denn will. Da mein Glaube an Anstand von Frau Merkel erschüttert wurde, will ich nicht ausschließen, dass ihre Partei auch noch die Vernunft beerdigt und sie entgegen meiner klaren Vorhersage doch noch einmal ins Rennen schickt. In diesem Fall ist der CDU jedoch endgültig nicht mehr zu helfen. Spätestens dann aber sollte die nackte Kaiserin um ihren Rücktritt ersuchen.

Steinmeiers selektive überparteiliche Gesprächsbereitschaft

Aber es gibt ja noch Hoffnung das Debakel von Neuwahlen abzuwenden oder gar das gelobte Land Jamaika doch noch erstehen zu lassen, denn Bundespräsident Frank Walter Steinmeier will sich jetzt einschalten und insbesondere noch einmal die Spitzen der vier Sondierungsparteien ins Gebet nehmen und doch auf die Tropeninsel-Koalition verpflichten. Da das schwierig werden könnte, will er sich natürlich auch an die anderen Partein des Bundestages richten. Dass die grasschwangere Luft der Sondierungen den Beteiligten das Hirn vernebelt hat, mag klar sein, aber es wird an den Empfehlungen Steinmeiers auch deutlich, dass er selbst wohl einen tiefen Zug Jamaika zuviel eingeatmet hat und ebenfalls den Bezug zur Realität zu verlieren beginnt.
Seiner SPD hat er nämlich empfohlen doch offen zu sein für Gespräche und Verhandlungen, was kaum anders gedeutet werden kann, als sich als Plan B von Merkel in einer Großen Koalition ein weiteres Mal missbrauchen zu lassen. Ich denke das hat sich die Parteiführung anders vorgestellt mit dem Mann, den sie ins Schloss Bellevue gehievt hat. Faktisch fordert Steinmeier sie dazu auf, aus Gründen der Staatsräson den eigenen Exitus in Kauf zu nehmen. Merkel noch eine Kanzlerschaft zu ermöglichen, wird die SPD endgültig an die Schwelle zur Kleinpartei befördern.
Das Ganze wäre aber freilich für das höhere Wohl, das der überparteiliche Bundespräsident im Kopf haben muss. Er wirbt nämlich für eine Koalition der Anständigen gegen die drohende Gefahr von Rechts, die er natürlich in der AfD vermutet. Wie zugedröhnt sein Schädel von den ganzen Jamaika-Schwaden sein muss, zeigt sich schön in der Formulierung, die er gebraucht, um die Gespräche anzukündigen:

„Aber auch Gespräche mit den Vorsitzenden von Parteien, bei denen programmatische Schnittmengen eine Regierungsbildung nicht ausschließen“

Wie das zu verstehen ist, ist eindeutig: Merkel ist sakrosankt und links-grün sind sakrosankt, denn die AfD soll nicht Teil dieser Gesprächsführung sein. Das dürfte nämlich auch schwierig werden. In einer Art brüningschem Burgfrieden (angelehnt an ein bekanntes Weimarer Wahlplakat) hatte man den Zusammenhalt der anständigen Parteien, vor und nach der Wahl, gegen die vermeintliche Nazi-AfD bekräftigt. Gesprächsbereitschaft anzumahnen und sie nach rechts zu verweigern wirkt wie saubere Doppelmoral. Da man zuvor das hetzerisch-verleumderische Narrativ von der Alternativen für Deutschland als Feinde und Gefährder der Demokratie aufgebaut hatte, verbieten sich jetzt aber natürlich Gespräche mit ihr.
Süffisant aber das Herr Steinmeier nicht begreift, dass bei den Parteien, die maßgeblich von der Wahl profitiert haben (FDP und AfD) und zusammen mit CDU/CSU – als konservativen Kräften – die AfD eher Schnittmengen erzielt, als die Grünen oder die beiden Roten, ist schon ironisch. Tatsächlich sind sich nämlich die Forderungen der CSU und der AfD nicht so fern und die FDP hatte in zentralen Fragen, bei denen sie mit den Grünen massiv uneins sind, vom AfD-Programm kopiert. Und auch in der CDU rumoren die Konservativen.

In welcher Welt, vermutlich einer ohne gutmenschelnden Grasdampf in allen Gassen, Herr Bundespräsident, existieren diese deutlichen Schnittmengen nicht, in welcher Welt, wären diese Schnittmengen nicht sogar stärker als mit Jamaika oder einer GroKo, die niemand außer Merkel will, zwei grundsätzlich kranke Regierungssysteme anzustreben? Und tatsächlich wäre die AfD toleranzbereit womöglich sogar koalitionsbereit unter Bedingungen, von denen der Abschied Merkels Eine wäre.

Wer noch Zweifel daran hatte, dass die vermerkelte CDU nicht längst eine links-grüne Partei geworden ist, der dürfte hoffentlich jetzt die Augen aufmachen, wenn selbst der Bundespräsident eine stärkere Übereinstimmung der CDU mit Grünen und SPD beschwört, als mit der abtrünnigen FDP oder einer konservativen Kraft wie der AfD. Wobei das hier natürlich System hat: das linkshegemoniale Denken, dass mit Merkel eine bereitwillige Exekuteurin hat, ist alternativlos. So alternativlos, dass man abweichende Meinungen als demokratiefeindlich, obwohl legitimerweise im Parlament vertreten ausgrenzen muss. Nur steht das einem Präsidenten, der überparteilich handeln soll und zur Verantwortung gemahnen soll, überhaupt nicht gut zu Angesichte.

Warum die FDP an allem Schuld ist oder Der Selbstbetrug der Medien

Aber das wird natürlich nicht in Frage gestellt. Denn was Jamaika angeht, wurde Vieles nicht in Frage gestellt, solange es halt genug Dope für alle geben würde. Für viele Akteure in den Redaktionsstuben und andere Medienvertreter, war Jamaika nicht nur die logische sondern auch die wünschenswerte utopische Konsequenz, die die Herrschaft Merkels in ihrer finalen Phase gehen sollte. Was nach der völlig vergeigten Wahl nur zunächst nur eine rechnerische Alternative und bei bestem Willen dann auch nur eine peinliche Notlösung für Schwarz-Grün gewesen wäre, wurde dann sehr schnell zu einem utopischen politischen Projekt hochgeschrieben, offenbar hatte man den Rechtsruck der FDP verpasst oder wollte ihn nicht wahrheben. Man hätte die breitgesellschaftliche Anti-AfD-Koalition, würde ein bisschen bürgerliches Alibi betreiben und so die verunsicherten Wähler zurückgewinnen für die moralisch überlegene links-grüne Migrationspolitik und dadurch eine neue Willkommenskultur und ein neues Wir definieren, in dem sich mit fortschreitenden Legalisierungslevel der Flüchtlinge (und des Hanf) alle Probleme wie von Zauberhand auflösen würden.

Das es sich dabei nur um eine Wahnidee eines mehrheitlich grünen oder links-grün denkenden Medien-Mainstreams handelte, fasst Rainer Zitelmann für Tichy in seinem ebenfalls sehr lesenswerten Beitrag: „Drei Parteien, die nicht Selbstmord begehen wollen“ folgendermaßen zusammen:

„Unrecht behielten all die Medien, die eine Jamaika-Koalition herbeireden wollten, die etwas von einem neuen ‚Projekt‘ mit einem neuen ‚Narrativ‘ faselten. Oder von einer ‚interessanten bürgerlichen Koalition‘, welche ’scheinbar Unvereinbares versöhnt‘ usw.usf. ihre gutgemeinten Ratschläge: Die vier Parteien oder Merkel müssten eine „Überschrift“ für die ‚Erzählung‘ finden. So ein Blödsinn! Das waren alles Fantasien von Journalisten, die mehrheitlich grün denken.“

Das Unversöhnliche versöhnt, die Utopie eben, die einem auch vor Augen gestellt wird, wenn man es wagt den Zeugen Jehovas etwas von seiner Zeit zu schenken und einem eine Broschüre mit Bild dargereicht wird, auf der eine Welt entworfen wird, wo selbst der Löwe und das Schaf friedlich miteinander koexistieren können. Man muss sich im Endeffekt dann nur noch die Frage stellen, wo kriege ich diesen Shit her und wie lange muss ich den Joint wandern lassen, bis ich diesen Stuss auch noch glaube?

Die Journalisten waren jedoch von dieser Aussicht sehr angefixt und ein Scheitern dieser Utopie musste fraglos einem Sakrileg gleichkommen. Nur durch einen solchen Realitätsverlust ist erklärlich, weshalb trotz der offenkundigen ideologischen Unvereinbarkeiten die FDP Ziel und Brennpunkt der breitflächigen medialen Entrüstung wurde. Führt man den ganzen Vorgang in die Realität zurück, dann wird die FDP jetzt von der Presse und den anderen Sondierungsparteien dafür geschmäht, weil sie eben nicht bereit war ihr Programm und damit die Wähler, die sie dafür gewählt haben, zu verraten. Eigentlich der Kerngehalt repräsentativen demokratischen Handelns wird hier als Flucht vor der demokratischen Verantwortung verteufelt. Und man folgt wieder einmal unkritisch den Sondierungsparteien und der grün-pseudo-schwarzen Kanzlerin, am Nasenring gezogen, durch die Arena.

Die anderen ließen es sich nämlich nicht nehmen, über die bösen FDP-Abstinenzler dann noch herzuziehen. Man sei sich fast einig gewesen und ein Ergebnis fast spruchreif, wenn denn die unsozialen Liberalen plötzlich und unvermittelt abgesprungen wären. Damit wurde der Eindruck in die Welt gesetzt die FDP sei nur zu gierig gewesen und hätte das Scheitern der Verhandlungen als Selbstprofilierung und Inszenierung nutzen wollen, weil sie den Hals nicht voll genug bekamen. Und da das Schreckgespenst AfD vor der Tür steht und sich die FDP jetzt ja auf diese Weise mit denen irgendwie gemein macht, war man dann auch schnell dabei, diesem Tenor zu folgen. Einschlagen auf die FDP.
Dabei dürfte die ganze Situation doch jedem, der mal kurz darüber nachdenkt, noch mehr zu Denken geben. Wenn nämlich die Aussage, man sei kurz vor einer Einigung gewesen, keine dreiste Lüge war, um den Ausscherern noch eine mitzugeben, denn Verhandlungen kurz vor dem Ziel zu kippen, ist ja besonders unanständig, dann müssten ja schon die Formelkompromisse und Ergebnisse fast fertig gewesen sein. Doch gerade da verwundert es, dass ausgerechnet die als Hure der Macht geltende FDP und nicht etwa die bis ins Mark ideologietriebenen Grünen die Reißleine gezogen haben.
Im Gegensatz zu Zitelmann glaube ich nicht, dass die Parteien nur versucht haben, zu beweisen das Jamaika unmöglich ist, denn dazu passen die Äußerungen der CSU im Anschluss an den Absprung der FDP nicht, sondern das man im Gegenteil tatsächlich ein Einvernehmen erzielen wollte. Die CDU sowieso und Merkel erst recht.

Angesichts der schon in meinem älteren Beitrag angesprochenen unvereinbaren Positionen von Grünen und FDP lässt das nur den Schluss zu, dass die Grünen mit den Ergebnis wohl zufrieden sein konnten. Ganz sicher lässt es sich natürlich nicht sagen, denn schließlich wird man die ganze Sache unter Klosterschwestern und Weed-Buddys vertraulich handhaben. Es liegt allerdings die Vermutung sehr nahe, dass die ohnehin grün denkende Kanzlerin, wie sie es bisher immer getan hat, den Grünen maximal entgegen gekommen ist. Was das auch bedeuten würde, gerade angesichts des Bekenntnisses der CSU zu der Einigung, dass Seehofer und seine Verhandler umgefallen sein mussten, entweder genötigt von der Schwesterpartei oder verlockt von der Macht. Man muss davon ausgehen, dass die CSU bereit gewesen war, ihre Wähler an Jamaika zu verraten, solange die grasschwangere Sause nur weitergehen würde. Leser aus Bayern sollten das bei der kommenden Landtagswahl berücksichtigen.

Es ist zu vermuten, dass die Grünen ein paar saftige Stücke von der Hasch-Torte bekamen, während für die Liberalen gerade in den Kernfragen, bei denen die Grünen mit Gewissheit sonst abgesprungen wären, nur ein paar Krümel, faule Kompromisse und Lippenbekenntnisse übrig blieben. Womöglich hatte man auf den Machtwillen der FDP gehofft. Ich hatte ja auch die Vermutung Lindner würde, um den Wiederaufstieg der Partei unter seiner Führung mit dem direkten Einzug in die Regierung zu krönen, sehr kompromissbereit agieren. Aber man hatte dort, wie ich auch, wohl die disziplinierende Wirkung des kalten Entzugs von der süßen Droge Macht nach der letzten Wahl für die FDP unterschätzt. Die Angst vor einer weiterem schlechten Trip mit anschließendem Hangover und den Jägern von der AfD im Nacken, ließen Lindner wohl im entscheidenden Moment nüchtern werden und mit klarerem Blick übersehen, dass das Verhandlungsergebnis, so es denn tatsächlich soweit spruchreif, kaum etwas anderes als heiße Luft und ein Offenbarungseid gegenüber seinen Wählern gewesen wäre: Massive Verluste bei der nächsten Wahl eingerechnet.
Alles in allem war es daher nur konsequent und für Lindners Position alternativlos, dann aufzustehen und zu gehen, als die anderen die grasgestopfte Friedenspfeife herumgehen lassen wollten, um die letzten Zweifel mit einem tiefen Zug Jamaika einfach wegzuatmen. Über alles weitere, könne man sich noch Gedanken machen, wenn es soweit sei.
Die Idee das die Lösungen für das politische Problem eher rechts, denn ideologisch unvereinbar auf linker Seite zu suchen seien, darauf kam niemand. Die FDP machte sich quasi, weil sie zu ihren kopierten Wahlkampfversprechen stand und weil sie Jamaika deshalb auch noch scheitern ließ, zum Handlanger der Rechten, der AfD, den Nazis, die ohnehin nur von Neuwahlen profitieren könnten.

Morbus Kreuzberg im Endstadium

Jamaika-induzierter Realitätsverlust oder auch „Morbus Kreuzberg im Endstadium“ (wie es Reinhard Mohr 2014 unnachahmlich in der FAZ ausdrückte) anders kann man auf diesen ganzen Irrsinn nicht mehr schauen. Eine Partei wird von einem medialen und politischen Establishment im links-grünen Rausch in die Pfanne gehauen, weil es sich ausnahmsweise an das halten will, was es seinen Wählern versprochen hat. Und das während alle in ihrem Wahn und Tran beginnen hier und dort Nazis zu sehen, eine Inselmentalität pflegen und selbst der überparteiliche Bundespräsident meint, dass Lösungen angesichts der derzeitigen Lage nur links zu finden seien, und selbst wenn FDP oder SPD darüber zugrunde gehen müssten.
Man mag nur hoffen, dass mit der FDP und am Ende auch der AfD noch viele weitere die Fenster aufstoßen und diesen Pfeifendunst endlich auslüften und die Pfeifen gleich hinterher entsorgen.

Koalition: Das System Merkel und seine Grenzen oder Jamaika als Insel Utopia

Die Jamika-Sondierungen offenbaren die Grenzen des Systems Merkel. Scheitern die Verhandlungen ist es das Ende ihrer Kanzlerschaft. Neben ideologischen Differenzen zwischen den Verhandlungspartnern ist es der Schatten der AfD, der mit am Verhandlungstisch sitzt, was eine Einigung inzwischen utopisch erscheinen lässt.

Die Jamika-Sondierungen offenbaren die Grenzen des Systems Merkel. Scheitern die Verhandlungen ist es das Ende ihrer Kanzlerschaft. Neben ideologischen Differenzen zwischen den Verhandlungspartnern ist es der Schatten der AfD, der mit am Verhandlungstisch sitzt, was eine Einigung inzwischen utopisch erscheinen lässt.

Ich unterhalte mich mit einem Freund jetzt dann und wann immer mal wieder über die Aussichten auf die Jamaika-Koalition. Seit der Wahl bzw. schon kurz nach der Wahl war dafür ja auch sehr viel Zeit. Ich denke man braucht nicht lange um den heißen Brei herumzuredenn, dass wir mit einiger Gewissheit nach der Wahl davon ausgingen, dass die Koalition kommen müsste. Nach dem Ausscheren der SPD aus dem Einheitspartei-Verband, der absolut zwingend war, gab es nur noch diese Machtoption. Und angesichts des Linksrucks der Union und der offenkundigen Nähe der Kanzlerin zu grünen Positionen, insbesondere bezüglich der Migrations- und Flüchtlingspolitik, schien es nicht nur wie eine Wunschkoaltiion für Merkel, sie war auch alternativlos für ihre Herrschaft.

Andere vertretbare Optionen gab es nicht. Ich denke man kann der Union kaum einen Vorwurf machen, nicht zu wollen, die AfD selbst mit einer direkten Regierungsbeteiligung aus der Schmuddelecke zu holen. Also lieber weiter seelenlos nach links rücken als sich an den Rechtspopulisten noch den letzten Ruf zu ruinieren. Aber schließlich selbst die verträglichere Option der Duldung einer Minderheitsregierung wäre ohnehin nicht unter der Herrschaft von Frau Merkel zustande gekommen. Alice Weidel hat diese Option klugerweise ins Spiel gebracht, aber eben zur Konsequenz der AfD gehört es , dass die Frau, die die Probleme der letzten Jahre zentral zu verantworten hat, nicht mit AfD-Unterstützung in Amt und Unwürden gehalten wird. Also eine Regierungsbildung der Union auf diese Weise hätte ebenso zwangsläufig ebenfalls ein Ende der Ära Merkel bedeutet. Also Jamaika.

Eigentlich ist sehr offensichtlich, dass eine Regierung, die durch vier Parteien gebildet werden muss, eher krankhaft denn gesund ist. Und das sie kaum mehr sein kann als ein zwangsläufig instabiles Provisorium, insbesondere wenn diese Koalition bezüglich der ideologischen Standpunkte wie eine GroKo der Kleinparteien anmutet. Wenn die AfD häufiger einmal vom Kartell der Altparteien redet, denn kann man es hier ausnahmsweise mal nicht nur im informellen Bündnis von Regierung und vermeintlicher Opposition beobachten sondern in direkter Kungelei. Freilich ist das natürlich für die Regierungsbildung völlig legitim, macht aber deutlich, dass diese Regierungsbildung nicht dafür stattfindet etwas zu gestalten, sondern etwas zu verhindern. Sie soll nämlich ein Bypass für die AfD bzw. eine von ihr initiierte konservative oder rechte Wende in der Politik sein.

Nur so ist nämlich erklärlich, dass neben einigen Bürgern, die längst ihren Frieden mit der Merkel-CDU gemacht haben und für die Schwarz-Grün eine frische Wunschalternative darstellt, auf Jamaika mit ebensolcher Euphorie reagieren wie das (linkshegemoniale) mediale Establishment. Es kommt sozusagen zusammen, was in den letzten Jahr immer organischer zusammen gehört und die moralisch erhabene Migrationspolitik fortführt. Und natürlich blockiert sie die Ambitionen der Alternative für Deutschland und jetzt wieder mit dem Rechtspopulismus flirtenden CSU und FDP. Wir erleben die Selbstinszenierung all dieser Parteien und noch stärker der Grünen als auch deren Fremdinsnzenierung durch die Medien eben auch als eine Koalition der demokratischen Kräfte gegen den rechten Ansturm der Steppe könnte man meinen und baut auf die Verhetzung, die man im Vorfeld der Wahl betrieben hatte. Manch einer ist von seinem Narrativ wohl auch mehr als überzeugt. Diese eigentlich in allen Belangen kränkliche Koalition wird zu einer gar nicht mehr angezweifelten Notwendigkeit, die sogar begrüßt wird.

Das Narrativ, das sich hierbei am hartnäckigsten hält und quasi als Legitimation für diese Scharade herhalten musste, ist die des Wählerauftrages. Die CDU hätte einen Wählerauftrag erhalten die Regierung zu bilden und deshalb seien diese Verhandlungen so zu führen. Tatsächlich ist das eine glatte Fehleinschätzung. Die CDU hat ebenso wie die SPD massiv bei der Wahl verloren und Frau Merkel hat nicht den Anstand besessen die verfehlungen ihrer Politik und damit ihre eigenen Verfehlungen einzusehen und die Konsequenzen zu ziehen. Sie ist nicht zurückgetreten, um diesen Wählerwillen zu würdigen. Vielmehr ist in ihrer Niederlage allein aufgrund ihrer allgemeinen Größe die CDU nur auf dem Punkt geblieben stärkste Partei zu sein und damit ein „Vorrecht“ auf erste Sondierungen zu haben, während freilich jede Partei eine rechnerisch mögliche Koalition begründen kann. Doch die Politik Merkels wurde eindeutig abgewählt. Das Mandat zur Regierungsbildung hätte allein darin bestehen können, diese Regierung ohne die Altlasten der Regierung Merkel zu bilden.

Und noch etwas wurde abgewählt: Linke Politik. Die SPD ist nach einer Legislatur, in der sie faktisch sogar eine Menge ihrer sozialen Forderungen umsetzen konnte, mit Krachen aus der Regierung befördert worden. Die verlinkte CDU hat ebenso Federn lassen müssen. Die Kräfte die profitiert haben sind eine FDP, die traditionell eher rechts ist und sich als Kopierpartei schamlos bei der AfD bedient und somit gepunktet hat und eine CSU, die ihren endgültigen Sturz dadurch verzögert hat, in dem sie auf Distanz zu Berlin gegangen und in Nähe zu AfD-Forderungen getreten ist. Und natürlich der grandiose Erfolg der AfD selbst als drittstärkster Kraft. Am Ende hat der Bürger wenn überhaupt ein Mandat für eine rechte, konservative, einwanderungskritische und -begrenzende Politik erteilt. Eine Politik, die eine CDU die tatsächlich noch konservativ wäre, hätte auch mittragen können.
Stattdessen verkauft man uns Jamaika, also Schwarz-Grün im Instabilitätsformat als den eigentlichen Wählerwillen, obwohl es nur ein fauler Formelkompromiss der Machterhaltung wäre. Die verlinkte CDU unter Merkel, die die letzten Jahre ihre Verachtung für das eigene onservative Erbe und ihre Liebe zur grünen Partei deutlich gemacht hat, als auch die grüne Partei würden daher diese Koalition stark prägen und hegemonialisieren und gerade im Kernstreitpunkt Migration und Flüchtlinge, aber auch in anderen Bereichen (bspw. der Umwelt) eine links-grüne Ordopolitik aus dem Lehrbuch und ein Weiter so der verfehlten Migrationspolitik exekutieren. CSU und FDP würde man mit Lippenbekenntnissen und butterweichen Obegrenzen abspeisen. Zumindest war das der feuchte Wunschtraum mancher Kommentatoren und Wähler, für die die grundsätzliche Richtigkeit Merkelscher Aufnahmepolitik und der Erhalt der bestehenden Linkshegemonie Staatsräson ist.
Am Ende also ist zu konstatieren: Der Wähler straft die linke Politik an der Wahlurne ab, aber eine links-grün dominierte Jamaika-Koalition des Weiter so, soll der Wählerwille sein. Wer so denkt für den ist im Orwellschen Sinn tatsächlich Krieg = Frieden, Hass = Liebe und Unfreiheit = Freiheit.

Die Prognose

Schon vor der Wahl zog ich Jamaika in Betracht unter der Bedingung, dass die Grünen in den Bundestag einziehen würden. Damals konnte man ja noch hoffen, dass #grueneversenken funktionieren würde. Wir wurden leider mit dem Gegenteil und einem noch viel zu guten Ergebnis dieser inzwischen völlig irrationalen Partei überrascht. Aber ja der Weg für Jamaika war damit frei, denn das die AfD stark abschneiden würde, war längst klar und das es für eine Option ohne SPD nur mit einer dritten Partei reichen würde. Auch wenn ich nicht mit einem derartig starken Rutsch bei der CDU gerechnet habe. Hat sich das Ganze bewahrheitet. Es war schnell klar, dass die SPD ihr Heil eigentlich nur noch in der Opposition suchen konnte. Die Wunden konnte man sich nicht noch einmal in einer durch und durch vergifteten Koalition lecken, ansonsten wäre man spätestens bei der nächsten Wahl endgültig im Koma.

Meine ursprüngliche Überlegung war, dass Jamaika auf jeden Fall ans Laufen kommen würde. Das stand für mich eigentlich kaum in Frage und es eher die Frage wäre, wie lange die Koalition halten würde bzw. wie lange sie handlungsfähig bliebe, denn schließlich könnte Merkel auch anders als ihr Vorgänger Schröder einfach vermeiden die Vertrauensfrage zu stellen, um ihre vierte Amtszeit abzuschließen, egal wie unwürdig.

Es gab für mich durchaus Gründe dieses Szenario als wahrscheinlich anzunehmen. Natürlich ist man ja selbst teils auch Opfer der Berichterstattung, die diese Option wie beschrieben sehr nahegelegt haben, andererseits gab es noch andere Punkte zu beachten. Christian Lindner hatte bspw. die gerade nach der letzten Wahl zetrümmerte FDP gesammelt und aus dem Stand heraus mit einem guten Ergebnis aus der APO zurück in den Bundestag gebracht. Diesen Sprung zurück ins Parlament dann auch noch mit einer direkten Beteiligung an der neuen Regierung zu krönen, hätte seine Position an der FDP-Spitze auf Dauer gesichert und er hätte womöglich den verstorbenen Guido Westerwelle damit auch deutlich überflügelt und sich seine Sporen und seinen Platz in der FDP-Ahnangallerie damit verdient. Die Regierungsbeteiligung anzustreben und dabei durchaus flexibel zu sein (zumal man mit gegensätzlichen Tönen bereits sowohl in die rechte als auch die linke Richtung geflötet hatte), was die eigenen Forderungen angeht.

Die CSU nahm ich in der Konstellation nicht wirklich Ernst. Auch nicht ganz zu Unrecht in Anbetracht der letzten Jahren, musste man sie kaum als etwas anderes als das Anhängsel der CDU bewerten, als den zahnlosen bayerischen Bettvorleger Merkels. Im Prinzip käme es auf die CSU auch final nicht an, denn schließlich ist auch der bayerische Fuß in der Tür in Berlin womöglich wichtig für den Einfluss der Regionalpartei auf die auch sie betreffende Bundesebene, das sie Kröten zu schlucken bereit ist.

Bleiben noch die Grünen. Im Gegensatz zur SPD waren die Grünen seit Ende der Ära Schröder nicht mehr an der Regierung beteiligt gewesen und tatsächlich hatten sie mit Merkel eine Verbündete, die bereit wäre, grundsätzliche Forderungen auch zu unterstützen oder gewähren zu lassen. Eine Möglichkeit einerseits politische Vorhaben und reine Lehre, die bei den Grünen traditionell noch wichtiger sind als reine Machtbeteiligung umzusetzen, andererseits mit der erneuten Regierungsbeteiligung wieder in den Genuss von Posten und Postenbesetzungsstellen zu kommen, ebenso wie an reichlich gefüllte Fördertöpfe für grüne Herzensprojekte. Mit Göring-Eckhardt finden wir dann auch einen Merkel habituell sehr ähnlichen Charakter an der Spitze der Partei mit dem seit Jahren unübersehbaren Drall ins besser gestellte progressive Bürgertum, ein quasi grün-konservatives Eliten-Millieu, auf das sich auch Winfried Kretschmann in Baden-Würtemberg stützt. Es stand zu erwarten kompromissbereit genug zu sein, um diese Machtmodell auch im Bund mit all seinen Vorteilen zu etablieren.

Über die CDU habe ich an der Stelle kein Wort verloren, denn über die wird gleich im Anschluss zu sprechen sein. Nur soviel, um kurz vorzugreifen, bleibt festzustellen, dass deren Position an dieser Stelle nämlich gar nicht von Relevanz ist.

Jamaika als einem Utopia linksgrünen hurra-christlich progressiven Bürgertums standen dann nur noch profane Koalitionsverhandlungen im Weg, von denen ich dann eben ausging, dass sie unter der Moderation der erfahrenen Gegensätze-Beseitigerin Merkel und angesichts des grundsätzlichen Interesses aller Parteien an einer Regierungsbildung über die Bühne gehen würden. Freilich gab es eklatante Gegensätze zwischen den Parteien, aber ich hielt sie angesichts der Verlockungen, die die Macht der Regierung bot, für schnell überbrückbar. Tatsächlich hatten alle etwas zu gewinnen und man konnte konkrete Absprachen zu den wirklich strittigen Themen, eigentlich nur der Migrationspolitik, mit Absichtserklärungen vermeiden und auf später vertagen, wenn die Regierung bereits ihre Arbeit angetreten hätte.

Denn wie Hannibal seinerzeit vor den Toren Roms stand, schwebte über dem Ganzen das dräuende Fallbeil von Neu-Wahlen. Auch wenn ich die Meinung vieler Kommentatoren nicht teile, dass die AfD aus diesen unbedingt gestärkt hervorgehen würde (auch angesichts des Verhaltens der FDP der letzten Wochen) musste es dennoch eine Drohkulisse sein, die man zu fürchten hatte und die disziplinierend wirken könnte.

Meine Prognose war also: Ja Jamaika wird kommen, man wird sich erstmal zusammenraufen. ABER diese Koalition wird wohl nicht die komplette Legislatur hindurch halten, allerdings könnte man mithhilfe des Regierungsbonus freilich besseren Wahlkampf machen und hätte bis zum endgültigen Bruch Zeit seine Schranzen auf Posten zu hieven und die ein oder andere Initiative anzustoßen oder mit weiteren Geldern vollzupumpen. Demokratie leben und so.

Doch erweist sich angesichts der massiv zähen Koalitionsverhandlungen und dem erstaunlich starken Rücken aller Parteien, einschließlich der Grünen und FDP diese Prognose für mich inzwischen recht unüberraschend überraschend als falsch. Ich habe einen Faktor wohl unterschätzt, der das lange funktionierende System Merkel massiv stört und die Reisegesellschaft ins jamaikanische Utopia womöglich noch in dieser Nacht oder in den kommenden Tagen zum Kentern bringen könnte.

Das „System Merkel“

Das ist wohl ein guter Zeitpunkt um nun auf die CDU zurückzukommen. In der Nachschau betrachtet kann man natürlich fragen, wie weit handelt Merkel ideologisch, wie weit machtpolitisch und wie weit kommt ihre ideologische Disposition ihren machtpolitischen Ambitionen entgegen. Ich hatte dazu noch einen Artikel in Arbeit, also verschiebe ich das an der Stelle mal und will mich dem System Merkel widmen.

Dieses gewinnt an sich auch jetzt erst mit dem Abstand von mehreren Legislaturen als Anschauungsmaterial Form und mit der Negativfolie der derzeitigen Koalitionsverhandlungen Kontur finde ich. Konnte man nach der ersten GroKo noch von Glück oder Erfolg reden, erkannte man nach der schwarz-gelben Koalition langsam ein Muster, so kann man wahrscheinlich der letzten Legislatur wirklich von einem System oder einem Erfolgsrezept sprechen.

Manch einer Kommentator, vor allem verbitterte Alt- oder Ex-CDUler sprechen was Merkel angeht von einem linken U-Boot, das die Partei unterwanndert hat und unterschieben ihr quasi ideologische Motive für die Sozialdemokratisierung bzw. den Linksruck der CDU. Tatsächlich muss man festhalten, dass Frau Merkel in vielen sozialdemokratischen Politikfeldern weder mit Herz, noch mit Einsatz oder manchmal überhaupt einer über das Allgemeine hinausgehenden Wortmeldung dabei war. Sie hat Politikfelder z.B. den Umweltschutz (Klimakanzlerin) besonders dann eifrig besetzt, wenn es dafür gerade öffentliche Unterstützung einzuheimsen gibt. Unter diesen Aspekt ist dann auch zu fragen, ob Merkels liberale Flüchtlingspolitik ihr tatsächlich ein Herzensanliegen ist oder ob sie sich dabei doch auch auf den Zuspruch damals der Bevölkerung, heute nach wie vor des medialen Establishments stützt.
Wenn man sich ihre sonstige Politik ansieht ist sie eher geprägt von rationalen Entscheidungen, entweder danach welche Politik ihr für die gestellte Situation die beste deucht oder welche von verschiedenen zur Auswahl stehenden realistisch durchzusetzen oder umzusetzen ist. Deshalb blüht sie in „Krisen“ auf, weil diese ohnehin die Handlungsmöglichkeiten beschränken und versinkt in der gestaltenden Tagespolitik ins Unbestimmte, weil ihr offenbar langfristige Vorstellungen einer Zukunft für Deutschland abgehen.

Und hier kommt das System Merkel ins Spiel. Angesichts des grandiosen Wahlerfolgs der CDU bei der Wahl 2013 wagte so mancher ja schon von einer absoluten Mehrheit zu träumen. Eine Situation die für Frau Merkel eher einem Alptraum gleichgekommen wäre, da die unter ihr reaktiv gewordene CDU dann hätte einzig führen und Politik initiieren und damit auch verantworten müssen. Und schlussendlich nicht nur die Partei sondern auch sie als Vorsitzende.

Der Modus von Merkels Kanzlerschaft ist jedoch nie die absolute Mehrheit gewesen, die hätte sie fürchten müssen, sondern der Modus der Koalition. Insbesondere die Bequemlichkeit der Großen Koalitionen mit ihren breiten Mehrheiten, der breiten fast schon überparteilichen Akzeptanz in der Bevölkerung und einer Form der Übereinstimmung, für die Konkordanz statt Konsens wohl ein passenderer Begriff wäre. Tatsächlich war die Koalitionszeit mit der FDP dann doch eher ungemütlich. Doch das ganze Chaos lastete man sehr einfach der Chaostruppe FDP an, die nach der langen Entwöhnung von der Macht noch gar nicht so recht wussten, wie der neue politische Laden unter Merkel lief.

Das System Merkel ist ein System der Machtteilung und vor allem Verantwortungsverteilung. Seine Basis ist die Koalition. Hierbei wird nämlich dem Koalitionspartner die Aufgabe zuteil als Juniorpartner hauptsächlich die politischen Initiativen vorzugeben. Das Funktion besonders dadurch gut, dass natürlich die Juniorpartner sich für die nächste Wahl besonders profilieren müssen, um weiter zu wachsen, im Fall der SPD die Regierung zu übernehmen oder zumindest ihren Status zu erhalten, wie bei der FDP. Sie bringen neue Ideen und Initiativen ein und versuchen sie durchzusetzen und platzieren sich damit auch prominent in der Öffentlichkeit. Doch gleichzeitig übernehmen sie damit einen Großteil der Verantwortung.

Die Rolle der CDU hierbei ist es nicht den Ton anzugeben sondern als eine zunehmend gesichtslose Kraft, denn Merkel feilt zusammen mit Konkurrenten, die ihr gefährlich werden können, auch die Ecken und Kanten des Parteiprofils ab, quasi die Regierung zu verwalten. Es werden für das eigene Klientel noch Scheindebatten inszeniert, während man im Hintergrund mehr als kompromissbereit ist und öffentlich nur etwas auf die Bremse drückt, um die geplanten Vorhaben der jeweiligen Partner so zu mäßigen, dass sie der Bevölkerung keine Angst mehr machen müssen.

Frau Merkel, die sich selbst ohnehin kaum öffentlich in die Parteipolitik involviert erhält sich damit den Ruf einer über diesen Dingen schwebenden Sachvalterin, obwohl ihre Partei freilich schon halbwegs weisungsgebunden eher Kompromisse als Streits anstrebt. Und es wird so aufgenommen als öffne Merkel die CDU dann für die progressiven linken Ideen ihrer Koalitionspartner, was ihr dann selbst von bürgerlichen Linken positiv ausgelegt wird.

Das ganze führt zu drei entscheidenden Vorteilen. Zunächst können ihr durch ihr distanziertes Vorgehen Fehler nur schwer angelastet werden. Vielmehr sorgt selbst die Zähmung ihrer Partei dafür, dass gerade der Koalitionspartner als irrationaler Heißsporn oder eben als Chaostruppe dasteht, wenn es mal schiefläuft oder Streits eskalieren. Die Verantwortung wird also in spielfeld des Koalitionspartners abgeschoben. Gleichzeitig profitiert Merkel und mit ihrer Person auch die CDU als Chefin und Repräsentantin der Regierung dann aber das Lob dafür, wenn etwas gut läuft, ob es tatsächlich ihre Politik war oder sie überhaupt etwas dazu getan hat, ist dann unerheblich.

Das führt schließlich dazu die CDU zu einer Projektionsfläche für Wählerschichten aus den jeweiligen Partnerparteien aufzubauen. Man weis nicht so recht wofür die CDU steht oder glaubt sie würde eigentlich für konservative Politik stehen, aber wenn ich Merkel wähle, dann kriege ich schon das, was ich will. So ist es innerhalb von zwei Legislaturen gelungen die linke Mitte der SPD hart abspenstig zu machen und sie quasi zwischen sich und der Linkspartei zu zerreiben. Und die 2013er Wahl kann man in ebensolcher Weise deuten, dass die Leute, die mit der GroKo unzufrieden waren und schwarz-gelb wollten, dann vor einer gelben Chaostruppe standen und dann lieber der stabilen Angela fast zu einer Alleinregierung verhelfen wollten, denn in sie und die CDU war das Vertrauen offenbar nicht erschüttert.

Mit einem gewissen Kalkül nimmt man quasi der Konkurrenz, insbesondere wenn man mit ihr verpartnert ist, noch vor den Wahlen die Themen weg, besetzt sie selbst und lässt sie mit den eigenen abstrusen Vorschlägen willfährig gegen die Wand laufen, um die Folgen dann an sich abperlen zu lassen, um sich als vernünftige Alternaitve zu inszenieren. Den Vorstoß zur Ehe für alle kann man wohl auch kaum anders bewerten als dieses Reizthema noch vor der Wahl von der Agenda zu nehmen. Merkel mag nominell dagegen gewesen sein, ein letztes konservatives Feigenblatt, am Ende zählt aber nur, dass es ihre Entscheidung war, die den Weg dafür freimachte. Kritik daran kam hauptsächlich von rechts, denn links war man noch gefangen in der Freude über die aus heiterem Himmel angesetzte und gewonnene Abstimmung.

Das besonders Perfide natürlich an dieser ganzen Art der Regierungsführung insbesondere in Richtung links, wie kann man eine Regierung bzw. seine Partner-Partei dafür kritisieren, dass sie die Politik hat durchgehen lassen, die man selbst wollte oder als Opposition wie soll man eine Regierung für eine Politik angreifen, die man selbst ebenfalls wollte. Das funktionierte insbesondere in Zeiten der linken Hegemonie im Parlament mit der Einmütigkeit in zentralen politischen Fragen (wie Migration, wie Europa) dann besonders reibungslos.

Die Grenzen des Systems Merkel

Es mag daher eine gewisse Ironie sein, dass die konsequente Anwendung dieses Prinzips in der Migrationsfrage jedoch wohl das Ende des Systems Merkel besiegelt hat, wobei die Kanzlerin hierbei einen fatalen Fehler beging. Angesichts der breiten Solidarisierung in 2014 und 2015 mit dem Sommer der Willkommenskultur und noch bevor die drastischen Folgen der Aufnahmepolitik offenbar wurden, wäre es aus PR-Sicht sträflich gewesen, nicht die Welle der gutmenschlichen Selbstlosigkeit und zugleich Selbstfeierung zu reiten, doch Merkel bezog anders als im Vorfeld des Atomausstiegs eine Position, die sie zu lange nicht revidierte bzw. relativierte, sodass als der Punkt gekommen wäre, eine Kehrtwende zu vollziehen, ohne als deutliche Heuchlerin dazustehen. Auch das ist relativ zu betrachten, denn noch immer hält man ihr die Stange für ihre Standhaftigkeit. Allerdings hatte sie hier eine umstrittene politische Position zentral mit sich, ihrem Gewissen und ihrer Person verbunden. Damit waren sie und die CDU jetzt angreifbar geworden. Eine Handlung, die wohl zu den Verlusten bei der Wahl beigetragen hat, weil sie eben mit der SPD, den Grünen und den Linken damit endlich mitgehangen hatte und mitgefangen wurde: die CDU nichtmehr als überparteiliche Alternative sondern ebenfalls als Teil des Problems. Diese Verluste der CDU (und der anderen Parteien) sowie die Weigerung der SPD sich noch einmal für eine Regierung Merkel zu verwenden, schränken den wichtigsten Pfeiler des Merkelschen Systems ein: die Fähigkeit Koalitionen zu bilden.

Wie beschrieben basiert Merkels Herrschaft nach meiner Anschauung vor allem darauf die Initiative und die Verantwortung an einen kleineren Koalitionspartner deligieren zu können, weshalb Koalitionen gebildet werden müssen und vorzugsweise mit solchen Parteien in deren Gefilden man stark wildern und seine Macht verfestigen kann. Die besondere Zuneigung von Merkel zur SPD wird damit denke ich verständlich. Außerdem ist außer in Zeiten absoluter Mehrheiten die Koalition ohnehin Bedingung für die Regierungsfindung.
Da die CDU mit einiger Gewissheit und dank der Schrumpfung der Koalitionspartner die Regierung stetig anführen würde, war nur die Frage danach zu klären, welche Partei sich hingibt.

Für die Merkel-CDU war es deshalb die wichtige zentrale Entscheidungen das Portfolio mglicher Koalitionen zu erweitern. Galt die GroKo zunächst als eine Notlösung für das dipolare Parlament war es auch noch vor der Wahl und dem desaströsen SPD-Ergebnis quasi die natürliche Merkelsche Option. Eine GroKo, die man dann als Bündnis der demokratischen Kräfte gegen die AfD legitimieren könnte, gilt ja immer noch als ein Notfallplan für gescheiterte Jamaika-Verhandlungen ohne Neuwahlen. Schwarz-Gelb ist zudem das klassische Gespann der Konservativen und für eine marktliberale FDP wohl auch die einzige sinnvolle Option. Mit dem Linksruck der CDU und eines Öko-Konservatismus der Marke Kretschmann war auch die Schwarz-Grüne-Option auf dem Tisch, die Merkel in den letzten Jahren ja auch förderte. Das Merkel sich aussuchen könne, mit wem sie koaliert war dann bald eine Phrase, die die praktische Alternativlosigkeit ihrer Herrschaft unterstrich.

Da wir den Linksruck ansprechen, kann man ja fragen, wie denn mit einer CDU all diese Koalitionsoptionen, insbesondere mit den Grünen, reiblungslos abgehen könnten? Wie beschrieben ist es nicht allein ein Linksruck, sondern auch eine Gesichtslosmachung. Denn tatsächlich wenn zwei Partein mit eigenen Interessen in Verhandlungen treten bleibt ein nicht kleines Risiko, dass womöglich keine Koalition zustande kommt. Dieses Problem wurde über die Jahre mit der Entkernung der CDU eingedämmt. Mit internen Kritikern und Konkurrenten entfernte Merkel sowohl Meinungsalternativen (bspw. Vertreter eines starken Konservatismus wie Friedrich Merz) innerhalb der Partei als auch Ecken und Kanten nach außen, die auf andere Parteien hätten abschreckend wirken können. Man erschuf einen zunehmend größeren Leerraum aus der Partei, den man dazu nutzen konnte, um mit dem oben beschriebenen Verfahren die Positionen der Koalitionspartner an sich zu ziehen.
DIe CDU verlor damit ihr Profil, insbesondere ihr konservatives, und wurde zu einer gesichts- und weitestgehend identitätslosen Regierungspartei, die sich vor allem überparteilich und damit maximal anschlussfähig präsentiert. In gleichem Maße wie das Angebot an starken Konkurrenzcharakteren schrumpfte, werde Merkel selbst immer wichtiger und alternativloser für die Partei, gleichermaßen nahm aber auch ihre Beliebtheit in der Bevölkerung als über der Parteipolitik schwebende Monarchin zu, was wiederum der CDU gute Wahlergebnisse, eine sichere Regierungsführung und damit einen dauerhaften Zugang zur Macht sicherte. Die CDU tauschte ihre Profil, Identität und Standpunkte gegen Macht ein.

Deshalb ist die Koalitionsfindung kein Problem. Wichtig ist das sie zustande kommt und dann durchregiert werden kann. Die CDU wirkt in den Verhandlungen mäßigend auf die Forderungen des Partners ein, aber das Profil ist derartig butterweich, dass es bei Fragen nach dem Was kaum zu Problemen kommt, die nicht zugunsten der Regierungsetablierung beiseite geräumt werden als eher nach dem Wie, wo dann aber entsprechende Kompromisse gebildet werden können.
Merkel ist mit ihren Koalitionen so erfolgreich, weil die CDU kaum als eigene Verhandlungskraft auftritt, im Zweifel steckt sie zurück, solange die Regierung zustande kommen kann.

Und damit kommen wir zu den Grenzen des Systems, das jetzt in den Jamaika-Verhandlungen an Konturen gewinnt. Damit das System Merkel weiterlaufen kann wie bisher sind sichere Koalitionsmöglichkeiten erforderlich. Wegen des Starken Abschneidens der AfD und der Weigerung der SPD steht nur noch Jamaika als einzige Alternative offen, was eine strategisch unangenehme Sackgasse bildet.

Un die Jamaika-Koalition hat den Nachteil das sie ein Drei-Parteien-Bündnis ist. Eigentlich ein Vier-Partein-Bündnis, denn tatsächlich ist es in dieser Konstellation tatscähclih relevant die CSU als eigenständig hervorzuheben. Das große Problem dieser Verhandlungen ist in zentralen Problemen, eigentlich DEM zentralen Problem, nämlich der Migrationspolitik auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen.

Bei den Gründen für meine oben angeführte Prognose ging ich von einer rational zu begründenden Kompromissbereitschaft aller Parteien aus, die es möglich machen würde, dieses Thema entweder beiseite zu lassen oder sich auf einen Formelkompromiss zu einigen, zumindest von einer der beiden Seite. Während die ideologiegetriebenen Grünen zwar auch Gründe hätten nachzugeben, stand eher zu erwarten, die FDP (die sich vor dem Kopieren der AfD durchaus migrationsfreundlich gezeigt hatte) würde eher nachgeben und mit ihr auch die CSU. Was ich bei dieser Prognose unterschätzt habe, war das Drohpotenzial des schlechten Abschneidens der CSU bei der Bundestagswahl und die Drohkulisse der kommenden Landtagswahlen. Sowohl die CSU als auch Lindner haben eine Menge zu verlieren. Die FDP insbeosndere, da ein guter Teil ihres Erfolges darauf gründet, dass man ihr lieber eine zweite Chance gegeben hat, statt direkt AfD zu wählen. Und das könnte ganz schnell umschlagen, wenn man nicht liefert. Die Grüne Basis selbst ist ideologiegetrieben und dürfte ihre Parteiführung geradezu zerreißen, wenn es bei einer harten Haltung, wie sie FDP und CSU in Fragen der Migrationspolitik versprochen haben, bleibt.

Wir haben tatsächlich eine Situation widerstreitender, sich absolut ausschließender Positionen, bei der beide Kontrahenten eigentlich nicht nachgeben können, ohne ihren Leumund und damit das Wohlerhegehn ihrer Parteien zu riskieren oder gar zu ruinieren.
Moderation und Führung von der designierten Regierungschefin wäre wohl gefragt, aber eigentlich kann sie nichts tun. Wie Friedrich von Osterhal anhand von Aussagen Claudia Roths zutreffend bemerkt:

Für Verhandlungen muss es Spielraum für Kompromisse geben, die gibt es in diesem Fall weder von gelb noch von grün, nicht weil sie nicht gewollt, sondern weil sie schlicht nicht möglich sind und damit ist eigentlich die Verhandlung praktisch am Ende.

Merkels viel gepriesene Verhandlungsstärke funktioniert hier nämlich nicht. Ihre Fähigkeit auch gegen scheinbare Widerstände Koalitionen zu bilden, basierte bisher nicht darauf, dass sie geschickt moderieren und Interessen ausgleichen konnte, sondern das zugunsten der Macht und ihrer Macht, die unter ihrer Führung stehende CDU im Zweifel sich selbst verbogen und den Weg frei gemacht hat, solange er zur Koalition und damit zur Regierung führte.
Doch jetzt ist es nicht mehr CDU/CSU +1 sondern CDU + 2 + 1. Selbst wenn die Union Konzessionen in beide Richtungen machen würde, denn es wird gewiss nicht an der Merkel-Partei scheitern, kann kein Kompromiss bezüglich sich ausschließender Positionen gefunden werden und auf die FDP oder die Grünen hat Merkel eben keinen Einfluss und der Einfluss auf die angeschlagene CSU schwindet.
Bei drei Parteien mit unvereinbaren Interessen, wo es es nicht mehr reicht, dass sich nur eine von ihnen gänzlich profillos zurückhält, hat das System Merkel seine Grenzen erreicht.

Und ein System Merkel, dass die Aufgabe des eigenen Profils, der eigenen politischen Standpunkte und Glaubwürdigkeit nicht mehr mit guten Wahlerfolgen und Führung der Regierung belohnt, im Gegenteil sogar zu Verlusten führt, wird die Partei nicht mehr akzeptieren können. Selbst in einer Partei ohne starke Alternativen wird sich schon eine von der Leyen finden, die die Königsmörderin geben wird.

Wenn Jamaika vorzeitig scheitert und die SPD nicht bereit ist für die Anti-AfD-Koalition doch noch in den Ring zu steigen, dann sind die Tage von Merkels Kanzlerschaft und ihrer politischen Karriere gezählt. Eine Minderheitsregierung wird es nur ohne sie geben, einen neuerlichen Wahlkampf mit ihr wird man kaum mehr rechtfertigen können. Eine Ära muss man sagen, wäre dann zu Ende.

Der ständige Schatten über den Verhandlungen

Und da bei aller nautischen Inselromantik eine Metapher ganz besonders nicht fehlen darf: Wer ist denn nun der Eisberg, der die MS Merkel noch auf ihrer Reise nach Jamaika gerammt hat, sodass das Schiff nun zu kentern droht, bevor es im tropischen Paradies ankommt? Der Eisberg ist hellblau und trägt die Aufschrift Alternative für Deutschland. Ein nicht wenig bekannter YouTuber merkte kürzlich in einem weiteren Anflug infantiler Hetze, dass die AfD nur im Bundestag sei, um sich die Taschen zu füllen und Nichts leistet.

Wie schon mehrfach betont, leistet die AfD seit ihrem Bestehen sehr viel für die demokratische Kultur, die jetzt ein Rechts und damit eine Alternative zum System Merkel und der damit verbunden linken Diskurshegemonie bietet. Tatsächlich würden wir ohne die AfD wohl kaum vor dieser Situation stehen, wie sie sich uns jetzt bietet.

Auch ohne die AfD dürfte die Wahl für die SPD kaum glimpflich abgegangen sein, vielmehr stünde womöglich schwarz-gelb mit einer starken FDP oder doch immer noch Jamaika auf der Tagesordnung. Ohne die AfD aber, die das rechte Feld quasi in Bewegung und in Unruhe versetzt hat und die etablierten Parteien richtigerweise vor sich hertreibt, also jagt, dürfte wohl kaum davon ausgegangen werden das Lindner und seine FDP ihre noch vor einem Jahr demonstrierte offene und tolerante Haltung gegenüber Migranten fundamental durchdacht hätten. Zugleich wäre also die Möglichkeit und Bereitschaft gewesen mit Merkel business as usual als Fortsetzung der Wilkommenskultur-Koalition zu machen.

Ein fiktives No-AfD-Jamaika wäre fraglos so auch leichter zu bewerkstelligen gewesen. Die FDP mag vielleicht nicht sooo offen gewesen sein wie die Grünen, wäre aber sicher in der Lage gewesen sich irgendwo in der Mitte zu verständigen.

Mit der AfD geht das alles nicht mehr. Die Partei ist da und hat eine klare Haltung zur Migrationspolitik und weis dabei eine breite Mehrzahl der Bürger zumindest in dieser Ansicht hinter sich. Wer mit der Mirationspolitik der Kanzlerin nicht mehr einverstanden war, konnte nun diese Partei wählen. CSU und FDP haben sich also also etwas wie früher im Stile migrationsskeptischer Law & Order-Politik inszeniert, sich quasi AfDisiert und deren Positionen kopiert. Der AfD hängt natürlich dank der medialen Hetze ein gewisser Ruch an und da wundert es nicht, wenn die Bürger doch noch nach Strohhalmen greifen um bloß nicht die bösen Rechtspopulisten zu wählen. Sie wählen die FDP und CSU für AfD-Politik, die nicht von der AfD gemacht wird. Es ist ein Vertrauensvorschuss oder im Fall der FDP eine zweite Chance.

Und trotzallem war es nicht gelungen die AfD zu marginalisieren, sie ist stattdessen zur drittstärksten Kraft geworden. Damit hat sie nicht nur eine bequeme Bildung gemächlicher „Weiter so“-Koalitionen blockiert, sondern sie sitzt jetzt als direkter oppositioneller Mahner (etwas das man aus Merkelzeiten gar nicht mehr so recht kannte) im Bundestag und wird CSU und FDP jederzeit mit Freuden die Leviten lesen, wenn diese von ihren Versprechen abzurücken wagen. Sie sind für diese Legislatur defintiv eine feste Größe mit der auch bei den kommenden Landtagswahlen zu rechnen ist.
Was so nicht möglich ist: Die FDP und die CSU können nicht mehr, gerade nicht in den Jamaika-Verhandlungen, hinter ihre Zusagen aus dem Wahlkampf zurück. Sie würden den Vorwurf Umfaller und Bettvorleger, Huren der Macht zu sein aufs deutlichste bestätigen und zeigen, dass eine rechte Wende in der Flüchtlingspolitik selbst mit den Rechtsauslegern der Ära Merkel nicht mehr zu machen ist. Die Folgen: Die FDP würde sich ihren Ruf endgültig ruinieren und könnte schon bei den kommenden Wahlen wieder zur Kleinpartei absteigen. Ähnlich könnten sich massive Verluste für die CSU in Bayern subsumieren, die sie ebenfalls zu exotischen Koalitionen zwingen könnte. Weiteres Wachstum der AfD würde drohen, wenn sich die enttäuschten Bürger dann dem Original zuwenden, wenn die Kopien nur faulen Budenzauber zu bieten haben.

Die AfD fungiert hier als Korrektiv, als Sturm der die Reise nach Jamaika überschattet und alle Beteiligten daran erinnert, was drohen kann, wenn sie den falschen Kurs einschlagen.
Das Regieren wird wieder stürmischer, der Ton im Parlament debattenfreudiger und es gibt wieder denkbare Alternativen zu großen überparteilichen EInmütigkeit des Systems Merkel. Frischer Wind an der Spitze der Regierung als auch im Widerstreit von Regierung und Opposition und damit in die Demokratie kommt gerade durch diese unbequeme Partei.

Die AfD wird schon dann ihre Existenz gerechtfertigt haben, wenn allein das System Merkel, ein Projekt präsidialer, fast monarchisch anmutender, Alternativlosigkeit, linkshegemonialer Stumpfheit und anti-demokratischer politischer Ausgrenzung endlich versenkt worden ist.
Die FDP und CSU haben es selbst in der Hand, ob sie rechtzeitig ins Rettungsboot steigen oder wegen der nebulösen Verlockungen eines Tropenstrandes mit Merkel untergehen wollen.

Das BRD-Jamaika ist wie Utopia, ein Nicht-Ort, eine ideologische Fantasie. Vielleicht lohnt es sich für manch einen danach zu streben, doch wer glaubt diesen Ort mit Biegen und Brechen tatsächlich erreichen zu können, wird schließlich auf der Suche danach auf Hoher See untergehen.