Maaßen und das Sarrazin-Syndrom

Hans Georg Maaßen ist im Wahlkampf in Sachsen unerwünscht. In der Distanzierung des CDU-Ministerpräsidenten von ihm und im Einschlagen AKKs auf die Werteunion zeichnet sich ein Muster parteipolitischer Selbstschädigung ab, das ich das Sarrazin-Syndrom nennen will.

Hans Georg Maaßen ist im Wahlkampf in Sachsen unerwünscht. In der Distanzierung des CDU-Ministerpräsidenten von ihm und im Einschlagen AKKs auf die Werteunion zeichnet sich ein Muster parteipolitischer Selbstschädigung ab, das ich das Sarrazin-Syndrom nennen will.

Ich tippe diesen Beitrag mit einigem Lächeln. Vor einigen Tagen beunruhigte mich schon die Meldung, dass Hans Georg Maaßen, aus politischen Gründen entlassener Verfassungsschutz-Chef, für die CDU in Sachsen Wahlkampf machen wollte. Doch diese Sorgen haben sich inzwischen handstreichartig zerstreut.

Maaßen hat einen guten Ruf unter Rechten bzw. rechten Wählern. Selbst die AfD erkennt die Integrität des CDU-Mannes an, hat er sich doch offenbar verweigert den Verfassungsschutz als Instrument der politischen Hygiene zu missbrauchen, wie es sein Nachfolger jetzt weidlich tut (Androhung der Beobachtung der AfD; begründungslose Diffamierung der Identitären Bewegung als rechtsextrem). Maaßen hatte sich seinerzeit zudem geweigert die hysterische Hetzjagd-Lüge der Medien über Chemnitz zu unterstützen und dieser sogar widersprochen, was letztlich die Unerhörtheit war, die ihn sein Amt gekostet hat. Seit er Amt und nach ordentlicher Schmutzkampagne durch Parteien und Medien auch seine öffentliche Würde eingebüßt hat, spricht der Beamte auch häufiger in Medien wie der NZZ oder auf Veranstaltungen der konservativen Werteunion in der CDU deutlicher und auch deutlich kritischer.

Als das macht ihn unter Konservativen beliebt und für die CDU eigentlich zu einem sehr guten Feigenblatt. Die Werteunion, die seit Jahren das konservative Gewissen, der nach grün-bürgerlich abdriftenden Union mimt, hat mit ihm endlich auch ein Gesicht mit einer gewissen Popularität. Wir sollten uns über zwei Dinge nicht täuschen. Die Werteunion knurrt zwar ab und an, aber die Entscheidungen werden in ganz anders gearteten Kreisen gefällt. Die Reihe an Beispielen wo Werteunionisten aus der Partei zur Ordnung gerufen oder herablassend abgefertigt werden sind mannigfach. In die Parteiführung und damit in die Regierung hinein gibt es scheinbar kaum Strukturen, die in der Lage sind Einfluss auf die Politik zu nehmen. Im Gegenteil Parteichefin AKK hat kürzlich sehr deutlich gemacht, dass sie von der Werteunion rein gar nichts hält.

Die Werteunion wird vielmehr zu einem Sammelbecken für frustrierte CDU-Wähler und -Politiker, die den Absprung zur AfD nicht schaffen oder schaffen wollen, womit sie im Endeffekt auch das System Merkel (bald das System AKK) an der Basis stabilisieren, denn sonderliches Drohpotenzial besteht nicht, da die Werteunionisten offenbar kein Interesse daran haben von der Fahne zu gehen. Also kann man sie weiter mit grüner Politik gängeln und öffentlich desavourieren, denn es bleibt folgenlos.

Auf der anderen Seite – und darauf hat die Sezession mit Adresse an die AfD bereits hingewiesen – Leute wie Maaßen mögen womöglich in der Zukunft die Brücke zu einer Schwarz-Blauen Koalition sein (Österreichisches Modell) und deshalb tut man vielleicht gut an Kontaktpflege, aber Maaßen ist CDU-Mann durch und durch und seine Einladung auf AfD-Veranstaltungen (ebenso wie die anderer Werteunionisten) kann auch das Signal aussenden, dass die AfD nicht gebraucht würde, weil die viel bequemere Werteunion (mit weniger sozialen Kosten) lockt.

Und dieses Problem zeigt sich jetzt in den Wahlkämpfen in Mitteldeutschland besonders exponiert. Die AfD muss hier nicht nur wachsen. Aufgrund ihrer natürlichen Stärke im Osten gilt es vielmehr diese Stärke zu strategischen Siegen zu nutzen: Dass heißt die etablierten Parteien in übergroße Verliererkoalitionen zu zwingen, wie geschehen bei der Bürgermeisterwahl in Görlitz, damit sie sich weiter zur Kenntlichkeit entstellen oder selbst so dominant zu werden, dass die CDU um eine Koalition mit der AfD nicht mehr herumkommt, außer durch eine instabilie Minderheitsregierung.

Strukturell, insbesondere in Sachsen, muss also vor allem die CDU geschwächt werden (das Potenzial von Wählerwanderung aus linken Parteien wie der SPD zur AfD (Stichwort: sozialer Patriotismus) dürfte langsam ausgeschöpft sein) damit sie nicht als Zugpferd einer weitern GroKo mit einer Rumpf-SPD dienen kann. Und Maaßen und die Werteunion kalkulieren an sich richtig, dass mit einer konservativen Alternative in den traditionell patriotischeren und weniger kosmopolitischen Ostländern der Verfall der Union minimiert werden kann. Insbesondere wenn der Repräsentant dessen ein gestandener Beamter ist, der die Chemnitzer in Schutz genommen hat und auch in weiten Teilen der AfD anschlussfähig ist.

Seine Anwesenheit im Wahlkampf nicht als Bedrohung zu sehen, wäre demnach blauäugig gewesen. Allerdings hat sich dieses Problem inzwischen von selbst erledigt.

Michael Kretschmer, amtierender sächsicher Ministerpräsident und in der unangenehmen Position nach den Wahlen die AfD salonfähig zu machen, durch Gespräche oder durch eine Duldungsoption oder gar eine Koalition oODER einer übergroßen (und damit instabilen) Anti-AfD-Koalition der Verliererparteien vorzustehen, hatte sich Maaßens Einmischung in den sächsischen Wahlkampf verbeten, denn mit seinen Äußerungen zu Chemnitz habe dieser in der Vergangenheit schon genug Schaden angerichtet. Er habe, so Kretschmer, die damalige Debatte unnötig verlängert.

Ich glaube man weis, was man von einem Ministerpräsidenten halten muss, der lieber in Kauf nimmt, dass eine Stadt seines Landes und dessen Bürger als Nazis diffamiert werden und das Ansehen seines Landes durch Hetzjagden beschmutzt wird, als das er dem Mann Erkennung zollt, der schon damals die Redlichkeit besaß dieser von vorne bis hinten erfundenen Geschichte zu widersprechen. Im Übrigen etwas zu dem Kretschmer sich so deutlich nicht überwinden konnte.
Vielmehr scheint das Argument auch vorgeschoben zu sein, denn etwas anderes scheint hier deutlicher zu wirken.

Am deutlichsten können wir diesen Mechanismus in der SPD aber auch bei den Grünen beobachten. Wir haben eine Riege von Politikern, die in der Bevölkerung durchaus beliebt sind, die aber von ihren eigenen Parteien mit möglichst viel Ausgrenzung, Zurechtweisung und sogar einem deutlichen Vernichtungswillen bedacht werden. Eigentlich müsste man meinen, dass Parteien gerade solche Politiker nutzen würden, um Wähler und ganze Wählerschichten anzusprechen und gerade vor den Wahlen auf Tour zu schicken. Das Problem jedoch ist, dass diese Politiker deshalb so beliebt sind, weil sie unbequeme Wahrheiten aussprechen, auf Vernunft und Mäßigung beharren oder an einem klassischen Parteikurs festhalten und sich eben nicht auf „modernen“ und „progressiven“ einlassen wollen und diesem diametral zuwider handeln und sprechen.

Solcher Art parteipolitisch gehasste, aber beliebte Politiker sind Figuren wie Thilo Sarrazin, Heinz Buschkowsky, Boris Palmer und eben jetzt auch Hans-Georg Maaßen. Und diese Verhasstheit kann man nur mehr in einen klinischen Begriff kleiden, den ich nach dem infant terrible der SPD das Sarrazin-Syndrom nennen will, denn schließlich führt sie einer Autoimmunkrankheit gleich zu einem selbstschädigendem Verhalten.

Grundauslöser des Ganzen sind freilich die hypermoralisch-nervöse Gesellschaft oder besser (das sieht man an der nicht totzukriegenden Popularität von Sarrazin und den anderen) die Vertreter der hypermoralisch-nervösen selbsternannten  Öffentlichkeit, die eine solche imaginiert. Das Sarrazin-Syndrom nimmt genau da seinen Anfang, wenn Parteien (das Konzept wäre wohl auch auf Vereine oder Unternehmen übertragbar) dem Druck und den Standards der hypersensiblen Meinungswächter nicht nur nicht standhalten und widersprochen, sondern dessen Narrative in ihrer Legititmität bestätigen und sogar übernehmen. Man manövriert sich damit in eine Falle.

Man räumt den Vorwürfen nicht nur Substanz ein, man spricht ihnen eine übergeordnete moralische Berechtigung zu und macht sich selbst zum Sklaven, denn was man selbst einmal öffentlich zur eigenen Moral erklärt hat, kann man nicht mehr von sich weisen, ohne als Heuchler oder gleichsam moralisches verkommenes Subjekt zu gelten. Und dies zwingt einen schließlich, selbst zum eigenen Schaden, entweder Teil der Inquisition zu werden und sich in regelmäßigen Bußübungen zu reinigen oder selbst in die Grube der Verkommenheit herabgestoßen zu werden. Im Fall der SPD übernahm die Partei das Narrativ der Presse von den rassistischen und menschenfeindlichen Thesen eines Thilo Sarrazins und musste sich fortan von ihm nicht nur als Person sondern auch von einer auf seinen Aussagen basierenden Vernunftpolitik distanzieren, um nicht selbst als rassistisch und menschenfeindlich zu gelten.

Zur Folge hatte das eine zunehmende Entfremdung von dem Teil der Partei- und Wählerbasis, die Sarrazin zustimmte (und sich damit indirekt ebenso auf die Stufe von Rassisten und Menschenfeinden gestellt sah), die mit jeder weiteren Regung inquisitorischer Selbstreinigung (wiederholte Versuche des Parteiausschlusses) vertieft wurden und diese Leute zur dankbaren Wahlalternative trieb, die Sarrazins Thesen aufgriff und den Autor wertschätzte, statt ihn zu verdammen.

Das gleiche Spiel betreibt die CDU (speziell AKK und Kretschmer) im Fall Maaßen. Da sie damals in persona Angela Merkels das Hetzjagd-Narrativ der Medien übernahmen, musste der Widerspruch Maaßens als Unerhörtheit, ja sogar in Diktion linker Parteien als Liebäugeln oder zumindest Blindheit mit bzw. gegenüber dem rechten Rand gelten. Es gab keine Möglichkeit zurück, wollte man sich nun nicht selbst kontaminieren, in dem man den integren Beamten verteidigte oder einen Fehler eingestand, denn vom Podest moralischer Erhabenheit kann der Abstieg hart und schmerzhaft sein, kommt er doch meist einem Sturz ziemlich gleich. Das heißt trotz der auch in den letzten Monaten wachsenden Beliebtheit Maaßens an der Wählerbasis der CDU kann man ihn nicht nur nicht als Wahlkampfhelfer einsetzen, nein man muss im Sinne Kretschmers und AKK auf ihn (und die mit ihm verbundene Werteunion) direkt einschlagen, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen man dulde solche verderblichen Ansichten in der Partei. Und wiederum zwingt man damit die eigenen Wähler und oder konservativen Mitglieder entweder zum Bruch oder zum internen Widerstand.

Solange also das Sarrazin-Syndrom wirksam ist, könnte die fortgesetzte Anwesenheit und Präsenz eines Maaßens oder Sarrazins oder Palmers in CDU, SPD oder Grünen trotz ihrer Rolle als Feigenblätter der Vernunft für diese Parteien einen schädlichen und für die AfD nützlichen Entlarvungseffekt haben.

Europawahl und Artikel 13-Beben

Unter dem #niewiedercdu könnte die Debatte um Artikel 13 Auswirkungen auf die kommende Europawahl und die deutschen Landtagswahlen haben und womöglich die konservative Zwingburg der CDU für die AfD sturmreif schießen.

Unter dem #niewiedercdu könnte die Debatte um Artikel 13 Auswirkungen auf die kommende Europawahl und die deutschen Landtagswahlen haben und womöglich die konservative Zwingburg der CDU für die AfD sturmreif schießen.

Es steht uns ein Superwahljahr ins Haus in Deutschland. Mit den mitteldeutschen Ländern in denen die Parlamente neu gewählt werden als auch mit dem EU-Parlament gibt es für den patriotischen Widerstand vorrangig für die AfD neue Festungen zu besetzen. Zwar befindet sich die AfD bereits zum Teil in den Mühen der Ebene, aber noch erscheint der Druck im Kessel nicht groß genug zu sein, um stringent auf Veränderungen hinwirken zu können. Die Zwingburgen der anderen Parteien halten weiterhin Burgfrieden, um die verhasste Konkurrenz auszusperren. In dieser Hinsicht wird die europäische Ebene, denke ich, eine Schlüsselrolle einnehmen und ich möchte anlässlich einer aktuellen Debatte dazu kurz ein paar Gedanken hinterlassen.

Ich war immer der Meinung, dass rechte, nationale Politik sich gerade den Weg auf die supranationale Ebene bahnen MUSS. Man kann das von einer idealistischen Seite betrachten aber es gibt vor allem noch viel mehr pragmatische Gründe. Das können aktive Gründe sein, wie die Notwendigkeit sich Zusammenzuschließen, um in einem internationalen Wettbewerb, den es gibt und den man auch politisch nicht abschaffen, sondern nur einhegen kann, zu bestehen. Es können aber auch passive Gründe sein: Auch wenn manch einem Rechten die internationale Ebene nicht schmeckt, sie ist da, sie wird (unabhängig davon, ob das sinnvoll wäre oder nicht) nicht einfach so verschwinden, sie bestimmt zentral über die Handlungsmöglichkeiten nationaler Regierungen mit und vor allem ist sie ein Bollwerk unserer globalistischen Gegner. Diese können die nationale Ebene vernachlässigen, finden sie in Organisationen wie der EU doch einen geeigneten Hebel dem patriotischen Aufbruch immer wieder Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Dem Gegner Europa kampflos zu überlassen, gibt diesem nicht nur die Bedeutungshoheit über einen Begriff, eine Idee von einem Kulturraum, der von diesen Leuten im gleichen Atemzug korrumpiert, beschmutzt und vergewaltigt wird als auch pragmatische Machtmittel. Die Europa-Wahlen müssen daher ebenso ernsthaft betrachtet und der Wahlkampf dafür vorangetrieben werden, wie für die Eroberung der Landesparlamente um das nationale Gegenlager zu verstärken.

Während ich mit der bisherigen Mobilisierung der AfD für die schon im Mai anstehende Wahl unzufrieden bin, stößt jetzt in die Lethargie der eigentlich schon längst eröffneten Wahlkampfzeit ein Phänomen, das netzaffine Menschen jetzt schon etwa ein Jahr auf dem Schirm hatten und das eigentlich in einer Tradition von Leistungsschutzrecht und DSGVO steht, dass man hätte vorgewarnt sein können und müssen. Mit dem vor allem als Artikel 13 bekannten neuen Richtlinienprozess auf EUropäischer Ebene soll das europäische Urheberrecht einer – wie es heißt – dringend notwendigen Reform unterzogen werden. Daran entlädt sich nun ein Sturm der Entrüstung, der nicht allein die digitale Sphäre in Atem hält. Einige aufrechte YouTuber (bspw. Saria Delaney und Mortimer Niels) und Aktivisten haben schon vor Monaten damit begonnen realweltliche Proteste zu organisieren und das Netz auf die Straße zu bringen und damit eine Menge mehr geschafft, als der wohlfeile Netzaktivist, der meint mit einer bösen Email sei es getan.

Auch wenn man über die vielen Opportunisten den Kopf schütteln kann, die jetzt dieses Thema für sich entdecken, während andere das eben schon vefolgen, seit es ruchbar geworden ist und die sich jetzt nachträglich noch eine weiße Weste kaufen wollen:

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So geht es hier freilich nicht allein um Eitelkeiten, dort wo sie ihre Reichweite jetzt doch noch, wenn auch verspätet, nutzen, helfen sie der Sache dennoch enorm weiter, auch wenn vor ein paar Wochen womöglich effektiver hätte gehandelt werden können, BEVOR der Prozess nun seine finalen Züge nimmt.

Stein des Anstoßes ist der Kern von Artikel 13, der Plattformen des Web 2.0 (also Plattformen die user  generated content präsentieren) defacto (der zuständige Berichterstatterweist daraufhin, dass dieser Begriff im Text selbst nicht vorkommt, aber es läuft faktisch darauf zu) dazu verpflichtet, Upload-Filter einzuführen, um Urheberrechtsverletzungen präventiv zu bekämpfen. Technisch gesehen sollen hochgeladene Daten (Videos, Bilder, faktisch auch Texte (auch wenn die selbst selten erwähnt werden, aber es gilt für alles, was urheberrechtlich geschützt ist)) beim Upload-Vorgang geprüft werden, ob diese entsprechend geschütztes Material enthalten. Sollte dies der Fall sein, wird der Upload verweigert. Damit die entsprechenden Plattformen sich darum kümmern, wird ihnen im gleichen Atemzug das Provider-Privileg entzogen, was sie für jede Urheberrechtsverletzung, die durchkommt, haftbar macht.

Neben der reinen technischen und finanziellen Umsetzbarkeit, atmet dieser ganze Entwurf ein grundlegendes Unverständnis davon, welche Formen das Urheberrecht auf einer niedrigschwelligen Ebene im Zeitalter digitaler Bild- und Videobearbeitung annehmen kann, neben Grauzonen wie Neukompositionen aus Bild und Ton (sind diese ein neues Werk?) in Form von Parodien oder AMVs oder (Bild- und Ton-)Zitaten sind das Fragen nach verschiedenen Lizenzsystemen und damit auch Fragen der Vergütung. Ich will das an der Stelle nicht weiter ausführen, sondern werde ggf. an dieser Stelle eine kleine Videogallerie verlinken, wo bereits ausführlich auf Konstruktions- und Prämissenfehler eingegangen wird:

Quelle: Firegoden Quelle: Kanzlei WBS Quelle: Kanzlei WBS
Quelle: Firegoden Quelle: Kanzlei WBS Quelle: HerrNewstime

Besonders durchsichtig allerdings ist, dass dieses Gesetz sich um Urheberrecht einen Dreck schert und faktisch nur dazu dienen soll, um die großen Plattformen dazu zu zwingen mit Rechteverwertern Lizenzverträge abzuschließen, damit die ihr bis dato einträgliches Lizenzgeschäft möglichst reibungsfrei ins neue Jahrtausend retten können. Das ist deshalb besonders kritisch, weil das Gesetz klar dafür gemacht wurde, auf die Big Player wie Google oder Facebook abzuzielen, um Geld zu machen; am Ende dafür aber einen Sog der Verwerfungen hinter sich herziehen wird, der vor allem kleine Plattformen betreffen wird.

Den zuständigen Berichterstattern (allein schon zum Verlauf des Entwurfs- und Beschlussprozesses müsste man eine Menge kritischer Anmerkungen verlieren; bspw. das über Texte abgestimmt wird, die den Abgeordneten gar nicht oder erst kurz zuvor vorlagen) scheint offenkundig nicht klar zu sein, wieviel des heutigen Internets auf dem Web 2.0-Prinzip basiert, also seinen Usern Möglichkeit dazu gibt, eigene Inhalte zu erstellen und zu publizieren. Von Internet-Dinosauriern wie Foren über Messenger-Dienste wie Twitter oder Facebook, über Videoplattformen wie Google reicht dieser Radius bis hin zu Wiki-Projekten wie der Wikipedia oder der Wiki-Community von Fandom (früher Wikia). Wahrscheinlich eine Menge böhmischer Dörfer im fernen Brüssel.
Während Konzerne wie Google oder Facebook vielleicht Geld und technische Entwicklungskapazitäten für Filtersysteme und die Größe und Autorität für Lizenzverhandlungen haben, haben kleine Anbieter diese Möglichkeiten gar nicht; weder sie selbst zu entwickeln, noch sie einzukaufen. Um die großen zu treffen und da noch Gelder draus zu transferieren, nimmt man die Beschädigung etlicher Plattformen willfährig in Kauf.

Die ernsten befürchteten Folgen (manches mag überdramatisiert sein, allerdings geht es hier um den Sinngehalt des Gesetzes nur zu seinem logischen Ende gedacht) sind:

  • Erdrosselung kleiner Plattformen
  • Einschränkung der Meinungs-, Kunst- und Ausdrucksfreiheit durch Overblocking
  • ggf. Abschaltung us-amerikanischer Dienste wie YouTube für europäische IPs

Da ist es ein kleiner Trost, wenn die Rechtslast vom Einzelnutzer zu den vormaligen Provider-Privileg-Besitzern wandert (was den Einzelnen vor Abmahnungen schützt) zum Preis, dass er halt ohnehin nichts mehr im Internet machen kann, überspitzt ausgedrückt. Wer keinen Herd hat, kann sich letztlich nicht die Finger verbrennen.

Es ist immer schwer einzuschätzen wie weit ein Thema, das die Netzgemeinde auch in solch gewaltigem Maße bewegt, die breite Bevölkerung tangiert (auch wenn diese von Artikel 13 ebenso betroffen sein wird, auch wenn sie es vielleicht noch nicht mitgeschnitten hat). Die bisherige Berichterstattung in den Nachrichten ist dürftig und findet in der Regel, wie die Reaktionen der betreffenden Abgeordneten auf Kritik, als Verächtlichmachung der Kritik und der Umdefinition derer Kritik zu Desinformation und Fake News statt. Man möge sich auch noch einmal auf der Zunge zergehen lassen, was Frau Merkel bezüglich „Desinformation“ im Wahlkampf angeregt hatte und ob Timo Woelken (SPD) oder Julia Reda (Piraten), die bisher – mit besonderer Hervorhebung letzterer – einen guten Job als Berichterstatter und Kritiker machen, angesichts dieses Reframings sich womöglich bereits auf dem Boden der Strafbarkeit bewegen könnten?

Bisher zieht aber der #niewiedercdu breite Kreise. Die Speerspitze von Artikel 13 im EU-Parlament bildet die EVP (die Fraktionsgemeinschaft der konservativen Parteien) und besonders pointiert ist hierbei die Rolle der deutschen Abgeordneten der CDU. Axel Voss, ein wahrlich possierliches Beispiel eines internetfremden Lobbyisten mit dem Mandat eines Politikers, stellt den zuständigen Berichterstatter für die angesprochene Reform dar, ist quasi das Gesicht von Artikel 13 und erhält freilich aus den Reihen seiner Parteikollegen zweifelhafte, fast schon bärendienstartige Schützenhilfe: von Fake-News-Vorwürfen bis hin zum Beschimpfen von Kritikern als Bots oder dem Vermuten einer Verschwörung durch Google zum „unterminieren“ des Reformprozesses (Sven Schulze, CDU). Natürlich muss man Kritikern auch gar nicht reden, wenn man mehr Follower hat (Heribert Hirte, CDU). Das stärkste Stück war die Idee die Abstimmung vorzuverlegen um den geplanten Groß-Demos am 23.03.2018 zuvorzukommen (Manfred Weber):

Quelle: HerrNewstime Quelle: Firegoden Quelle: Kanzlei WBS Quelle: Firegoden

Entsprechend entlädt sich der Zorn der Netzgemeinde und Demonstranten vor allem gegen eine uneinsichtige, unqualifizierte dabei zugleich arrogante CDU. Mit #niewiedercdu hat etwas den netzaffinen Mainstream erreicht, was mit #merkelmussweg vergleichbar ist. Wie gesagt es ist schwer einzuschätzen wieviel Impact dieses Thema generell auf die Gesellschaft haben wird. Da Europawahlen aber gerade auch ein Thema junger Wähler sind und gerade die zu den Betroffenen und Bewegten dieser Reform zählen, könnte sich im konservativen Lager gerade für Deutschland ein Beben ankündigen, dass sich womöglich (denn das Netz vergisst so schnell nicht) auch auf die Landtagswahlen durchaus auswirken könnte. Profitieren werden mit Sicherheit eher die SPD und vor allem die Piraten, die womöglich eine niedrigschwellige Reanimation mit diesem Thema bekommen, was zu ihren Kernkompetenzen zählt. Aber gerade auf der rechten Seite könnten nuancierte Verschiebungen zum Vorteil der AfD ausfallen.

Bisher hat die Partei gut daran getan, sich aus der Sache weitestgehend herauszuhalten. Deren Netzkompetenz ist sagen wir, trotz der guten Bespielung der sozialen Netzwerke, doch recht unterentwickelt (hier könnte man im Übrigen nach Schnittmengen mit den Piraten suchen) und für die Proteste wäre eine offene Unterstützung durch die Rechten wohl eher eine schwere Bürde (guilt by association) gewesen als eine wirkliche Hilfe, dabei sind auch die meisten AfD-affinen Leute, mit denen ich zu tun habe, entschiedene Gegner der Urheberrechtsreform in ihrer derzeitigen Form. Durch Schweigen vermeidet man Fettnäpfchen und die Schwächung des Widerstands, zumal die AfD bisher in Brüssel ohnehin nur ein symbolisches Aufgebot stellt, was sich hoffentlich nach der Wahl ändern wird.

Was nun die Verschiebung angeht, könnte – sofern der Einschlag von #niewiedercdu nachhaltiger ist, die cuckservative CDU-Zwingburg bröckeln, die trotz der eklatanten Schwäche der SPD der letzten Monate noch halbwegs stabil stand. Das wäre für Mitteldeutschland umso wichtiger, weil der Druck auf die CDU zunehmen würde, eine Koalition mit der AfD als Juniorpartner akzeptieren zu müssen, weil ihr sonst rechnerisch die Luft ausginge. Womöglich wäre sogar bei allzu starken Verlusten sogar eine Regierungsführung durch die AfD auf Landesebene möglich und damit der Fluch des Hamsterrades gebrochen.

Der erste Lackmustest dafür wird also sein, wie stark die CDU/CSU bei der kommenden Europawahl von diesen beiden Seiten – von rechts aufgrund der anhaltenden Probleme mit Massenmigration, Überfremdung und Souveränitätsverlust – und von links wegen dieses unsäglichen Anschlags aufs das freie Internet gerupft werden. Der psychologische Effekt massiver Stimmenverluste der CDU bei der EU-Wahl könnte der entscheidende Schub sein, den die AfD braucht um in Europa das künftige Schlachtfeld zu bereiten und die nationalen Residuen auszubauen.

Bayerische Kriechtiere und Nicht-Lösungen

Seehofer hat versagt, weil es ihm am nötigen Mumm, Kaltblütigkeit und Rückgrat gemangelt hat. Er ließ sich von Merkel das Heft mit illusorischen Nicht-Lösungen aus der Hand nahmen und entlarvt sich und die CSU als jämmerliche Kriechtiere von denen keine substanziellen positiven Veränderungen für Deutschland mehr zu erwarten sind.

Seehofer hat versagt, weil es ihm am nötigen Mumm, Kaltblütigkeit und Rückgrat gemangelt hat. Er ließ sich von Merkel das Heft mit illusorischen Nicht-Lösungen aus der Hand nehmen und entlarvt sich und die CSU als jämmerliche Kriechtiere von denen keine substanziellen positiven Veränderungen für Deutschland mehr zu erwarten sind.

Der größte Windbeutel der Republik ist bisher auf meinem Blog noch relativ ungeschoren davongekommen, dabei hätte sich schon früher angeboten über Seehofer zu schreiben. Gleichsam hat es sich nicht angeboten. Im Prinzip ist politisch von Seehofer rein gar nichts zu halten. Nicht erst seit wenigen Jahren sondern schon die ganze Zeit über. Der bayerische Löwe versucht zu brüllen und bringt nur ein klägliches Miauen zustande und rollte sich nach aller Bockigkeit immer wieder gerne auf dem Schoß von Mutter Angela zusammen. Wäre jetzt diese endgültig an Scham nichts auslassendem Schmierentheater in den letzten Wochen gewesen, ich möge mich dem Bayern-Thema gar nicht weiter annehmen wollen, aber die absurden Volten, die der ganze Vorgang gezeitigt hat, haben doch einen Kommentar verdient.

Seehofer muss man wissen gilt lange Zeit schon vor der Alternative für Deutschland als populistisches Herz Deutschlands und begründete die negative Konnotation dieses Begriffes stark mit, denn der Seehofer-Populismus richtet sich ähnlich wie die beliebige Alternativlosigkeit der Kanzlerin an wechselnden Stimmungen aus, allerdings mit der gleichen Bereitschaft diese fallen zu lassen, sofern damit nicht mehr viele Stimmen zu verdienen sind. Er verleiht hier nicht im Stil eines Volkstribun ungehörten Mehr- oder Minderheiten eine Stimme und setzt sich für diese Dinge ein. Die reine Ankündigung reicht meistens aus, um dann schnell zum nächsten Schauplatz zu wechseln. Wenn man nun der AfD einen Populismus nachsagen will, dann ist dieser zumindest von Überzeugung und Kohärenz getragen, berechenbar.

Hingegen wird Seehofer schon länger als Drehhofer, als Fähnchen im Wind verspottet und gleichzeitig als zahnloser bayerischer Tiger und als Ankündigungsminister(präsident) gescholten, der fordert oder angekündigt und beim ersten oder zweiten Widerstand klein beigibt. Insbesondere eben weil er die ohnehin geringe Macht (zumindest früher), die er hatte keineswegs zum Äußersten zu nutzen bereit war. Das mag man bei Petitessen wie der Maut verstehen, wo er diese CSU-Forderung nur schwer gegen Widerstände durchbringen konnte, dass er dafür nicht gleich die Regierung darüber dran gibt. Aber ein Thema wie die Migration, die wie kaum etwas anderes geeignet ist Deutschland irreperabel zu schädigen und das selbst in der eigenen Partei für massiven Unmut sorgen muss, hätte wohl allen Anlass und Grund gegeben auf Lösungen und ihrer konsequenten, nutzbaren Durchsetzung zu bestehen. Dafür hatte Seehofer auch die Strippen in der Hand. Als Innenminister unterstehen ihm sämtliche Behörden, die noch unter seinen Vorgängern auf deren Weisung auf Veranlassung durch die Kanzlerin, die Herrschaft des Unrechts, wie Seehofer selbst den Umstand der Grenzanarchie nannte, mitgeholfen haben diese aufzurichten oder still gehalten haben, während sie aufgerichtet wurde. Seehofer hätte die Möglichkeit gehabt mit einer entsprechenden Weisung nicht einfach nur Zurückweisungen, wie er es nur wollte, sondern bis hin zur Grenzschließung alles in die Gänge zu setzen die Herrschaft des Rechts oder zumindest die Kontrolle des deutschen Staates über seine Grenzen damit über sein Territorium durchzusetzen.

Lasst uns festhalten, dass weder die Grenzöffnung 2015, die massenweise Aufnahme illegaler Migranten und Flüchtlingen ohne Bleibeanspruch im Anschluss, noch das Fortdauern dieses Zustandes über ein Zeitraum von nun mehr drei Jahren in irgendeiner Form je gesetzmäßig war, im Gegenteil. Als Innenminister hätten dem bayerischen Horst nicht nur die Mittel, die nötige Machtposition, sondern auch die rechtliche und womöglich auch moralische Richtigkeit zugestanden, diesen Umstand abzustellen und das auch gegen den Willen oder die so genannte Richtlinienkompetenz der Kanzlerin. Er wird auf ihren Vorschlag hin ernannt und ist freilich von der Kompetenz abhängig, allerdings ist der Minister seinem Eid gemäß zwei Institutionen nämlich dem Staat und dem Volk und in seiner Funktion als Teil der Exekutive auch dem Recht verpflichtet. Die Verwaltung ist eben an geltendes Recht gebunden und kann nicht ohne solches und schon gar nicht entgegen bestehendem Recht handeln. Ein Minister kann damit leicht den Willen eines Regierungschefes abwehren, wenn er es denn so betonen würde, ungesetzlich, das heißt im Kern eigentlich verbrecherisch zu handeln bzw. sich zum Handlager der Verbrechen einer Regierung zu machen. Das ist die theoretische Positio von der ein Seehofer aus hätte handeln oder verhandeln können. Die Kanzlerin wäre im Prinzip nackt gewesen. Ein Rücktritt hätte sogar ausgeschlossen werden können. Die nötige Chuzpe vorausgesetzt hätte man sagen kann, man macht sich selbst mit dieser überwältigenden Macht des Rechts auf der eigenen Seite zum Märtyrer und zwingt die Kanzlerin dazu sich selbst zum Unrecht zu bekennen, in dem sie einen Minister deshalb entlässt, weil er nicht gegen geltendes Recht weiter verstoßen, im Gegenteil das geltende Recht wiederherstellen will.

Es wäre der Offenbarungseid und damit womöglich das Ende für Kanzlerin Merkel geworden. Zumindest waren es diese Gedanken, die die Kommentatoren die letzten Wochen dazu veranlassten, die Merkeldämmerung schon relativ düster einzufärben. Ihre Zeit sei vorbei. Meine Zurückhaltung diesbezüglich war eben der langen Historie von Seehofers kriecherischem Scheitern geschuldet. Mir war im Prinzip klar, dass auch diese Nummer nur eine leere Drohgebärde bleiben würde, selbst als er den Koalitions- und Fraktionsbruch androhte. Freilich hätte es anders kommen können, aber ich schätze Seehofer nicht ein, dass er dazu den nötigen Mumm haben würde. Sein politisches Vermächtnis bestünde in der Zerstörung der historischen Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU und wofür? Der ursprüngliche seehofersche Vorschlag sah ja nur die Zurückweisung von Leuten mit Einreiseverbot oder Registrierung in einem anderen EU-Land vor, angesichts der Lage kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Der Koalitionsbruch wäre also praktisch für nichts erfolgt. Es wäre ein wichtiges Symbol gewesen und womöglich der Wendepunkt, aber dafür auf ewig als Spalter in die Polithistorie eingehen? Kaum vorstellbar. Allerdings wurden auch meine Erwartungen noch unterboten. Ich hatte eher damit gerechnet, dass Seehofer kleinlaut zurücktreten würde, schon gar nicht auftrumpfend, vielleicht in der Haltung des reuigen Büßers.

Stattdessen hat Seehofer auch noch meine ohnehin nicht schon hohen Erwartungen unterboten. Wenn wir mal dieses ganze unwürdige Schauspiel beiseite lassen, von wegen oh ich geb Merkel noch bis Ende der Woche, okay warten wir noch bis Asylgipfel, ja warten wir noch ein paar Tage und dann hier noch eine Notfallkonferenz und da noch ein Kompromissgespräch und das alles für eine Forderung die so lächerlich banal war, dass auch Merkels völlig absurdes, widerrechtliches Veto nur bedeutet, dass die Grenzanarchie um jeden Preis aufrecht zu erhalten ist, weil die Zurückweisung nämlich schon Fragen nach sich ziehen könnte, die Europa vielleicht dichtmachen lassen. Dieses unwürdige hinschleppen. Zeit einräumen nachverhandeln, zeigt auch jemandem in der Verhandlung, okay hier ist jemand der blufft nur und würde alles geben für irgendein Zugeständnis, weil er nicht zum Äußersten bereit ist. Seehofer war bereit auf hingeworfene Brocken zu warten. Manch einer verglich das schon mit dem Vorgang der Papstwahl in der Erwartung irgendwann würde im Kanzleramt weißer Rauch aufsteigen um anzuzeigen, dass man zu einer gemeinsamen Lösung gefunden habe. Lassen wir mal diesen ganzen peinlichen, ekelerregenden Prozess beiseite. Am Ende bekommt Seehofer eine Lösung von der er selbst einräumen muss, dass sie keineswegs lösungsgleich ist präsentiert, lässt sich dann mit der Erfindung einer bayerischen Illusionslösung dann doch abspeisen, weil er nämlich um dem ganzen die Krone aufzusetzen eben nicht einmal den Mumm hat zurückzutreten und Mutti Merkel in der Öffentlichkeit auch noch dankbar für den erreichten Kompromiss ist.

Seehofer hat sich damit endgültig a,s ein widerliches, schleimiges kleines Kriechtier entlarvt, dem ein Rückgrat und fundamentale menschliche Qualitäten fehlen, der sich herumschubsen lässt wie ein geprügelter Hund und nicht einmal mehr fähig ist zurückzubeißen sondern nur dazu seiner Herrin die Stiefel zu lecken und seine Karriere (es ist vorbei für den Horst nach dieser Legislatur und in München sowieso) ebenso kriecherisch beschließt, wie er sie jetzt schon die letzten Jahre gestaltet hat, anbiedernd, überzeugungslos und ohne den Mumm wirklich etwas durchzusetzen. Er und seine ganze CSU haben sich auf dieser Kriechtierebene genau in das verwandelt, was eine Partei wie die abgemerkelte CDU brauchte, nicht ein konservatives Gegengewicht sondern ein pseudo-konservatives Feigenblatt, flexibel genug um sich in der gleichen Brise zu wiegen, in die sich auch die Kanzlerin hineinlehnt. Und was am Boden liegt sollte man am besten auch noch treten.

Der Koalitionsbruch und auch der Fraktionsbruch wären, wenn auch späte, viel zu späte Zeichen einer Emanzipation, eines wirklichen Willens zum Neuanfang und zur Veränderung gewesen. Die CSU hätten sich in Richtung der AfD orientieren können, wenn es um Inhalte gegangen wäre. Sie hätte auch bundesweit antreten können, um vielleicht einen Kurz-Effekt mitzunehmen, auch wenn das schon unwahrscheinlich war wegen der fehlenden Infrastruktur in anderen Bundesländern. Aber wer weiß, vielleicht hätte die ein oder andere konservative Gruppe wie die Werte-Union Unterstützung leisten wollen?

Mitnichten, wie einige linke Medien oder Kommentatoren jetzt ätzen ging es hier um einen reinen Machtkampf für den bayerischen Wahlkampf. Zumindest nicht nur. Also nicht um Landespolitik die Bundespolitik als Geisel nimmt. Natürlich muss die CSU, weil an sie die Erwartung gerichtet ist ein rechtes Korrektiv zu sein, dies tun, um ihre Glaubwürdigkeit auch und gerade in Bayern nicht zu verspielen, aber es geht hier mitnichten um Landespolitik sondern um ein Feld der Bundespolitik, dass Deutschland im Ganzen betrifft. Auch wenn sicherlich die Landtagswahl im Freistaat und die Jagdarbeit der AfD der einzige Grund ist, die einen Seehofer und die CSU jetzt zum Handeln zwingt (was zeigt wie wichtig die AfD als Opposition in dieser Sache ist), so profitiert von der Wiederherstellung des Rechts an den Grenzen die ganze Republik. Die Gründe Seehofers sind da erst einmal zweitrangig. Doch die Nicht-Lösung, die jetzt gefunden wurde, die ist in der Tat in allen Facetten provinziell. Mal beiseite das das alles undurchdachter Schein ist, so gilt die Lösung doch auch nur für Bayern während die anderen Grenzen ohne Transit-Zentren bleiben würden. Seehofer hat sich nicht nur mit einem völlig wertlosen ebenso wenig wirkungsgleichen Deal wie dem vom EU-Gipfel ködern lassen sondern mit einer Lösung – Merkel kannte offenbar ihre Pappenheimer und ihre erbärmlich kriecherische Käuflichkeit) – die eben nur für Bayern wirksam wird und jetzt tatsächlich nur noch als Wahlgeschenk für den bayerischen Landtagswahlkampf verstanden werden kann. Während die bayerischen Bürger mit einiger Sicherheit nicht so dumm sind und auf diese Luftnummer hereinfallen werden.

Und die Krone setzt ja jetzt auch noch die SPD oben drauf, die diesen Nicht-Kompromiss und diese Nicht-Lösung in der letztlich überhaupt nichts beschlossen wurde, wegen bösen Lagerbildern und – man muss sich diese Idiotie wirklich auf der Zunge zergehen lassen – der Benennung dieser bisher als Transit-Zentren angedachten Lager jetzt auch noch vom Tisch fegen wollen. Das alte Problem, das wir schon bei den Jamaika-Verhandlungen hatten, ist jetzt wieder auf dem Tisch. Die SPD hat sich humanitär festgelegt und will Seehofer zulassen, dass ihm seine fast schon ätherische Nicht-Lösung zwischen den Fingern endgültig zerrinnt? Das werden für Merkel wiederum schwere Tage um jetzt diesen aufglimmenden Problemherd auch noch auszutreten. Es scheint tatsächlich immer unwahrscheinlicher zu werden, dass diese Koalition noch allzu lange stabil bleiben wird. Aber man hält sich ja schon Alternativen warm.

Das erste Fanal wird die Bayern-Wahl in einigen Monaten bereithalten und um das Kriechtier Horst und seine ganze Bande rückgratloser Feigenblatt-Konservativer zu demütgen, wünsche mir kaum etwas mehr als ein Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün in München. Ich halte Söder zwar für machtbewusst genug vielleicht eine Koalition mit der AfD im absoluten Notfall in Betracht zu ziehen, aber ich glaube nicht wirklich daran. Deshalb mag ich mir wünschen, dass die CSU genug einbüßt und die FDP schwach genug aus der Wahl geht, dass nur Koalitionen mit Grünen oder SPD oder eben mit der AfD möglich werden und die stolzen Absolute Mehrheit-CSU nicht nur zu einer Koalition sondern zu einer Koalition mit Links-Grünen zu zwingen. Die Demütigung wäre final und die Entlarvung der CSU als einer Partei entweder der Umfaller oder des multikulturellen Establishments wäre perfekt, wenn Söder linken Parteien mit erheblichen inhaltlichen Diskrepanzen gegenüber einer bürgerlichen Partei mit größeren inhaltlichen Schnittmengen den Vorzug gibt.

Wer jetzt noch glaubt von der CSU sei eine konservative Wende zu erwarten, wie Dobrindt sie angekündigt hatte, der lebt in der gleichen Illusion wie Seehofer, dass eine Lösung gefunden worden sei.

Marionetta Slomka: Jamaikanische Handpuppe oder Der Lindner ist immer noch an allem Schuld

Marietta Slomka betreibt als Handpuppe der Jamaika-Sondierer um Merkel Propaganda in einem Interview mit Christian Lindner. Es geht nicht um seine Sicht auf die Dinge, sondern er soll zugeben, was Slomka und das mediale Establishment ihm vorwerfen, das Ende von Jamaika aus eigennützigen Motiven verschuldet zu haben.

Marietta Slomka betreibt als Handpuppe der Jamaika-Sondierer um Merkel Propaganda in einem Interview mit Christian Lindner. Es geht nicht um seine Sicht auf die Dinge, sondern er soll zugeben, was Slomka und das mediale Establishment ihm vorwerfen, das Ende von Jamaika aus eigennützigen Motiven verschuldet zu haben.

Manchmal werden Artikel etwas persönlicher. Weil sie Berührungspunkte mit der eigenen Realität haben oder weil das Thema Gegenstand einer Konversation war, die man kürzlich hatte und in der Meinungen einen aufwühlen. Genauso eine hatte ich kürzlich. Digital freilich aber mit Leuten, die man seit Jahren kennt, schätzt, selbst wenn man sich ziemlich uneins ist. Aus diesem Gespräch werden wohl zwei Artikel entstehen, weil sie zwei eigenständige aber verwandte Themen berühren und werden sich diese Einleitung vermutlich auch teilen. Heute geht es um Marietta Slomka und ihr Interview mit Christian Lindner. Der andere Beitrag, der wird sich mit Merkel beschäftigen.

Wenn ich in meinen letzten Artikeln „Chancellor of the Weed“ oder dem kleinen SPIEGELblick-Intermezzo mit dem Verhandlungscoach von Realitätsverlust gesprochen habe, bezog sich das vor allem auf die Medien oder auf eine abstrakte Menge von Leuten. Es ist unschön, dissonant und in jeder Beziehung wohl auch unschicklich, wenn man zu der Erkenntnis gelangt, dass man die eigenen geschätzten Bekanntschaften, fairerweise eben eines solchen Realitätsverlustes bezichtigen müsste oder politischen Analphabetentums. Eigentlich ist es ja nur logisch. Die Medien kämen kaum mit ihrer Deutung durch, wenn die meisten Menschen, die sie konsumieren, nicht die Gedankengänge teilen oder ihnen eben glauben schenken würden, wo Kritik oder Zweifel angebracht wären. Nicht das wir nicht auch verleitet wären unseren rechten, alternativen Quellen über den Klee Geschichten ebenfalls allzu schnell abzunehmen.
Dennoch lässt es einen mit Schrecken zurück, wenn man mit einer Vehemenz nicht etwa eine abweichende, sondern aus eigener Anschauung kaum aufrechtzuerhaltende und stellenweise auch dumme Meinung entgegen gesetzt bekommt. Nicht von einer Einzelperson, sondern von mehreren.

Der Aufhänger der Diskussion war das erwähnte Interview von und mit Slomka. Ich binde es hier an der Stelle mal ein:

Das ließ mich doch mit einigem Entsetzen zurück, weil es eigentlich in allen Punkten unfassbar falsch und tendenziös war. Eine sehr geraffte Wiedergabe, auch meiner Meinung, findet sich da auch bei Tichy unter: „Polit-Aktivist Slomka„.

Weil ich so fassungslos war und wir ohnehin über Jamaika sprachen, hab ich das zur Diskussion gestellt und freilich auch nicht hinterm Berg gehalten und war überrascht, wie doch alle dieser Politaktivistin aus der Hand fraßen.

Journalistische Ethik und Methodik? Unbekannt.

Mein erster Kritikpunkt war sie als „Journalistin“ mit Anführungszeichen zu bezeichnen, also in Frage zu stellen, dass sie eine sei. Nun habe ich dabei den Tichy-Duktus übernommen, allerdings lässt er sich auch begründen. Journalismus ist der sachwiedergebenden Berichterstattung und der Aufdeckkung (zumindest der Annäherung) an die Wahrheit verpflichtet und fordert vom Journalisten ein kritisch zu sein, gegenüber der Sache und gegenüber Vorannahmen (insbesondere wenn es mehrere Parteien mit unterschiedlichen Versionen eines Vorfalls gibt) und seine Haltung sowieso zurückzuhalten und die Meinung auf eine einordnende Konklusio nach Abwägung der Fakten zu beschränken.
Nun war dieses Format ein Interview, also eine journalistische Methode zur Gewinnung und Darstellung von Informationen. Der Gesprächspartner soll sich und seine Sicht der Dinge darstellen und Nachfragen des Journalisten sollen dazu dienen, den Informationsfluss am Laufen zu halten und weitere, genauere oder verborgene Informationen herauszukitzeln. Was ein Interview nicht ist, ist eine Diskussion und schon gar nicht ein Format, in dem die persönliche Deutung des Journalisten oder seine Haltung irgend etwas zu suchen hat.
Das sind zumindest die Ansprüche, die ich an Journalismus allgemein und das Format eines Interviews im Besonderen stelle.

Jetzt wurde mir als entgegnet Frau Slomka hätte vor allem kritisch nachgefragt und es wäre die richtige Portion Schärfe gewesen. Sie hätte nachgefragt, um ihn von seinen einstudierten Phrasen abzubringen und die Fragen gestellt, die die Leute bewegen. Das ist falsch. Das was sie rausbringen wollte, ist der Offenbarungseid, auf den sich die Medien eingeschossen hatten: Das das Ganze ein abkartetes Spiel war, um sich in den Medien zu profilieren.
Sie hat immer wieder auf diesem Punkt insistiert und Lindner hat ihr dreimal auseinandergesetzt, dass es unmöglich gewesen ist, eine Einigung mitzutragen, die der FDP eine Gesichtwahrung und überhaupt ermöglicht hätte, irgendeine ihrer Positionen im Verhandlungsergebnis unterzubringen. Doch statt, wie es für ein Interview üblich gewesen wäre, diesen Faden fallen zu lassen, nachdem die Position klar gestellt wurde, wurde weitergemacht. Und dabei, wo wir bei Phrasendreschen sind, hat sie wie eine kleine Handpuppe Merkels quasi deren einstudierte Sätze zum Ausstieg der FDP übernommen.
An den Zusammenfassungsversuchen von Slomka wurde deutlich, wie sie die Welt sieht und welche Botschaft ihrer Meinung nach auch dieses Interview ausstrahlen sollte: Die Position der anderen Sondierer. Statt wie es ihre Aufgabe gewesen wäre, die Position von CDU, Grünen und CSU zu hinterfragen, hat sie sich auf deren Deutungsebene unhinterfragt eingelassen und Lindner angegriffen nicht befragt.
Nun muss sie Lindner keinesfalls den Ring küssen und seine Sicht der Dinge unhinterfragt übernehmen, wenn er ihr aber konsistent mehrere Male ein glaubhaftes (und nach meinem Dafürhalten glaubhafteres; dazu kommen wir gleich) Szenario auseinandersetzt, dann nimmt das Ganze solcher Art Züge an, als spräche Lindner hier mit einer Flach-Erdlerin, die zwar keinen einzigen Beleg, für ihre Behauptungen vorlegen kann, aber mit keiner vernünftigen Erklärung der Gegenseite zufrieden ist.

Ebenso verhält es sich dann eben auch in dem Momenten, in dem sie dann versucht die Aussage des FDP-Chefs einfach zu ignorieren, um dann ihre eigene Deutung, in Anwesenheit von Lindner, dann einfach in die Kamera zu quatschen, was den FDP-Chef freilich zu einer Gegendarstellung verpflichtet, was wiederum zu einer mehr talkartigen Diskussion führt, die diesem Format und der Person Slomkas einfach nicht zusteht. Ein Interview ist kein Talk, er ist auch kein kritischer Kommentar. Es ist nicht ihre Aufgabe dem Zuschauer an dieser Stelle mitzuteilen, wie er das Gesagte zu beurteilen hat.
Darüber hinaus wird sogar sehr eindeutig, dass Frau Slomka, wie viele Journalisten, hier offenbar eine Agenda verfolgt. Eine Agenda, die sich auf Jamaika bereits eingeschossen hatte und von der Rainer Zitelmann in seinem Beitrag „Drei Parteien, die nicht Selbstmord begehen wollen“, den ich bereits in vorherigen Beiträgen erwähnte, meinte, dass sie ein Hirngespinst gewesen sei – unmöglich ohne das wenigstens einer der Parteien sich vor ihren Wählern selbstzerstören müsste – und die Journalisten das eigentlich vorprogrammierte Scheitern als Sakrileg wahrnehmen. Die Schuldige ist die FDP, die nur zuerst eingesehen hat, dass es keinen Sinn hat, unter diesen Bedingungen weiterzuverhandeln.

Der Lindner ist immer noch an allem Schuld.

Am Anfang stand die Chimäre, dass die Verhandlungen ohne Weiteres eine stabile Regierung, einmal gegen die AfD, aber auch eine viel gelobte progressive Koalition, hervorgebracht hätten. Man hat versucht sich das für Merkel verheerende und kaum mehr realistische Koalitionsoptionen zulassende und eindeutig nach rechts tendierende Wahlergebnis als Chance für eine neue große Erzählung schönzureden, gerade um nicht einzugestehen, dass der Traum von Links-Schwarz-Grün gescheitert war. Jamaika wurde als Ersatz-Utopie aufgeblasen. Und ihr Scheitern erzeugt eine Dissonanz mit der Realität, die die Medien – man kann es kaum anders ausdrücken – in einer Art neuer Dolchstoß-Legende verarbeiten. Die Sondierer waren im Felde unbesiegt, nur wegen dem Verräter FDP ist der Krieg/ sind die Verhandlungen gescheitert, obwohl man kurz vor dem Sieg/ einer Einigung stand.

Das Schlimme ist, dass jeder diese von Merkel, Seehofer und Co. gestreute Ansicht der Dinge glaubt und im Fall der Medien unkritisch und dankbar aufgreift und weiter potenziert. Und was in den Medien ist, wird hier allzu vielen zur Gewissheit. Es wird vorgeworfen der Ausstieg sei geplant gewesen. Klar hat man ihn vorbereitet. Das hat Lindner auch deutlich gemacht. Wer nur mit etwas politischem Sachverstand an die Sache herangegangen ist, hätte wissen müssen, dass diese Verhandlungen kein Selbstläufer sind und die Differenzen selbst über das hinausgingen, was man sonst als harte Verhandlungen bezeichnen würde, sodass ein Scheitern jederzeit möglich war. Sich auf dieses Scheitern vorzubereiten, insbesondere wenn schon vor dem Wochenende (den Insel Utopia-Beitrag schrieb ich in besagter Nacht) kurz vor dem Aus stand, ist doch nur geboten. Allein das die FDP nochmal an den Verhandlungstisch zurückkehrte, statt den Sack an der Stelle schon zuzumachen zeigt doch, dass sie hoffte, die anderen Parteien würden einlenken.

Ich habe es jetzt schon merfach vorgebracht, aber ich rekapituliere es für diesen Beitrag noch einmal: Die AfD hat mit ihrem Wahlerfolg und ihrer Existenz zweierlei getan, was für diese Sache relevant ist. Sie hat eine Alternative geschaffen, zu der Leute gehen können, die eine eher rechtsgerichtete Politik, insbesondere in der Migrationspolitik wollen, sofern sie diese nirgendwo anders bekommen. Sie hat damit dafür gesorgt, dass die Parteien der rechten Mitte wie CSU und FDP (von der CDU braucht man nicht mehr zu sprechen) nach rechts aufrücken mussten, um dort nicht noch mehr Wähler zu verlieren. Die Folge war eine Rechtsrichtung der Wahlprogramme insbesondere der FDP. Das hat die AfD auch geschwächt und der FDP zu einem durchaus beachtlichen Abschneiden verholfen. Allerdings ist die AfD sehr stark ins Parlament eingezogen und setzt jetzt die Mitte-Rechts-Parteien unter Druck zu ihren Zusagen zu stehen. Tun sie das nicht, outen sich also als Umfaller, würden sie von der AfD bei den nächsten Wahlen gefressen.

Die FDP steht also nicht allein unter dem Druck möglichst aus eigenem Machtinteresse unter jeden Umständen in die Regierung zu kommen, sondern unter dem Druck ihrer Wähler ihre Zusagen umzusetzen oder eben keine Regierung zu bilden, die das nicht tut oder ggf. sogar das Gegenteil davon durchsetzt.
Auf der anderen Seite hast du die ideologiegetriebenen Grünen, die in praktisch den hauptsächlichen Belangen das komplette Gegenteil der FDP wollten und die davon ebenso kaum abweichen konnten, ohne von ihrer Basis zerrissen zu werden.
Das das ein praktisch kaum aufzulösender Konflikt sein würde, den man höchstens mit der Zusage die großen Problemfragen erstmal zu verschieben, hätte beiseite schieben können, wird überhaupt nicht wahrgenommen. Verhandlungen brauchen Spielräume. Die Spielräume sowohl der Grünen als auch der FDP waren aber enorm begrenzt, sodass es praktisch nichts zu verhandeln gab. Was nicht heißt, man hätte nicht doch irgendwie Kompromisse finden können.

Es ist nämlich erstaunlich, dass man jetzt der FDP das Scheitern anlastet, die traditionell als Hure der Macht gilt und ihnen vorwirft zu ideologisch und zu gierig gewesen zu sein, während von den Grünen die Legende des Entgegenkommens kolportiert wird. Wenn überhaupt dann in belanglosen Feldern. Ob die Grünen nicht zu sehr auf ihren Themen bestanden haben, diese Frage wird gar nicht aufgeworfen. Und es geht hier nicht darum die Schuld den Grünen zuzuweisen, die ihrerseits ihre Wähler vertreten müssen, ohne sich ansonsten zu zerreißen, sondern um zu zeigen, wie hanebüchen es ist, der FDP das jetzt vorzuwerfen.

Mag sein, dass irgendwelche Verirrten und Verwirrten, den Vorstoß zur Digitalisierung für das heißeste Eisen im Feuer der FDP gehalten und sie deshalb gewählt haben, aber die haben offenbar immer noch nicht verstanden, dass die Migrationspolitik DAS Thema dieses Wahlkampfes war und folglich jeder Koalitionsverhandlung sein muss. Jedes Mal wenn ich gelesen habe, dass die größten Streitthemen Soli und sonstiges Abstruses gewesen sein sollen, dann konnte ich einfach nur an Realitätsverweigerung denken. Das ist der Geist derjenigen, die auch nicht erkennen, was man hätte anders machen sollen und die Merkel auch so attestieren, dass sie ja eigentlich nichts falsch gemacht habe.
Der Familiennachzug war einer der Kristallisationspunkte. Aufnahmegrenzen und Abschiebungen wären weitere Themen, wo sich die Grünen mit der FDP ganz und gar nicht grün waren. Aber nein das ist natürlich überhaupt kein relevanter Streitpunkt! Wie Herr Wallasch bei Tichy in einem Rückblick auf „hart aber fair“ richtig zu dem ganzen Vorgang dann anmerkt:

„Aber nein Frau Bär, möchte man hinüber rufen von der Wohnzimmercouch. Aber nein, es ging doch nur um dieses bisschen Zuwanderung, das wir mit links schultern werden die nächsten Jahre und Jahrzehnte.“

In dem gleichen Beitrag bemerkt Herr Wallasch nämlich die eigentliche Konzeption dieser Verhandlungen:

„Interessante Frage von Plasberg: ‚Wenn sich die Grünen in den Sondierungsgesprächen so auf die anderen zu bewegt hätten, wird das bei Neuwahlen eigentlich alles wieder resettet?‘ Simone Peter sagt darauf einen der wichtigsten Sätze des Abends. Entlarvend, selbsterklärend. Also nein, warum sollten wir uns resetten, ‚wenn sie das Papier genau gelesen hätten …‘ Offensichtlich hat das die FDP. Aber die Presse nicht. Weil sie nicht wollte. Peter gibt also unumwunden zu, dass man so schlau formuliert hat, damit die Presse schreibt was sie schreiben soll, aber bewegt hätte man sich natürlich nie wirklich. Sag sie so nicht, aber genau so muss man es hier verstehen.“

und weiter:

„Eine interessante Information kommt noch: Simone Peter stellt klar, dass Claudia Roth für die Grünen das Thema Zuwanderung verhandelt hat. Und noch mal redet sie sich um Kopf und Kragen: Nein, es wäre keine Begrenzung der Zuwanderung vereinbart worden. ‚Eine Begrenzung wird es mit den Grünen nicht geben.‘ Also alles falsch, was nachher an Legende mit medialer Unterstützung gestrickt wurde. Nicola Beer kann ihr Glück kaum fassen. Kommt aber nicht zu Wort. Simone Peter redet und redet und redet. Sie merkt wohl gar nicht, was sie da sagt, hart aber fair. Plasberg muss eingreifen: Faktencheck abwarten!“

(anzuschauen unter: https://www.youtube.com/watch?v=9G6YxzOgsxc)

Mit den Grünen gab es Kompromisse mit einer ohnehin GroKo-isierten CDU also sozialdemokratische, gerade für sie noch tragbare Kompromisse, während man die großen Streitfragen (die hauptsächlich mit der FDP bestanden) in Formelkompromisse und Lippenbekenntnisse gekleidet vom Verhandlungstisch zu komplimentieren glaubte. Vielleicht hat man angenommen die FDP allein mit Ministerposten zufriedenzustellen und gedacht das Insistieren auf politischen Inhalten wäre nur reine Verhandlungstaktik und nicht politischer Überlebenswille.

Wenn Lindner also in einem anderen Interview mit dem SPIEGEL (das die Standards eines guten Interviews im Gegensatz zu Slomkas Haltungsjournalismus einhält), beschreibt, dass am Ende nichts zustande gekommen ist, dass FDP Handschrift trägt, dann ist das allemal glaubwürdiger, als anzunehmen man hätte kurz vor einer Einigung gestanden, bei der die Grünen von ihren migrationspolitischen Forderungen abgewichen wären, was das Personal der Grünen ja selbst bestreitet.
In welcher Welt laufen also bitte Verhandlungen so ab, dass man dann zustimmt, wenn man gar nichts und die Anderen immerhin ein bisschen was bekommen? In welcher Welt ist es ein Kompromiss, wenn man seine Positionen preisgibt und akzeptiert, was andere einem vorsetzen? Man kann anfangen der FDP Vorhaltungen zu machen, wenn dies hier eine Welt wäre in der die Grünen bereit gewesen wären für sofortige Abschiebungen, geschlossene Grenzen und dem Versprechen über die Sache mit der Förderung des Umweltschutzes in vier Monaten nochmal sprechen zu wollen, zu votieren. Alles für die Staatsräson versteht sich.

Da ich das aber nicht glaube, kann man nur sagen, dass man versucht hat, die FDP hier über den Verhandlungstisch zu ziehen, und die eben als Einzige ehrlich genug waren einzugestehen, dass diese „Einigung“ ein Haufen heiße Luft gewesen wäre. Aber wenn ich ehrlich bin, glaube ich, dass das den Beteiligten irgendwo auch klar ist, nur dass sie die „rechten“ Forderungen der FDP ohnehin für vernachlässigenswert und falsch hielten, dass es auch kein Recht dazu gab, sie in den Verhandlungen durchzusetzen und die Medien dabei assistierte, wie Tichy in einer Redaktionskolumne (Merkel und Medien) feststellte:

„Aber im Kern hält Hanfeld seinen Kollegen den richtigen Spiegel vor: ‚Das kann man sich gut vorstellen, auch mit Blick auf die begleitende Berichterstattung in Rundfunk und Fernsehen, bei der es in den vergangenen Wochen häufig so schien, als stellten die Positionen der Grünen eine mehr oder weniger naturgegebene, selbstverständliche, durch und durch rationale Grundlage zu allen politischen Streitfragen dar, bei denen Union und FDP nur noch nicht das richtige Licht aufgegangen sei: Kohleausstieg, Klimaschutz, Ende für den Verbrennungsmotor, Familiennachzug. […]‘ „

Da Seehofer und seine CSU sich nach alldem an der Jagd auf die FDP beteiligten, lässt nur den Schluss zu, dass er im Gegensatz zu Lindner umgefallen ist.

Wenn sich jetzt also Slomka hinstellt, der FDP ein abgekartetes Spiel vorwirft und glaubt die FDP hätte aus reiner Profilierungssucht die Verhandlungen scheitern lassen, dann ist sie entweder dumm und naiv oder sie besitzt schlicht die Dreistigkeit diese Sendung als Haltungsjournalistin für ihre Agenda zu missbrauchen. Inszeniert ist hier höchstens Eines: dieser Skandal.

Eine ganz besondere Frechheit ist dann noch der FDP zu unterstellen, dass sie schlecht verhandelt hätte. Wo keine Kompromisse möglich sind, finden gar keine Verhandlungen statt. Schlecht verhandelt bedeutet, ich habe einen schlechten Deal gemacht. Hier hat die CDU mit den Grünen Kompromisse ausgehandelt, die der FDP dann nach dem Motto „Friss oder stirb“ vorgelegt wurden. Einwendungen Lindners hat man offenbar abgewiesen oder nicht ernst genommen.

Den Rechtsruck der FDP noch immer nicht verstanden

Was in dem Gespräch deutlich zum Ausdruck gekommen ist und da sieht man die eigentlichen Hoffnungen und Absichten hinter Jamaika, man hatte gehofft rechte Lösungsansätze für eine weitere Legislatur aus der Politik auszuklammern, um weiter Fakten zu schaffen. Jamaika wäre keine liberale und keine konservative Lösung gewesen. Die Merkel CDU im Verbund mit den Grünen hätte die linkshegemoniale Poltik der Großen Koalition, in einigen Feldern sogar noch intensiviert, fortgesetzt und die FDP hätte als Stimmenbeschaffer fungiert. Außerdem hätte man sie so eingehegt, nachdem sie vor der Wahl nach rechts abgeglitten war. Den Wunsch vieler Bundesbürger nach einer rechten Politik oder eine Mitte-Rechts Politik zumindest, wollte man getrost ignorieren. Linke Politik war bei der Wahl eindeutig abgewählt worden (zum Schaden von SPD und CDU), sie sollte jetzt durch die Hintertür fortgesetzt werden und das hat die FDP nicht mit sich machen lassen.

Die hysterische Angst vor einer AfD, die bisher im Bundestag konstruktive Reden hält und bereit ist in Sachfragen zu kooperieren hält die Republik und vor allem das links-hegemoniale Establishment im Griff. Zwei Sorgen sind es vor allem: der Verlust des Primats linker Politik und eine Stärkung der AfD. Deshalb ist Lindners Verhandlungsabbruch in zweierlei Richtung für diese Leute verheerend. Er hat gezeigt, dass er bereit ist für die vermeintlich falschen rechten Prinzipien aufrecht zu bleiben, aber was nach viel wichtiger ist, dass das Gespenst einer weiteren Stärkung der AfD in den Köpfen dieser Leute die Runde macht.

Sie glauben noch immmer ihr selbstgesetzes Narrativ davon, dass die Position der rechten zu kopieren nur diese stärken würde, weil die Leute lieber das Original wählen würden. Diese Ansicht steht meiner Ansicht nach nur im Raum, um eine scheinbar vernünftige Rechtfertigung dafür zu haben, einfach mit alternativloser linker Politik fortzufahren. Denn es ist falsch, von vorne bis hinten. Die FDP hat bei dieser Wahl das genaue Gegenteil bewiesen und man muss eigentlich die Frage stellen, ob die ganzen Leute, die Lindner lieber die Positionen seiner Partei in einer Jamaika-Koalition preisgeben sehen wollte, eigentlich nicht doch heimliche Fans der AfD sind.
Sie fürchten sich jetzt, dass der Verhandlungsabbruch und etwaige Neuwahlen Wasser auf die Mühlen dieser Partei sein könnten und ignorieren völlig, dass die FDP nur so stark abgeschnitten und die AfD in ihrem Wachstum gebremst wurde, weil die Liberalen deren Position übernommen und ordentlich an ihren Stimmen gewildert hatten.
Die sozialen Kosten, dass zeigte mir auch wieder dieses Gespräch, dafür die AfD zu wählen, sind immer noch recht hoch und vielen, die sich eine schärfere Gangart in der Migrationspolitik wünschen, ist die AfD womöglich auch zu extrem, aber eben die bis zum Rechtsschwenk der FDP bestehende einzige Alternative. Jeder der Zweifel an der Integrität der AfD hat, wird zunächst nochmal der FDP eine Chance gegeben haben und auch die, die der AfD trotzdem ihre Stimme gegeben haben, sind keine harten Wähler, sie können sich jederzeit wieder umorientieren, wenn sie finden, dass sich die Etablierten wieder glaubwürdig positionieren.

Das Scheitern von Jamaika hat sicher auch im Sinne der AfD Schlimmeres von Deutschland abgewendet, polittaktisch wäre es für die rechte Partei aber sicher nützlich gewesen ihre Konkurrenz, insbesondere die FDP hätte sich in einer links-grün dominierten Chaos-Koalition demontiert. Das die FDP Haltung bewahrt hat, gibt den Liberalen nach rechts bei etwaigen Neuwahlen und in den Landtagswahlen eine sehr viel bessere Ausgangsposition. Die können sich jetzt nach rechts als glaubwürdig verkaufen und so eine Alternative zur Alternative für Deutschland bieten. Wer dafür ist die AfD zu schwächen, musste den Ausstieg der Liberalen aus den Sondierungen begrüßen.

Wer glaubt der Ausstieg sei Wasser auf die Mühlen der AfD, wenn gleich diese erst als Drohkulisse für Lindner dessen Sinneswandel erzeugt hat und deshalb weiter wichtig ist, hat den Rechtsruck der Partei noch immer nicht verstanden. Und er hat auch nicht verstanden, bei welchen Themenkomplex, nämlich der Migration, die Prioritäten des Wahlvolkes derzeit liegen. Slomka und die links-grünen Medien versuchen aber ihr möglichstes um diesen Irrsinn aufrecht zu erhalten, eben um weiterhin rechte Politik, egal von welcher Partei, exterminatorisch aus dem politischen System auszugrenzen.

Wieso? Weil sie eine Frau ist!??! <.<

Zum Abschluss dieses Verrisses will ich, auch wenn es mich davor sträubt, mich in diese Niederungen herabzubegeben, noch um eine besondere Stilblüte dieses Gesprächs kümmern, das ich hatte. Da wird mir doch wenn nicht direkt Sexismus so doch ein Doppelstandard unterstellt. Männer dürften ja anderen Leuten (und vor allem Frauen) ja immer ins Wort fallen, aber wehe eine Frau tut dies! Und überhaupt tun das AfD-Politiker in Talk-Sendungen ja auch.

So räumen wir die AfD-Politiker in Talk-Sendungen erstmal zunächst ab. Das wurde erwähnt, weil ich als Unterstützer der AfD da natürlich Doppelstandards anlegen würde. Erstens in Talk-Sendungen fallen sich die Gesprächsteilnehmer regelmäßig ins Wort, Männer wie Frauen, in den unterschiedlichsten auch parteipolitischen Konstellationen. Das ist der Knackpunkte, wenn man Gespräche statt serieller Monologe, haben möchte. Man muss insistieren, insbesondere wenn man direkt oder indirekt angesprochen wird, um erstens Missfallen auszudrücken und man den Willen verspürt etwas direkt richtig zu stellen. Ein Verhalten das für Moderatoren ebenso normal wie notwendig ist, um Gesprächsteilnehmer zur Räson zu bringen bzw. die Gesprächsleitung in der Hand zu behalten. Natürlich lässt man am besten ausreden, wenn es nicht zuviel wird. Mal quatschte Frau Petry mal in einem Talk hinein, mal kam in einer anderen Sendung ein Gauland so gut wie nie dran, weil er kaum das Wort ergriff aber die Moderatorin natürlich bei denjenigen Teilnehmern blieb, die was auszudiskutieren hatten, um mal bei der AfD zu bleiben und beide Seiten zu zeigen. Für eine Talk-Runde ist das normal und Usus. Es gehört auch zur politischen Darstellung.

Das hier ist allerdings ein Interview, kein Talk. Auch keine Diskussion zwischen Frau Slomka und Herr Lindner, ihre Meinung ist hier herzlich irrelevant und sie hat sie deshalb auch schon gar nicht über Lindner drüber zu sprechen. Und wenn jetzt kommt, aber der Lindner hat ja auch versucht sie zu unterbrechen. Natürlich. Sie hat sich von dem Interview, während er noch in der Leitung ist, abgewandt, um direkt an den Zuschauer gerichtet, ihre Meinung des Gesagten zum Besten zu geben, was schon verflucht frech ist. Da ist es selbstverständlich, dass der Interviewte das nicht einfach so stehen lässt.

Deshalb auch hier zum Sexismus. Nein Lindner darf sie nicht unterbrechen weil sie eine Frau ist und sie ihn nicht, sondern weil sie tendenziöse Meinungen von sich gibt und er sich falsch dargestellt sieht. In gleicherweise hätte sich auch ein Herr Bator oder Herr Kleber behandeln lassen müssen. Also von wegen muh Sexismus! Mit so einem Argument angesichts dieses journalisten Tiefpunkts zu kommen, ist echt erbärmlich. Es riecht stattdessen nach umgekehrten Sexismus, um mal den Spieß umzudrehen, Frau Slomka wird so quasi für ihr Verhalten noch entschuldigt, weil sie eine Frau ist?!!?

Und ich lasse es mal bewenden und gehe nicht noch auf die Körpersprache und ihre besserwisserische Art ein, wie sie Lindner nicht interviewt sondern konfrontiert und verweise nochmal auf den guten Artikel: Polit-Aktivist Slomka von Fritz Goergen.

Slomka ist die Journalistin, die der ÖR verdient

Wenn mir also einer erzählen will, dass Frau Slomka zum besten gehört, was unser Journalismus zu bieten hat, dann scheinen seine Standards nicht hoch zu sein, generell muss der Standard unseres Journalismus in Relation zu ihr massiv gesunken sein. Vielleicht habe auch ich einfach nur verlernt wahres Talent zu würdigen. Tja wenn das wahres Talent ist. Tja… Na dann können wir ja weiter machen mit journalistischen Kasperle-Theater in den Medien mit der AfD und seit neueste der FDP als Buhmann und Prügelknappe der Öffentlichkeit.

Chancellor of the Weed: Politischer & medialer Realitätsverlust

Die FDP lässt die Sondierungsverhandlungen platzen und die Medien, die sich noch nicht von IHREM grasschwangeren Wahntraum Jamaika verabschiedet haben, schlagen auf sie ein. Die Konstante im postdemokratischen Merkel Deutschland nach der Bundestagswahl ist offenbar anhaltender links-grüner Realitätsverlust.

Die FDP lässt die Sondierungsverhandlungen platzen und die Medien, die sich noch nicht von IHREM grasschwangeren Wahntraum Jamaika verabschiedet haben, schlagen auf sie ein. Die Konstante im postdemokratischen Merkel Deutschland nach der Bundestagswahl ist offenbar anhaltender links-grüner Realitätsverlust.

Man sagt ja Jamaika sei das Land, wo der Hanf blüht und man könnte meinen die Medien, die Politiker der an den Jamaika-Sondierungen beteiligten Parteien, ja selbst der Bundespräsident hätten bereits zuviel von dessen Dämpfen inhaliert. Vielleicht hat man auch schon schlechten Shit erwischt, beim vorglimmen im Vorfeld der Sondierungen. Anders ist der Realitätsverlust, der derzeit das Rauschen des medialen und politischen Blätterwaldes bestimmt, nicht mehr vernünftig zu erklären. Berauscht war man derart von Jamaika und seinen botanischen Vorzügen, dass die dreckigen Abstinenzler der FDP jetzt dastehen wie Spießer. Ja sogar wie rechte Spießer oder gar rechtspopulistische Spießer. Denn da gibt es ja keine Toleranz für exotischere psychoaktive Substanzen. Dreckige rassistische Spielverderber und die FDP gehört jetzt dazu. Aus der rauschhafte Fiebertraum von Jamaika.

Als ich gestern morgen (also etwa halb 1:00 morgens) meinen letzten Beitrag zu Merkels Totengeläut schrieb, selbst etwas berauscht von der Nachricht des Merkelschen Scheiterns und dem Ouzo, den ich zur Feier des Tages wieder hervorgeholt hatte, war ich etwas naiv, gutgläubig. Ich hatte geglaubt, dass Merkel doch noch ein wenig Anstand jenseits des unbedingten Willens zum Machterhalt hätte, doch weit gefehlt. Noch wird jenseits von Neuwahlen natürlich noch nach Alternativen gesucht, denn vorgezogene Neuwahlen sind ja schließlich kein Wunschkonzert sondern die Ultima Ratio des demokratischen Systems. Doch natürlich müssen für den Fall der Fälle bereits Optionen besprochen werden. Doch statt ihre Position erst einmal im Wagen zu lassen, um sich in weiteren Verhandlungen nicht selbst die Legitimität zu entziehen, besaß Frau Merkel doch tatsächlich die Chuzpe sich ihrer Partei im Fall von Neuwahlen doch noch einmal als Spitzenkandidatin aufdrängen zu wollen. Sie wagte es gar dabei von Verantwortung zu schwadronieren. Verantwortung ist das, was Frau Merkel während ihrer zwölfjährigen Kanzlerschaft immer gerne wegdeligiert hat und die nur dann opportun war, wenn es darum ging, dass Lob der Bürger einzuheimsen. In Merkels Verantwortung lag die unbegrenzte, planlose, widerrechtliche und ihren Folgen verheerende Migrationspolitik der letzten zwei Jahre. Und damit ist sie, einerseits der Müdigkeit der Bevölkerung an ihrer Person wegen, andererseits eben wegen der katastrophalen Folgen ihrer Politik, auch für eines der schlechtesten CDU Ergebnisse der letzten Jahre und überhaupt verantwortlich. Unter ihrer Herrschaft und durch ihre Herrschaft ist rechts von der CDU/ CSU eine legitime Partei gewachsen, etwas das der eigenen Partei nicht gefallen kann. Wenn Frau Merkel Verantwortung verspüren würde, dann müsste sie sich erst einmal diese Verantwortlichkeiten zuerkennen und müsste um diese Verantwortung dann auch zu übernehmen zurücktreten, mindestens vom Vorsitz der Partei und definitiv auf eine Spitzenkandidatur verzichten.

Stattdessen erleben wir „Ich sehe nicht, was wir anders machen sollten“ in einer Neuauflage. Diesmal nicht zum Schaden des Landes sondern „nur“ zum Schaden ihrer eigenen Partei. So eine Aussage nach einer solchen Wahlschlappe und dem Scheitern der Jamaika-Koalition, die das Volk eben NICHT will, für die es keinen klaren Regierungsauftrag gibt, nur weil sie rechnerisch möglich wäre (das wäre nämlich eine Koalition mit der AfD auch und das das Volk eine solche lieber sähe, zumindest von der politischen Ausrichtung her, ist sehr viel deutlicher) kann nur von wenigem zeugen: einer egozentrischen Borniertheit oder eben Realitätsverlust im Endstadium. Man denkt an den französischen Adel, der am Vorabend der Revolution dekadent auf einem Abendball dahingleitet, dem Volk empfiehlt doch Kuchen zu essen, wenn es kein Brot hat und die Zeichen der Zeit übersehen hat, oder wie die Spitzen des DDR-Regimes, die kurz vor dem Ende, noch den 40. Geburtstag ihrer Diktatur begangen und die brodelnde Stimmung auf der Straße gar nicht mehr wahrhaben konnten, wie es scheint. Angela Merkel ist damit derzeit auf dem besten Weg ihren Ziehvater Kohl auch in dieser Hinsicht zu beerben: Sich für alternativlos und unverzichtbar zu halten und den Zeitpunkt für ein würdiges Ende damit zu verpassen.

Etwas unterscheidet sie noch von Kohl. Sie hat systematisch jede Konkurrenz entfernt. Die CDU ist in den Spitzenpolitiker-Reihen, die am ehesten in Sprungweite für ihren Posten wären, durchsetzt mit Ja-Sagern, monarchisch Ergebenen und dienstbaren Schranzen, von denen keiner die charakterliche Eigenständigkeit und Kaltblütigkeit, zumindest sichtbar, besitzt, die für einen Königinnenmörder nötig wäre. Doch die wird nötig sein, wenn die CDU bei Neuwahlen nicht noch mehr Schaden nehmen will. Von einem Garant auf stabile Mehrheiten ist die ewige Kanzlerin inzwischen zur Belastung geworden. Sie kann nämlich Spitzenkandidaturen verkünden, wie sie will, am Ende hat es ihre Partei in der Hand bzw. kann es in der Hand haben, wenn sie es denn will. Da mein Glaube an Anstand von Frau Merkel erschüttert wurde, will ich nicht ausschließen, dass ihre Partei auch noch die Vernunft beerdigt und sie entgegen meiner klaren Vorhersage doch noch einmal ins Rennen schickt. In diesem Fall ist der CDU jedoch endgültig nicht mehr zu helfen. Spätestens dann aber sollte die nackte Kaiserin um ihren Rücktritt ersuchen.

Steinmeiers selektive überparteiliche Gesprächsbereitschaft

Aber es gibt ja noch Hoffnung das Debakel von Neuwahlen abzuwenden oder gar das gelobte Land Jamaika doch noch erstehen zu lassen, denn Bundespräsident Frank Walter Steinmeier will sich jetzt einschalten und insbesondere noch einmal die Spitzen der vier Sondierungsparteien ins Gebet nehmen und doch auf die Tropeninsel-Koalition verpflichten. Da das schwierig werden könnte, will er sich natürlich auch an die anderen Partein des Bundestages richten. Dass die grasschwangere Luft der Sondierungen den Beteiligten das Hirn vernebelt hat, mag klar sein, aber es wird an den Empfehlungen Steinmeiers auch deutlich, dass er selbst wohl einen tiefen Zug Jamaika zuviel eingeatmet hat und ebenfalls den Bezug zur Realität zu verlieren beginnt.
Seiner SPD hat er nämlich empfohlen doch offen zu sein für Gespräche und Verhandlungen, was kaum anders gedeutet werden kann, als sich als Plan B von Merkel in einer Großen Koalition ein weiteres Mal missbrauchen zu lassen. Ich denke das hat sich die Parteiführung anders vorgestellt mit dem Mann, den sie ins Schloss Bellevue gehievt hat. Faktisch fordert Steinmeier sie dazu auf, aus Gründen der Staatsräson den eigenen Exitus in Kauf zu nehmen. Merkel noch eine Kanzlerschaft zu ermöglichen, wird die SPD endgültig an die Schwelle zur Kleinpartei befördern.
Das Ganze wäre aber freilich für das höhere Wohl, das der überparteiliche Bundespräsident im Kopf haben muss. Er wirbt nämlich für eine Koalition der Anständigen gegen die drohende Gefahr von Rechts, die er natürlich in der AfD vermutet. Wie zugedröhnt sein Schädel von den ganzen Jamaika-Schwaden sein muss, zeigt sich schön in der Formulierung, die er gebraucht, um die Gespräche anzukündigen:

„Aber auch Gespräche mit den Vorsitzenden von Parteien, bei denen programmatische Schnittmengen eine Regierungsbildung nicht ausschließen“

Wie das zu verstehen ist, ist eindeutig: Merkel ist sakrosankt und links-grün sind sakrosankt, denn die AfD soll nicht Teil dieser Gesprächsführung sein. Das dürfte nämlich auch schwierig werden. In einer Art brüningschem Burgfrieden (angelehnt an ein bekanntes Weimarer Wahlplakat) hatte man den Zusammenhalt der anständigen Parteien, vor und nach der Wahl, gegen die vermeintliche Nazi-AfD bekräftigt. Gesprächsbereitschaft anzumahnen und sie nach rechts zu verweigern wirkt wie saubere Doppelmoral. Da man zuvor das hetzerisch-verleumderische Narrativ von der Alternativen für Deutschland als Feinde und Gefährder der Demokratie aufgebaut hatte, verbieten sich jetzt aber natürlich Gespräche mit ihr.
Süffisant aber das Herr Steinmeier nicht begreift, dass bei den Parteien, die maßgeblich von der Wahl profitiert haben (FDP und AfD) und zusammen mit CDU/CSU – als konservativen Kräften – die AfD eher Schnittmengen erzielt, als die Grünen oder die beiden Roten, ist schon ironisch. Tatsächlich sind sich nämlich die Forderungen der CSU und der AfD nicht so fern und die FDP hatte in zentralen Fragen, bei denen sie mit den Grünen massiv uneins sind, vom AfD-Programm kopiert. Und auch in der CDU rumoren die Konservativen.

In welcher Welt, vermutlich einer ohne gutmenschelnden Grasdampf in allen Gassen, Herr Bundespräsident, existieren diese deutlichen Schnittmengen nicht, in welcher Welt, wären diese Schnittmengen nicht sogar stärker als mit Jamaika oder einer GroKo, die niemand außer Merkel will, zwei grundsätzlich kranke Regierungssysteme anzustreben? Und tatsächlich wäre die AfD toleranzbereit womöglich sogar koalitionsbereit unter Bedingungen, von denen der Abschied Merkels Eine wäre.

Wer noch Zweifel daran hatte, dass die vermerkelte CDU nicht längst eine links-grüne Partei geworden ist, der dürfte hoffentlich jetzt die Augen aufmachen, wenn selbst der Bundespräsident eine stärkere Übereinstimmung der CDU mit Grünen und SPD beschwört, als mit der abtrünnigen FDP oder einer konservativen Kraft wie der AfD. Wobei das hier natürlich System hat: das linkshegemoniale Denken, dass mit Merkel eine bereitwillige Exekuteurin hat, ist alternativlos. So alternativlos, dass man abweichende Meinungen als demokratiefeindlich, obwohl legitimerweise im Parlament vertreten ausgrenzen muss. Nur steht das einem Präsidenten, der überparteilich handeln soll und zur Verantwortung gemahnen soll, überhaupt nicht gut zu Angesichte.

Warum die FDP an allem Schuld ist oder Der Selbstbetrug der Medien

Aber das wird natürlich nicht in Frage gestellt. Denn was Jamaika angeht, wurde Vieles nicht in Frage gestellt, solange es halt genug Dope für alle geben würde. Für viele Akteure in den Redaktionsstuben und andere Medienvertreter, war Jamaika nicht nur die logische sondern auch die wünschenswerte utopische Konsequenz, die die Herrschaft Merkels in ihrer finalen Phase gehen sollte. Was nach der völlig vergeigten Wahl nur zunächst nur eine rechnerische Alternative und bei bestem Willen dann auch nur eine peinliche Notlösung für Schwarz-Grün gewesen wäre, wurde dann sehr schnell zu einem utopischen politischen Projekt hochgeschrieben, offenbar hatte man den Rechtsruck der FDP verpasst oder wollte ihn nicht wahrheben. Man hätte die breitgesellschaftliche Anti-AfD-Koalition, würde ein bisschen bürgerliches Alibi betreiben und so die verunsicherten Wähler zurückgewinnen für die moralisch überlegene links-grüne Migrationspolitik und dadurch eine neue Willkommenskultur und ein neues Wir definieren, in dem sich mit fortschreitenden Legalisierungslevel der Flüchtlinge (und des Hanf) alle Probleme wie von Zauberhand auflösen würden.

Das es sich dabei nur um eine Wahnidee eines mehrheitlich grünen oder links-grün denkenden Medien-Mainstreams handelte, fasst Rainer Zitelmann für Tichy in seinem ebenfalls sehr lesenswerten Beitrag: „Drei Parteien, die nicht Selbstmord begehen wollen“ folgendermaßen zusammen:

„Unrecht behielten all die Medien, die eine Jamaika-Koalition herbeireden wollten, die etwas von einem neuen ‚Projekt‘ mit einem neuen ‚Narrativ‘ faselten. Oder von einer ‚interessanten bürgerlichen Koalition‘, welche ’scheinbar Unvereinbares versöhnt‘ usw.usf. ihre gutgemeinten Ratschläge: Die vier Parteien oder Merkel müssten eine „Überschrift“ für die ‚Erzählung‘ finden. So ein Blödsinn! Das waren alles Fantasien von Journalisten, die mehrheitlich grün denken.“

Das Unversöhnliche versöhnt, die Utopie eben, die einem auch vor Augen gestellt wird, wenn man es wagt den Zeugen Jehovas etwas von seiner Zeit zu schenken und einem eine Broschüre mit Bild dargereicht wird, auf der eine Welt entworfen wird, wo selbst der Löwe und das Schaf friedlich miteinander koexistieren können. Man muss sich im Endeffekt dann nur noch die Frage stellen, wo kriege ich diesen Shit her und wie lange muss ich den Joint wandern lassen, bis ich diesen Stuss auch noch glaube?

Die Journalisten waren jedoch von dieser Aussicht sehr angefixt und ein Scheitern dieser Utopie musste fraglos einem Sakrileg gleichkommen. Nur durch einen solchen Realitätsverlust ist erklärlich, weshalb trotz der offenkundigen ideologischen Unvereinbarkeiten die FDP Ziel und Brennpunkt der breitflächigen medialen Entrüstung wurde. Führt man den ganzen Vorgang in die Realität zurück, dann wird die FDP jetzt von der Presse und den anderen Sondierungsparteien dafür geschmäht, weil sie eben nicht bereit war ihr Programm und damit die Wähler, die sie dafür gewählt haben, zu verraten. Eigentlich der Kerngehalt repräsentativen demokratischen Handelns wird hier als Flucht vor der demokratischen Verantwortung verteufelt. Und man folgt wieder einmal unkritisch den Sondierungsparteien und der grün-pseudo-schwarzen Kanzlerin, am Nasenring gezogen, durch die Arena.

Die anderen ließen es sich nämlich nicht nehmen, über die bösen FDP-Abstinenzler dann noch herzuziehen. Man sei sich fast einig gewesen und ein Ergebnis fast spruchreif, wenn denn die unsozialen Liberalen plötzlich und unvermittelt abgesprungen wären. Damit wurde der Eindruck in die Welt gesetzt die FDP sei nur zu gierig gewesen und hätte das Scheitern der Verhandlungen als Selbstprofilierung und Inszenierung nutzen wollen, weil sie den Hals nicht voll genug bekamen. Und da das Schreckgespenst AfD vor der Tür steht und sich die FDP jetzt ja auf diese Weise mit denen irgendwie gemein macht, war man dann auch schnell dabei, diesem Tenor zu folgen. Einschlagen auf die FDP.
Dabei dürfte die ganze Situation doch jedem, der mal kurz darüber nachdenkt, noch mehr zu Denken geben. Wenn nämlich die Aussage, man sei kurz vor einer Einigung gewesen, keine dreiste Lüge war, um den Ausscherern noch eine mitzugeben, denn Verhandlungen kurz vor dem Ziel zu kippen, ist ja besonders unanständig, dann müssten ja schon die Formelkompromisse und Ergebnisse fast fertig gewesen sein. Doch gerade da verwundert es, dass ausgerechnet die als Hure der Macht geltende FDP und nicht etwa die bis ins Mark ideologietriebenen Grünen die Reißleine gezogen haben.
Im Gegensatz zu Zitelmann glaube ich nicht, dass die Parteien nur versucht haben, zu beweisen das Jamaika unmöglich ist, denn dazu passen die Äußerungen der CSU im Anschluss an den Absprung der FDP nicht, sondern das man im Gegenteil tatsächlich ein Einvernehmen erzielen wollte. Die CDU sowieso und Merkel erst recht.

Angesichts der schon in meinem älteren Beitrag angesprochenen unvereinbaren Positionen von Grünen und FDP lässt das nur den Schluss zu, dass die Grünen mit den Ergebnis wohl zufrieden sein konnten. Ganz sicher lässt es sich natürlich nicht sagen, denn schließlich wird man die ganze Sache unter Klosterschwestern und Weed-Buddys vertraulich handhaben. Es liegt allerdings die Vermutung sehr nahe, dass die ohnehin grün denkende Kanzlerin, wie sie es bisher immer getan hat, den Grünen maximal entgegen gekommen ist. Was das auch bedeuten würde, gerade angesichts des Bekenntnisses der CSU zu der Einigung, dass Seehofer und seine Verhandler umgefallen sein mussten, entweder genötigt von der Schwesterpartei oder verlockt von der Macht. Man muss davon ausgehen, dass die CSU bereit gewesen war, ihre Wähler an Jamaika zu verraten, solange die grasschwangere Sause nur weitergehen würde. Leser aus Bayern sollten das bei der kommenden Landtagswahl berücksichtigen.

Es ist zu vermuten, dass die Grünen ein paar saftige Stücke von der Hasch-Torte bekamen, während für die Liberalen gerade in den Kernfragen, bei denen die Grünen mit Gewissheit sonst abgesprungen wären, nur ein paar Krümel, faule Kompromisse und Lippenbekenntnisse übrig blieben. Womöglich hatte man auf den Machtwillen der FDP gehofft. Ich hatte ja auch die Vermutung Lindner würde, um den Wiederaufstieg der Partei unter seiner Führung mit dem direkten Einzug in die Regierung zu krönen, sehr kompromissbereit agieren. Aber man hatte dort, wie ich auch, wohl die disziplinierende Wirkung des kalten Entzugs von der süßen Droge Macht nach der letzten Wahl für die FDP unterschätzt. Die Angst vor einer weiterem schlechten Trip mit anschließendem Hangover und den Jägern von der AfD im Nacken, ließen Lindner wohl im entscheidenden Moment nüchtern werden und mit klarerem Blick übersehen, dass das Verhandlungsergebnis, so es denn tatsächlich soweit spruchreif, kaum etwas anderes als heiße Luft und ein Offenbarungseid gegenüber seinen Wählern gewesen wäre: Massive Verluste bei der nächsten Wahl eingerechnet.
Alles in allem war es daher nur konsequent und für Lindners Position alternativlos, dann aufzustehen und zu gehen, als die anderen die grasgestopfte Friedenspfeife herumgehen lassen wollten, um die letzten Zweifel mit einem tiefen Zug Jamaika einfach wegzuatmen. Über alles weitere, könne man sich noch Gedanken machen, wenn es soweit sei.
Die Idee das die Lösungen für das politische Problem eher rechts, denn ideologisch unvereinbar auf linker Seite zu suchen seien, darauf kam niemand. Die FDP machte sich quasi, weil sie zu ihren kopierten Wahlkampfversprechen stand und weil sie Jamaika deshalb auch noch scheitern ließ, zum Handlanger der Rechten, der AfD, den Nazis, die ohnehin nur von Neuwahlen profitieren könnten.

Morbus Kreuzberg im Endstadium

Jamaika-induzierter Realitätsverlust oder auch „Morbus Kreuzberg im Endstadium“ (wie es Reinhard Mohr 2014 unnachahmlich in der FAZ ausdrückte) anders kann man auf diesen ganzen Irrsinn nicht mehr schauen. Eine Partei wird von einem medialen und politischen Establishment im links-grünen Rausch in die Pfanne gehauen, weil es sich ausnahmsweise an das halten will, was es seinen Wählern versprochen hat. Und das während alle in ihrem Wahn und Tran beginnen hier und dort Nazis zu sehen, eine Inselmentalität pflegen und selbst der überparteiliche Bundespräsident meint, dass Lösungen angesichts der derzeitigen Lage nur links zu finden seien, und selbst wenn FDP oder SPD darüber zugrunde gehen müssten.
Man mag nur hoffen, dass mit der FDP und am Ende auch der AfD noch viele weitere die Fenster aufstoßen und diesen Pfeifendunst endlich auslüften und die Pfeifen gleich hinterher entsorgen.

Koalition: Das System Merkel und seine Grenzen oder Jamaika als Insel Utopia

Die Jamika-Sondierungen offenbaren die Grenzen des Systems Merkel. Scheitern die Verhandlungen ist es das Ende ihrer Kanzlerschaft. Neben ideologischen Differenzen zwischen den Verhandlungspartnern ist es der Schatten der AfD, der mit am Verhandlungstisch sitzt, was eine Einigung inzwischen utopisch erscheinen lässt.

Die Jamika-Sondierungen offenbaren die Grenzen des Systems Merkel. Scheitern die Verhandlungen ist es das Ende ihrer Kanzlerschaft. Neben ideologischen Differenzen zwischen den Verhandlungspartnern ist es der Schatten der AfD, der mit am Verhandlungstisch sitzt, was eine Einigung inzwischen utopisch erscheinen lässt.

Ich unterhalte mich mit einem Freund jetzt dann und wann immer mal wieder über die Aussichten auf die Jamaika-Koalition. Seit der Wahl bzw. schon kurz nach der Wahl war dafür ja auch sehr viel Zeit. Ich denke man braucht nicht lange um den heißen Brei herumzuredenn, dass wir mit einiger Gewissheit nach der Wahl davon ausgingen, dass die Koalition kommen müsste. Nach dem Ausscheren der SPD aus dem Einheitspartei-Verband, der absolut zwingend war, gab es nur noch diese Machtoption. Und angesichts des Linksrucks der Union und der offenkundigen Nähe der Kanzlerin zu grünen Positionen, insbesondere bezüglich der Migrations- und Flüchtlingspolitik, schien es nicht nur wie eine Wunschkoaltiion für Merkel, sie war auch alternativlos für ihre Herrschaft.

Andere vertretbare Optionen gab es nicht. Ich denke man kann der Union kaum einen Vorwurf machen, nicht zu wollen, die AfD selbst mit einer direkten Regierungsbeteiligung aus der Schmuddelecke zu holen. Also lieber weiter seelenlos nach links rücken als sich an den Rechtspopulisten noch den letzten Ruf zu ruinieren. Aber schließlich selbst die verträglichere Option der Duldung einer Minderheitsregierung wäre ohnehin nicht unter der Herrschaft von Frau Merkel zustande gekommen. Alice Weidel hat diese Option klugerweise ins Spiel gebracht, aber eben zur Konsequenz der AfD gehört es , dass die Frau, die die Probleme der letzten Jahre zentral zu verantworten hat, nicht mit AfD-Unterstützung in Amt und Unwürden gehalten wird. Also eine Regierungsbildung der Union auf diese Weise hätte ebenso zwangsläufig ebenfalls ein Ende der Ära Merkel bedeutet. Also Jamaika.

Eigentlich ist sehr offensichtlich, dass eine Regierung, die durch vier Parteien gebildet werden muss, eher krankhaft denn gesund ist. Und das sie kaum mehr sein kann als ein zwangsläufig instabiles Provisorium, insbesondere wenn diese Koalition bezüglich der ideologischen Standpunkte wie eine GroKo der Kleinparteien anmutet. Wenn die AfD häufiger einmal vom Kartell der Altparteien redet, denn kann man es hier ausnahmsweise mal nicht nur im informellen Bündnis von Regierung und vermeintlicher Opposition beobachten sondern in direkter Kungelei. Freilich ist das natürlich für die Regierungsbildung völlig legitim, macht aber deutlich, dass diese Regierungsbildung nicht dafür stattfindet etwas zu gestalten, sondern etwas zu verhindern. Sie soll nämlich ein Bypass für die AfD bzw. eine von ihr initiierte konservative oder rechte Wende in der Politik sein.

Nur so ist nämlich erklärlich, dass neben einigen Bürgern, die längst ihren Frieden mit der Merkel-CDU gemacht haben und für die Schwarz-Grün eine frische Wunschalternative darstellt, auf Jamaika mit ebensolcher Euphorie reagieren wie das (linkshegemoniale) mediale Establishment. Es kommt sozusagen zusammen, was in den letzten Jahr immer organischer zusammen gehört und die moralisch erhabene Migrationspolitik fortführt. Und natürlich blockiert sie die Ambitionen der Alternative für Deutschland und jetzt wieder mit dem Rechtspopulismus flirtenden CSU und FDP. Wir erleben die Selbstinszenierung all dieser Parteien und noch stärker der Grünen als auch deren Fremdinsnzenierung durch die Medien eben auch als eine Koalition der demokratischen Kräfte gegen den rechten Ansturm der Steppe könnte man meinen und baut auf die Verhetzung, die man im Vorfeld der Wahl betrieben hatte. Manch einer ist von seinem Narrativ wohl auch mehr als überzeugt. Diese eigentlich in allen Belangen kränkliche Koalition wird zu einer gar nicht mehr angezweifelten Notwendigkeit, die sogar begrüßt wird.

Das Narrativ, das sich hierbei am hartnäckigsten hält und quasi als Legitimation für diese Scharade herhalten musste, ist die des Wählerauftrages. Die CDU hätte einen Wählerauftrag erhalten die Regierung zu bilden und deshalb seien diese Verhandlungen so zu führen. Tatsächlich ist das eine glatte Fehleinschätzung. Die CDU hat ebenso wie die SPD massiv bei der Wahl verloren und Frau Merkel hat nicht den Anstand besessen die verfehlungen ihrer Politik und damit ihre eigenen Verfehlungen einzusehen und die Konsequenzen zu ziehen. Sie ist nicht zurückgetreten, um diesen Wählerwillen zu würdigen. Vielmehr ist in ihrer Niederlage allein aufgrund ihrer allgemeinen Größe die CDU nur auf dem Punkt geblieben stärkste Partei zu sein und damit ein „Vorrecht“ auf erste Sondierungen zu haben, während freilich jede Partei eine rechnerisch mögliche Koalition begründen kann. Doch die Politik Merkels wurde eindeutig abgewählt. Das Mandat zur Regierungsbildung hätte allein darin bestehen können, diese Regierung ohne die Altlasten der Regierung Merkel zu bilden.

Und noch etwas wurde abgewählt: Linke Politik. Die SPD ist nach einer Legislatur, in der sie faktisch sogar eine Menge ihrer sozialen Forderungen umsetzen konnte, mit Krachen aus der Regierung befördert worden. Die verlinkte CDU hat ebenso Federn lassen müssen. Die Kräfte die profitiert haben sind eine FDP, die traditionell eher rechts ist und sich als Kopierpartei schamlos bei der AfD bedient und somit gepunktet hat und eine CSU, die ihren endgültigen Sturz dadurch verzögert hat, in dem sie auf Distanz zu Berlin gegangen und in Nähe zu AfD-Forderungen getreten ist. Und natürlich der grandiose Erfolg der AfD selbst als drittstärkster Kraft. Am Ende hat der Bürger wenn überhaupt ein Mandat für eine rechte, konservative, einwanderungskritische und -begrenzende Politik erteilt. Eine Politik, die eine CDU die tatsächlich noch konservativ wäre, hätte auch mittragen können.
Stattdessen verkauft man uns Jamaika, also Schwarz-Grün im Instabilitätsformat als den eigentlichen Wählerwillen, obwohl es nur ein fauler Formelkompromiss der Machterhaltung wäre. Die verlinkte CDU unter Merkel, die die letzten Jahre ihre Verachtung für das eigene onservative Erbe und ihre Liebe zur grünen Partei deutlich gemacht hat, als auch die grüne Partei würden daher diese Koalition stark prägen und hegemonialisieren und gerade im Kernstreitpunkt Migration und Flüchtlinge, aber auch in anderen Bereichen (bspw. der Umwelt) eine links-grüne Ordopolitik aus dem Lehrbuch und ein Weiter so der verfehlten Migrationspolitik exekutieren. CSU und FDP würde man mit Lippenbekenntnissen und butterweichen Obegrenzen abspeisen. Zumindest war das der feuchte Wunschtraum mancher Kommentatoren und Wähler, für die die grundsätzliche Richtigkeit Merkelscher Aufnahmepolitik und der Erhalt der bestehenden Linkshegemonie Staatsräson ist.
Am Ende also ist zu konstatieren: Der Wähler straft die linke Politik an der Wahlurne ab, aber eine links-grün dominierte Jamaika-Koalition des Weiter so, soll der Wählerwille sein. Wer so denkt für den ist im Orwellschen Sinn tatsächlich Krieg = Frieden, Hass = Liebe und Unfreiheit = Freiheit.

Die Prognose

Schon vor der Wahl zog ich Jamaika in Betracht unter der Bedingung, dass die Grünen in den Bundestag einziehen würden. Damals konnte man ja noch hoffen, dass #grueneversenken funktionieren würde. Wir wurden leider mit dem Gegenteil und einem noch viel zu guten Ergebnis dieser inzwischen völlig irrationalen Partei überrascht. Aber ja der Weg für Jamaika war damit frei, denn das die AfD stark abschneiden würde, war längst klar und das es für eine Option ohne SPD nur mit einer dritten Partei reichen würde. Auch wenn ich nicht mit einem derartig starken Rutsch bei der CDU gerechnet habe. Hat sich das Ganze bewahrheitet. Es war schnell klar, dass die SPD ihr Heil eigentlich nur noch in der Opposition suchen konnte. Die Wunden konnte man sich nicht noch einmal in einer durch und durch vergifteten Koalition lecken, ansonsten wäre man spätestens bei der nächsten Wahl endgültig im Koma.

Meine ursprüngliche Überlegung war, dass Jamaika auf jeden Fall ans Laufen kommen würde. Das stand für mich eigentlich kaum in Frage und es eher die Frage wäre, wie lange die Koalition halten würde bzw. wie lange sie handlungsfähig bliebe, denn schließlich könnte Merkel auch anders als ihr Vorgänger Schröder einfach vermeiden die Vertrauensfrage zu stellen, um ihre vierte Amtszeit abzuschließen, egal wie unwürdig.

Es gab für mich durchaus Gründe dieses Szenario als wahrscheinlich anzunehmen. Natürlich ist man ja selbst teils auch Opfer der Berichterstattung, die diese Option wie beschrieben sehr nahegelegt haben, andererseits gab es noch andere Punkte zu beachten. Christian Lindner hatte bspw. die gerade nach der letzten Wahl zetrümmerte FDP gesammelt und aus dem Stand heraus mit einem guten Ergebnis aus der APO zurück in den Bundestag gebracht. Diesen Sprung zurück ins Parlament dann auch noch mit einer direkten Beteiligung an der neuen Regierung zu krönen, hätte seine Position an der FDP-Spitze auf Dauer gesichert und er hätte womöglich den verstorbenen Guido Westerwelle damit auch deutlich überflügelt und sich seine Sporen und seinen Platz in der FDP-Ahnangallerie damit verdient. Die Regierungsbeteiligung anzustreben und dabei durchaus flexibel zu sein (zumal man mit gegensätzlichen Tönen bereits sowohl in die rechte als auch die linke Richtung geflötet hatte), was die eigenen Forderungen angeht.

Die CSU nahm ich in der Konstellation nicht wirklich Ernst. Auch nicht ganz zu Unrecht in Anbetracht der letzten Jahren, musste man sie kaum als etwas anderes als das Anhängsel der CDU bewerten, als den zahnlosen bayerischen Bettvorleger Merkels. Im Prinzip käme es auf die CSU auch final nicht an, denn schließlich ist auch der bayerische Fuß in der Tür in Berlin womöglich wichtig für den Einfluss der Regionalpartei auf die auch sie betreffende Bundesebene, das sie Kröten zu schlucken bereit ist.

Bleiben noch die Grünen. Im Gegensatz zur SPD waren die Grünen seit Ende der Ära Schröder nicht mehr an der Regierung beteiligt gewesen und tatsächlich hatten sie mit Merkel eine Verbündete, die bereit wäre, grundsätzliche Forderungen auch zu unterstützen oder gewähren zu lassen. Eine Möglichkeit einerseits politische Vorhaben und reine Lehre, die bei den Grünen traditionell noch wichtiger sind als reine Machtbeteiligung umzusetzen, andererseits mit der erneuten Regierungsbeteiligung wieder in den Genuss von Posten und Postenbesetzungsstellen zu kommen, ebenso wie an reichlich gefüllte Fördertöpfe für grüne Herzensprojekte. Mit Göring-Eckhardt finden wir dann auch einen Merkel habituell sehr ähnlichen Charakter an der Spitze der Partei mit dem seit Jahren unübersehbaren Drall ins besser gestellte progressive Bürgertum, ein quasi grün-konservatives Eliten-Millieu, auf das sich auch Winfried Kretschmann in Baden-Würtemberg stützt. Es stand zu erwarten kompromissbereit genug zu sein, um diese Machtmodell auch im Bund mit all seinen Vorteilen zu etablieren.

Über die CDU habe ich an der Stelle kein Wort verloren, denn über die wird gleich im Anschluss zu sprechen sein. Nur soviel, um kurz vorzugreifen, bleibt festzustellen, dass deren Position an dieser Stelle nämlich gar nicht von Relevanz ist.

Jamaika als einem Utopia linksgrünen hurra-christlich progressiven Bürgertums standen dann nur noch profane Koalitionsverhandlungen im Weg, von denen ich dann eben ausging, dass sie unter der Moderation der erfahrenen Gegensätze-Beseitigerin Merkel und angesichts des grundsätzlichen Interesses aller Parteien an einer Regierungsbildung über die Bühne gehen würden. Freilich gab es eklatante Gegensätze zwischen den Parteien, aber ich hielt sie angesichts der Verlockungen, die die Macht der Regierung bot, für schnell überbrückbar. Tatsächlich hatten alle etwas zu gewinnen und man konnte konkrete Absprachen zu den wirklich strittigen Themen, eigentlich nur der Migrationspolitik, mit Absichtserklärungen vermeiden und auf später vertagen, wenn die Regierung bereits ihre Arbeit angetreten hätte.

Denn wie Hannibal seinerzeit vor den Toren Roms stand, schwebte über dem Ganzen das dräuende Fallbeil von Neu-Wahlen. Auch wenn ich die Meinung vieler Kommentatoren nicht teile, dass die AfD aus diesen unbedingt gestärkt hervorgehen würde (auch angesichts des Verhaltens der FDP der letzten Wochen) musste es dennoch eine Drohkulisse sein, die man zu fürchten hatte und die disziplinierend wirken könnte.

Meine Prognose war also: Ja Jamaika wird kommen, man wird sich erstmal zusammenraufen. ABER diese Koalition wird wohl nicht die komplette Legislatur hindurch halten, allerdings könnte man mithhilfe des Regierungsbonus freilich besseren Wahlkampf machen und hätte bis zum endgültigen Bruch Zeit seine Schranzen auf Posten zu hieven und die ein oder andere Initiative anzustoßen oder mit weiteren Geldern vollzupumpen. Demokratie leben und so.

Doch erweist sich angesichts der massiv zähen Koalitionsverhandlungen und dem erstaunlich starken Rücken aller Parteien, einschließlich der Grünen und FDP diese Prognose für mich inzwischen recht unüberraschend überraschend als falsch. Ich habe einen Faktor wohl unterschätzt, der das lange funktionierende System Merkel massiv stört und die Reisegesellschaft ins jamaikanische Utopia womöglich noch in dieser Nacht oder in den kommenden Tagen zum Kentern bringen könnte.

Das „System Merkel“

Das ist wohl ein guter Zeitpunkt um nun auf die CDU zurückzukommen. In der Nachschau betrachtet kann man natürlich fragen, wie weit handelt Merkel ideologisch, wie weit machtpolitisch und wie weit kommt ihre ideologische Disposition ihren machtpolitischen Ambitionen entgegen. Ich hatte dazu noch einen Artikel in Arbeit, also verschiebe ich das an der Stelle mal und will mich dem System Merkel widmen.

Dieses gewinnt an sich auch jetzt erst mit dem Abstand von mehreren Legislaturen als Anschauungsmaterial Form und mit der Negativfolie der derzeitigen Koalitionsverhandlungen Kontur finde ich. Konnte man nach der ersten GroKo noch von Glück oder Erfolg reden, erkannte man nach der schwarz-gelben Koalition langsam ein Muster, so kann man wahrscheinlich der letzten Legislatur wirklich von einem System oder einem Erfolgsrezept sprechen.

Manch einer Kommentator, vor allem verbitterte Alt- oder Ex-CDUler sprechen was Merkel angeht von einem linken U-Boot, das die Partei unterwanndert hat und unterschieben ihr quasi ideologische Motive für die Sozialdemokratisierung bzw. den Linksruck der CDU. Tatsächlich muss man festhalten, dass Frau Merkel in vielen sozialdemokratischen Politikfeldern weder mit Herz, noch mit Einsatz oder manchmal überhaupt einer über das Allgemeine hinausgehenden Wortmeldung dabei war. Sie hat Politikfelder z.B. den Umweltschutz (Klimakanzlerin) besonders dann eifrig besetzt, wenn es dafür gerade öffentliche Unterstützung einzuheimsen gibt. Unter diesen Aspekt ist dann auch zu fragen, ob Merkels liberale Flüchtlingspolitik ihr tatsächlich ein Herzensanliegen ist oder ob sie sich dabei doch auch auf den Zuspruch damals der Bevölkerung, heute nach wie vor des medialen Establishments stützt.
Wenn man sich ihre sonstige Politik ansieht ist sie eher geprägt von rationalen Entscheidungen, entweder danach welche Politik ihr für die gestellte Situation die beste deucht oder welche von verschiedenen zur Auswahl stehenden realistisch durchzusetzen oder umzusetzen ist. Deshalb blüht sie in „Krisen“ auf, weil diese ohnehin die Handlungsmöglichkeiten beschränken und versinkt in der gestaltenden Tagespolitik ins Unbestimmte, weil ihr offenbar langfristige Vorstellungen einer Zukunft für Deutschland abgehen.

Und hier kommt das System Merkel ins Spiel. Angesichts des grandiosen Wahlerfolgs der CDU bei der Wahl 2013 wagte so mancher ja schon von einer absoluten Mehrheit zu träumen. Eine Situation die für Frau Merkel eher einem Alptraum gleichgekommen wäre, da die unter ihr reaktiv gewordene CDU dann hätte einzig führen und Politik initiieren und damit auch verantworten müssen. Und schlussendlich nicht nur die Partei sondern auch sie als Vorsitzende.

Der Modus von Merkels Kanzlerschaft ist jedoch nie die absolute Mehrheit gewesen, die hätte sie fürchten müssen, sondern der Modus der Koalition. Insbesondere die Bequemlichkeit der Großen Koalitionen mit ihren breiten Mehrheiten, der breiten fast schon überparteilichen Akzeptanz in der Bevölkerung und einer Form der Übereinstimmung, für die Konkordanz statt Konsens wohl ein passenderer Begriff wäre. Tatsächlich war die Koalitionszeit mit der FDP dann doch eher ungemütlich. Doch das ganze Chaos lastete man sehr einfach der Chaostruppe FDP an, die nach der langen Entwöhnung von der Macht noch gar nicht so recht wussten, wie der neue politische Laden unter Merkel lief.

Das System Merkel ist ein System der Machtteilung und vor allem Verantwortungsverteilung. Seine Basis ist die Koalition. Hierbei wird nämlich dem Koalitionspartner die Aufgabe zuteil als Juniorpartner hauptsächlich die politischen Initiativen vorzugeben. Das Funktion besonders dadurch gut, dass natürlich die Juniorpartner sich für die nächste Wahl besonders profilieren müssen, um weiter zu wachsen, im Fall der SPD die Regierung zu übernehmen oder zumindest ihren Status zu erhalten, wie bei der FDP. Sie bringen neue Ideen und Initiativen ein und versuchen sie durchzusetzen und platzieren sich damit auch prominent in der Öffentlichkeit. Doch gleichzeitig übernehmen sie damit einen Großteil der Verantwortung.

Die Rolle der CDU hierbei ist es nicht den Ton anzugeben sondern als eine zunehmend gesichtslose Kraft, denn Merkel feilt zusammen mit Konkurrenten, die ihr gefährlich werden können, auch die Ecken und Kanten des Parteiprofils ab, quasi die Regierung zu verwalten. Es werden für das eigene Klientel noch Scheindebatten inszeniert, während man im Hintergrund mehr als kompromissbereit ist und öffentlich nur etwas auf die Bremse drückt, um die geplanten Vorhaben der jeweiligen Partner so zu mäßigen, dass sie der Bevölkerung keine Angst mehr machen müssen.

Frau Merkel, die sich selbst ohnehin kaum öffentlich in die Parteipolitik involviert erhält sich damit den Ruf einer über diesen Dingen schwebenden Sachvalterin, obwohl ihre Partei freilich schon halbwegs weisungsgebunden eher Kompromisse als Streits anstrebt. Und es wird so aufgenommen als öffne Merkel die CDU dann für die progressiven linken Ideen ihrer Koalitionspartner, was ihr dann selbst von bürgerlichen Linken positiv ausgelegt wird.

Das ganze führt zu drei entscheidenden Vorteilen. Zunächst können ihr durch ihr distanziertes Vorgehen Fehler nur schwer angelastet werden. Vielmehr sorgt selbst die Zähmung ihrer Partei dafür, dass gerade der Koalitionspartner als irrationaler Heißsporn oder eben als Chaostruppe dasteht, wenn es mal schiefläuft oder Streits eskalieren. Die Verantwortung wird also in spielfeld des Koalitionspartners abgeschoben. Gleichzeitig profitiert Merkel und mit ihrer Person auch die CDU als Chefin und Repräsentantin der Regierung dann aber das Lob dafür, wenn etwas gut läuft, ob es tatsächlich ihre Politik war oder sie überhaupt etwas dazu getan hat, ist dann unerheblich.

Das führt schließlich dazu die CDU zu einer Projektionsfläche für Wählerschichten aus den jeweiligen Partnerparteien aufzubauen. Man weis nicht so recht wofür die CDU steht oder glaubt sie würde eigentlich für konservative Politik stehen, aber wenn ich Merkel wähle, dann kriege ich schon das, was ich will. So ist es innerhalb von zwei Legislaturen gelungen die linke Mitte der SPD hart abspenstig zu machen und sie quasi zwischen sich und der Linkspartei zu zerreiben. Und die 2013er Wahl kann man in ebensolcher Weise deuten, dass die Leute, die mit der GroKo unzufrieden waren und schwarz-gelb wollten, dann vor einer gelben Chaostruppe standen und dann lieber der stabilen Angela fast zu einer Alleinregierung verhelfen wollten, denn in sie und die CDU war das Vertrauen offenbar nicht erschüttert.

Mit einem gewissen Kalkül nimmt man quasi der Konkurrenz, insbesondere wenn man mit ihr verpartnert ist, noch vor den Wahlen die Themen weg, besetzt sie selbst und lässt sie mit den eigenen abstrusen Vorschlägen willfährig gegen die Wand laufen, um die Folgen dann an sich abperlen zu lassen, um sich als vernünftige Alternaitve zu inszenieren. Den Vorstoß zur Ehe für alle kann man wohl auch kaum anders bewerten als dieses Reizthema noch vor der Wahl von der Agenda zu nehmen. Merkel mag nominell dagegen gewesen sein, ein letztes konservatives Feigenblatt, am Ende zählt aber nur, dass es ihre Entscheidung war, die den Weg dafür freimachte. Kritik daran kam hauptsächlich von rechts, denn links war man noch gefangen in der Freude über die aus heiterem Himmel angesetzte und gewonnene Abstimmung.

Das besonders Perfide natürlich an dieser ganzen Art der Regierungsführung insbesondere in Richtung links, wie kann man eine Regierung bzw. seine Partner-Partei dafür kritisieren, dass sie die Politik hat durchgehen lassen, die man selbst wollte oder als Opposition wie soll man eine Regierung für eine Politik angreifen, die man selbst ebenfalls wollte. Das funktionierte insbesondere in Zeiten der linken Hegemonie im Parlament mit der Einmütigkeit in zentralen politischen Fragen (wie Migration, wie Europa) dann besonders reibungslos.

Die Grenzen des Systems Merkel

Es mag daher eine gewisse Ironie sein, dass die konsequente Anwendung dieses Prinzips in der Migrationsfrage jedoch wohl das Ende des Systems Merkel besiegelt hat, wobei die Kanzlerin hierbei einen fatalen Fehler beging. Angesichts der breiten Solidarisierung in 2014 und 2015 mit dem Sommer der Willkommenskultur und noch bevor die drastischen Folgen der Aufnahmepolitik offenbar wurden, wäre es aus PR-Sicht sträflich gewesen, nicht die Welle der gutmenschlichen Selbstlosigkeit und zugleich Selbstfeierung zu reiten, doch Merkel bezog anders als im Vorfeld des Atomausstiegs eine Position, die sie zu lange nicht revidierte bzw. relativierte, sodass als der Punkt gekommen wäre, eine Kehrtwende zu vollziehen, ohne als deutliche Heuchlerin dazustehen. Auch das ist relativ zu betrachten, denn noch immer hält man ihr die Stange für ihre Standhaftigkeit. Allerdings hatte sie hier eine umstrittene politische Position zentral mit sich, ihrem Gewissen und ihrer Person verbunden. Damit waren sie und die CDU jetzt angreifbar geworden. Eine Handlung, die wohl zu den Verlusten bei der Wahl beigetragen hat, weil sie eben mit der SPD, den Grünen und den Linken damit endlich mitgehangen hatte und mitgefangen wurde: die CDU nichtmehr als überparteiliche Alternative sondern ebenfalls als Teil des Problems. Diese Verluste der CDU (und der anderen Parteien) sowie die Weigerung der SPD sich noch einmal für eine Regierung Merkel zu verwenden, schränken den wichtigsten Pfeiler des Merkelschen Systems ein: die Fähigkeit Koalitionen zu bilden.

Wie beschrieben basiert Merkels Herrschaft nach meiner Anschauung vor allem darauf die Initiative und die Verantwortung an einen kleineren Koalitionspartner deligieren zu können, weshalb Koalitionen gebildet werden müssen und vorzugsweise mit solchen Parteien in deren Gefilden man stark wildern und seine Macht verfestigen kann. Die besondere Zuneigung von Merkel zur SPD wird damit denke ich verständlich. Außerdem ist außer in Zeiten absoluter Mehrheiten die Koalition ohnehin Bedingung für die Regierungsfindung.
Da die CDU mit einiger Gewissheit und dank der Schrumpfung der Koalitionspartner die Regierung stetig anführen würde, war nur die Frage danach zu klären, welche Partei sich hingibt.

Für die Merkel-CDU war es deshalb die wichtige zentrale Entscheidungen das Portfolio mglicher Koalitionen zu erweitern. Galt die GroKo zunächst als eine Notlösung für das dipolare Parlament war es auch noch vor der Wahl und dem desaströsen SPD-Ergebnis quasi die natürliche Merkelsche Option. Eine GroKo, die man dann als Bündnis der demokratischen Kräfte gegen die AfD legitimieren könnte, gilt ja immer noch als ein Notfallplan für gescheiterte Jamaika-Verhandlungen ohne Neuwahlen. Schwarz-Gelb ist zudem das klassische Gespann der Konservativen und für eine marktliberale FDP wohl auch die einzige sinnvolle Option. Mit dem Linksruck der CDU und eines Öko-Konservatismus der Marke Kretschmann war auch die Schwarz-Grüne-Option auf dem Tisch, die Merkel in den letzten Jahren ja auch förderte. Das Merkel sich aussuchen könne, mit wem sie koaliert war dann bald eine Phrase, die die praktische Alternativlosigkeit ihrer Herrschaft unterstrich.

Da wir den Linksruck ansprechen, kann man ja fragen, wie denn mit einer CDU all diese Koalitionsoptionen, insbesondere mit den Grünen, reiblungslos abgehen könnten? Wie beschrieben ist es nicht allein ein Linksruck, sondern auch eine Gesichtslosmachung. Denn tatsächlich wenn zwei Partein mit eigenen Interessen in Verhandlungen treten bleibt ein nicht kleines Risiko, dass womöglich keine Koalition zustande kommt. Dieses Problem wurde über die Jahre mit der Entkernung der CDU eingedämmt. Mit internen Kritikern und Konkurrenten entfernte Merkel sowohl Meinungsalternativen (bspw. Vertreter eines starken Konservatismus wie Friedrich Merz) innerhalb der Partei als auch Ecken und Kanten nach außen, die auf andere Parteien hätten abschreckend wirken können. Man erschuf einen zunehmend größeren Leerraum aus der Partei, den man dazu nutzen konnte, um mit dem oben beschriebenen Verfahren die Positionen der Koalitionspartner an sich zu ziehen.
DIe CDU verlor damit ihr Profil, insbesondere ihr konservatives, und wurde zu einer gesichts- und weitestgehend identitätslosen Regierungspartei, die sich vor allem überparteilich und damit maximal anschlussfähig präsentiert. In gleichem Maße wie das Angebot an starken Konkurrenzcharakteren schrumpfte, werde Merkel selbst immer wichtiger und alternativloser für die Partei, gleichermaßen nahm aber auch ihre Beliebtheit in der Bevölkerung als über der Parteipolitik schwebende Monarchin zu, was wiederum der CDU gute Wahlergebnisse, eine sichere Regierungsführung und damit einen dauerhaften Zugang zur Macht sicherte. Die CDU tauschte ihre Profil, Identität und Standpunkte gegen Macht ein.

Deshalb ist die Koalitionsfindung kein Problem. Wichtig ist das sie zustande kommt und dann durchregiert werden kann. Die CDU wirkt in den Verhandlungen mäßigend auf die Forderungen des Partners ein, aber das Profil ist derartig butterweich, dass es bei Fragen nach dem Was kaum zu Problemen kommt, die nicht zugunsten der Regierungsetablierung beiseite geräumt werden als eher nach dem Wie, wo dann aber entsprechende Kompromisse gebildet werden können.
Merkel ist mit ihren Koalitionen so erfolgreich, weil die CDU kaum als eigene Verhandlungskraft auftritt, im Zweifel steckt sie zurück, solange die Regierung zustande kommen kann.

Und damit kommen wir zu den Grenzen des Systems, das jetzt in den Jamaika-Verhandlungen an Konturen gewinnt. Damit das System Merkel weiterlaufen kann wie bisher sind sichere Koalitionsmöglichkeiten erforderlich. Wegen des Starken Abschneidens der AfD und der Weigerung der SPD steht nur noch Jamaika als einzige Alternative offen, was eine strategisch unangenehme Sackgasse bildet.

Un die Jamaika-Koalition hat den Nachteil das sie ein Drei-Parteien-Bündnis ist. Eigentlich ein Vier-Partein-Bündnis, denn tatsächlich ist es in dieser Konstellation tatscähclih relevant die CSU als eigenständig hervorzuheben. Das große Problem dieser Verhandlungen ist in zentralen Problemen, eigentlich DEM zentralen Problem, nämlich der Migrationspolitik auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen.

Bei den Gründen für meine oben angeführte Prognose ging ich von einer rational zu begründenden Kompromissbereitschaft aller Parteien aus, die es möglich machen würde, dieses Thema entweder beiseite zu lassen oder sich auf einen Formelkompromiss zu einigen, zumindest von einer der beiden Seite. Während die ideologiegetriebenen Grünen zwar auch Gründe hätten nachzugeben, stand eher zu erwarten, die FDP (die sich vor dem Kopieren der AfD durchaus migrationsfreundlich gezeigt hatte) würde eher nachgeben und mit ihr auch die CSU. Was ich bei dieser Prognose unterschätzt habe, war das Drohpotenzial des schlechten Abschneidens der CSU bei der Bundestagswahl und die Drohkulisse der kommenden Landtagswahlen. Sowohl die CSU als auch Lindner haben eine Menge zu verlieren. Die FDP insbeosndere, da ein guter Teil ihres Erfolges darauf gründet, dass man ihr lieber eine zweite Chance gegeben hat, statt direkt AfD zu wählen. Und das könnte ganz schnell umschlagen, wenn man nicht liefert. Die Grüne Basis selbst ist ideologiegetrieben und dürfte ihre Parteiführung geradezu zerreißen, wenn es bei einer harten Haltung, wie sie FDP und CSU in Fragen der Migrationspolitik versprochen haben, bleibt.

Wir haben tatsächlich eine Situation widerstreitender, sich absolut ausschließender Positionen, bei der beide Kontrahenten eigentlich nicht nachgeben können, ohne ihren Leumund und damit das Wohlerhegehn ihrer Parteien zu riskieren oder gar zu ruinieren.
Moderation und Führung von der designierten Regierungschefin wäre wohl gefragt, aber eigentlich kann sie nichts tun. Wie Friedrich von Osterhal anhand von Aussagen Claudia Roths zutreffend bemerkt:

Für Verhandlungen muss es Spielraum für Kompromisse geben, die gibt es in diesem Fall weder von gelb noch von grün, nicht weil sie nicht gewollt, sondern weil sie schlicht nicht möglich sind und damit ist eigentlich die Verhandlung praktisch am Ende.

Merkels viel gepriesene Verhandlungsstärke funktioniert hier nämlich nicht. Ihre Fähigkeit auch gegen scheinbare Widerstände Koalitionen zu bilden, basierte bisher nicht darauf, dass sie geschickt moderieren und Interessen ausgleichen konnte, sondern das zugunsten der Macht und ihrer Macht, die unter ihrer Führung stehende CDU im Zweifel sich selbst verbogen und den Weg frei gemacht hat, solange er zur Koalition und damit zur Regierung führte.
Doch jetzt ist es nicht mehr CDU/CSU +1 sondern CDU + 2 + 1. Selbst wenn die Union Konzessionen in beide Richtungen machen würde, denn es wird gewiss nicht an der Merkel-Partei scheitern, kann kein Kompromiss bezüglich sich ausschließender Positionen gefunden werden und auf die FDP oder die Grünen hat Merkel eben keinen Einfluss und der Einfluss auf die angeschlagene CSU schwindet.
Bei drei Parteien mit unvereinbaren Interessen, wo es es nicht mehr reicht, dass sich nur eine von ihnen gänzlich profillos zurückhält, hat das System Merkel seine Grenzen erreicht.

Und ein System Merkel, dass die Aufgabe des eigenen Profils, der eigenen politischen Standpunkte und Glaubwürdigkeit nicht mehr mit guten Wahlerfolgen und Führung der Regierung belohnt, im Gegenteil sogar zu Verlusten führt, wird die Partei nicht mehr akzeptieren können. Selbst in einer Partei ohne starke Alternativen wird sich schon eine von der Leyen finden, die die Königsmörderin geben wird.

Wenn Jamaika vorzeitig scheitert und die SPD nicht bereit ist für die Anti-AfD-Koalition doch noch in den Ring zu steigen, dann sind die Tage von Merkels Kanzlerschaft und ihrer politischen Karriere gezählt. Eine Minderheitsregierung wird es nur ohne sie geben, einen neuerlichen Wahlkampf mit ihr wird man kaum mehr rechtfertigen können. Eine Ära muss man sagen, wäre dann zu Ende.

Der ständige Schatten über den Verhandlungen

Und da bei aller nautischen Inselromantik eine Metapher ganz besonders nicht fehlen darf: Wer ist denn nun der Eisberg, der die MS Merkel noch auf ihrer Reise nach Jamaika gerammt hat, sodass das Schiff nun zu kentern droht, bevor es im tropischen Paradies ankommt? Der Eisberg ist hellblau und trägt die Aufschrift Alternative für Deutschland. Ein nicht wenig bekannter YouTuber merkte kürzlich in einem weiteren Anflug infantiler Hetze, dass die AfD nur im Bundestag sei, um sich die Taschen zu füllen und Nichts leistet.

Wie schon mehrfach betont, leistet die AfD seit ihrem Bestehen sehr viel für die demokratische Kultur, die jetzt ein Rechts und damit eine Alternative zum System Merkel und der damit verbunden linken Diskurshegemonie bietet. Tatsächlich würden wir ohne die AfD wohl kaum vor dieser Situation stehen, wie sie sich uns jetzt bietet.

Auch ohne die AfD dürfte die Wahl für die SPD kaum glimpflich abgegangen sein, vielmehr stünde womöglich schwarz-gelb mit einer starken FDP oder doch immer noch Jamaika auf der Tagesordnung. Ohne die AfD aber, die das rechte Feld quasi in Bewegung und in Unruhe versetzt hat und die etablierten Parteien richtigerweise vor sich hertreibt, also jagt, dürfte wohl kaum davon ausgegangen werden das Lindner und seine FDP ihre noch vor einem Jahr demonstrierte offene und tolerante Haltung gegenüber Migranten fundamental durchdacht hätten. Zugleich wäre also die Möglichkeit und Bereitschaft gewesen mit Merkel business as usual als Fortsetzung der Wilkommenskultur-Koalition zu machen.

Ein fiktives No-AfD-Jamaika wäre fraglos so auch leichter zu bewerkstelligen gewesen. Die FDP mag vielleicht nicht sooo offen gewesen sein wie die Grünen, wäre aber sicher in der Lage gewesen sich irgendwo in der Mitte zu verständigen.

Mit der AfD geht das alles nicht mehr. Die Partei ist da und hat eine klare Haltung zur Migrationspolitik und weis dabei eine breite Mehrzahl der Bürger zumindest in dieser Ansicht hinter sich. Wer mit der Mirationspolitik der Kanzlerin nicht mehr einverstanden war, konnte nun diese Partei wählen. CSU und FDP haben sich also also etwas wie früher im Stile migrationsskeptischer Law & Order-Politik inszeniert, sich quasi AfDisiert und deren Positionen kopiert. Der AfD hängt natürlich dank der medialen Hetze ein gewisser Ruch an und da wundert es nicht, wenn die Bürger doch noch nach Strohhalmen greifen um bloß nicht die bösen Rechtspopulisten zu wählen. Sie wählen die FDP und CSU für AfD-Politik, die nicht von der AfD gemacht wird. Es ist ein Vertrauensvorschuss oder im Fall der FDP eine zweite Chance.

Und trotzallem war es nicht gelungen die AfD zu marginalisieren, sie ist stattdessen zur drittstärksten Kraft geworden. Damit hat sie nicht nur eine bequeme Bildung gemächlicher „Weiter so“-Koalitionen blockiert, sondern sie sitzt jetzt als direkter oppositioneller Mahner (etwas das man aus Merkelzeiten gar nicht mehr so recht kannte) im Bundestag und wird CSU und FDP jederzeit mit Freuden die Leviten lesen, wenn diese von ihren Versprechen abzurücken wagen. Sie sind für diese Legislatur defintiv eine feste Größe mit der auch bei den kommenden Landtagswahlen zu rechnen ist.
Was so nicht möglich ist: Die FDP und die CSU können nicht mehr, gerade nicht in den Jamaika-Verhandlungen, hinter ihre Zusagen aus dem Wahlkampf zurück. Sie würden den Vorwurf Umfaller und Bettvorleger, Huren der Macht zu sein aufs deutlichste bestätigen und zeigen, dass eine rechte Wende in der Flüchtlingspolitik selbst mit den Rechtsauslegern der Ära Merkel nicht mehr zu machen ist. Die Folgen: Die FDP würde sich ihren Ruf endgültig ruinieren und könnte schon bei den kommenden Wahlen wieder zur Kleinpartei absteigen. Ähnlich könnten sich massive Verluste für die CSU in Bayern subsumieren, die sie ebenfalls zu exotischen Koalitionen zwingen könnte. Weiteres Wachstum der AfD würde drohen, wenn sich die enttäuschten Bürger dann dem Original zuwenden, wenn die Kopien nur faulen Budenzauber zu bieten haben.

Die AfD fungiert hier als Korrektiv, als Sturm der die Reise nach Jamaika überschattet und alle Beteiligten daran erinnert, was drohen kann, wenn sie den falschen Kurs einschlagen.
Das Regieren wird wieder stürmischer, der Ton im Parlament debattenfreudiger und es gibt wieder denkbare Alternativen zu großen überparteilichen EInmütigkeit des Systems Merkel. Frischer Wind an der Spitze der Regierung als auch im Widerstreit von Regierung und Opposition und damit in die Demokratie kommt gerade durch diese unbequeme Partei.

Die AfD wird schon dann ihre Existenz gerechtfertigt haben, wenn allein das System Merkel, ein Projekt präsidialer, fast monarchisch anmutender, Alternativlosigkeit, linkshegemonialer Stumpfheit und anti-demokratischer politischer Ausgrenzung endlich versenkt worden ist.
Die FDP und CSU haben es selbst in der Hand, ob sie rechtzeitig ins Rettungsboot steigen oder wegen der nebulösen Verlockungen eines Tropenstrandes mit Merkel untergehen wollen.

Das BRD-Jamaika ist wie Utopia, ein Nicht-Ort, eine ideologische Fantasie. Vielleicht lohnt es sich für manch einen danach zu streben, doch wer glaubt diesen Ort mit Biegen und Brechen tatsächlich erreichen zu können, wird schließlich auf der Suche danach auf Hoher See untergehen.

 

TV-Duell in der Einheitspartei

Gestern gab sich das große TV-Duell des diesmaligen Wahlkampfes die Ehre. Statt einer Debatte bekamen die Zuschauer jedoch nur wenig zu sehen: zwei Parteien, die sich im Grunde einig sind, eine Majestät die Audienz hält und ein untoter Kanzler-Kandidat der so tut, als könne er noch irgendetwas erreichen oder irgendetwas anders machen als die Kanzlerin.

Gestern gab sich das große TV-Duell des diesmaligen Wahlkampfes die Ehre. Statt einer Debatte bekamen die Zuschauer jedoch nur wenig zu sehen: zwei Parteien, die sich im Grunde einig sind, eine Majestät die Audienz hält und ein untoter Kanzler-Kandidat der so tut, als könne er noch irgendetwas erreichen oder irgendetwas anders machen als die Kanzlerin.

Seit der Ära Schröder kann der deutsche TV-Zuschauer, Wahl- oder Aktivbürger im Wahlkampf schon länger einer ganz besonderen Inszenierung beiwohnen. Angefixt von amerikanischen Methoden des Wahlkampfes, wo die Präsidentschaftskandidaten oder in den Vorwahlen die Kandidatenanwärter in mehreren Fernsehdebatte gegeneinander antreten dürfen, hat man die Fernsehdebatte (auch TV-Duell genannt) nach Deutschland geholt. Was bei Personenwahlen der USA und dem durchaus griffigen und ruchigen Stil der Selbstinszenierung von Kandidaten im Wahlkampf gut funktioniert und eine durchaus sehenswerte Angelegenheit ist, und sei es nur, um sich Absurditäten und Schlammschlachten zu gönnen, ist in Deutschland aber meist ein hüftsteifes Ritual.

Gut, man sollte mit dem Format vielleicht nicht zu hart ins Gericht gehen. Nach der Einführung unter Schröder kam seitdem kein Duell mehr ohne Merkel aus. Und Merkel ist weder der Typ für emotionale noch ungesicherte Auftritte. Das kleine Karo, oder besser die kleine Raute, Phrasen wie aus den Pressemappen ihres Regierungssprechers oder wie in diesem Fall im Vornherein abgesteckte Bedingungen halten die ganze Sache unter Kontrolle. Sie kann ihr übliches Handlungsprogramm ungestört abspielen. Modus: Verkündigung statt Debatte. Wahrheiten, Setzungen, so alternativlos wie ihre Politik schon immer war. Der einzige mögliche Unsicherheitsfaktor im ganzen Auftritt: Ihr Gegenkandidat. Doch da der von der SPD ist, ist auch dieses Problem nicht wirklich eines. Und zur Absicherung hatte Frau Merkel ja immer noch die vom Kanzleramt im Vorfeld ins Gebet genommenen Sendeanstalten. Die Moderatoren haben sie hofiert, während Schulz mit ständigen Unterbrechungen leben musste. Nicht das es viel geändert hätte, hätte es sich anders verhalten.

Im Endeffekt, muss man sagen, war diese ganze Fernsehdebatte im Kern schon gelaufen und das schon lange, bevor sie begonnen hatte und das in mehrfacher Hinsicht. Ein Teil folgt auch daraus, dass man das amerikanische Konzept im Prinzip unverändert übernommen hatte, es aber für das deutsche politische System enorme Konstruktionsfehler enthält.
Räumen wir mal das Offensichtliche zunächst bei Seite: Diese ganze Veranstaltung hier war schon eine Farce, weil die klare Siegerin der kommenden Wahl gegen den designierten Verlierer angetreten ist. Martin Schulz ist ein Untoter. Die Wahl ist demoskopisch schon haushoch verloren. Ein Sieg wäre allein, wenn die SPD eine eigene Koalition bilden oder eine Große Koalition anführen könnte. Rechnersich sind sowohl Rot-Grün und selbst vermutlich Rot-Rot-Grün ausgeschlossen. Von den inhaltlichen Differenzen zur Linkspartei mal ganz abgesehen. Ich denke den Wahnsinn einer Vierer-Koalition mit dem Wiedereinzug der FDP wird sich selbst die SPD nicht zumuten. Also Große Koalition, gesetzt den Fall Merkel findet nicht Gefallen an FDP und Grünen für eine eigene Party oder die SPD schließt diese kategorisch aus.

Nur ist die Möglichkeit, stimmenstärker als die CDU abzuschneiden, noch illusorischer, als auf das Wunder von R2G zu hoffen. Wie man es dreht: Schulz hat keinerlei Machtoption, keinerlei Aussicht auf den Sieg, höchstens die Chance auf einen Vizekanzler-Posten. Er ist nur noch ein Untoter, der die peinliche Scharade aufrecht erhalten muss, ein Kandidat zu sein, der noch eine Chance auf den Sieg hat.
In diesem Sinne hatten die Moderatoren schon recht, ihn abschätzig und Frau Merkel wie eine Majestät zu behandeln. Das Machtgefälle ist einfach zu augenfällig. Gleichzeitig war von Frau Merkel auch nichts anderes zu erwarten, als wie eine Königin über den Dingen schwebend platte Gewissheiten zu verkündigen und diese Debatte – im Vorfeld und auch in der Form des Sprechens – wie eine Audienz zu behandeln. Mit den Journalisten als ihren Zeremonienmeistern und St. Martin als kleinem Hofnarren. Im Prinzip aber ist sie die auf der Erbse ruhende Majestät, die wie auch schon in den letzten Debatten damit überzeugen konnte, das Publikum und das Volk, wie auch in diesem Wahlkampf, zu sedieren und durch vorgetragene diplomatische Beruhigung wieder in ihre Fänge zu ziehen. Zumindest in diesem Duell.

Kontroversen gäbe es eigentlich genug. Bei ihren letzten öffentlichen Auftritten stellten sich der Kanzlerin immer mehr empörte „Wutbürger“ entgegen und machten lautstark deutlich, was sie von ihr und ihrer Politik hielten: nämlich gar nichts. Auch wenn man sich einig war, wie böse, rechts und undemokratisch das alles ist und niemand die offenkundige Ignoranz von Frau Merkel für ihre Kritiker zur Kenntnis nahm, so muss man zumindest anerkennen: Ohne das Hereingrätschen von rechts wäre dieser Wahlkampf bisher genauso narkotisch verlaufen wie seine Pendants 2009 und 2013. Und wir dürften sicher von einem weiteren historischen Tief der Wahlbeteiligung sprechen. Die politische Mobilisierung erscheint mir bisher aber deutlich größer zu sein, weil mit der AfD eine neue Triebkraft das politische Milieu inzwischen aufwirbelt und Stimmen bei den Abgesprungenen sammelt.
Das macht wiederum den eklatanten Konstruktionsfehler des TV-Duells deutlich. Im angelsächsischen Raum, mit zwei gegensätzlichen Großparteien und dem The-Winner-takes-it-all-Prinzip, macht es Sinn die Granden der beiden unterschiedlichen Blöcke gegeneinander antreten zu lassen. Koalitionen sind dort nicht vorgesehen und finden so gut wie nie statt und wenn, dann nicht zwischen den großen Parteien. In Deutschland ist das anders. Der große natürliche Gegenspieler der Kanzlerin und der CDU ist irrsinnigerweise in dieser Logik die SPD. Und das funktioniert in Deutschland nicht. Nicht nur, dass die CDU sich der SPD unter Frau Merkel inzwischen ins Groteske angenähert hat, hat man auch in der jetzt zu Ende gehenden und der vorletzten Legislatur in der Großen Koalition zusammen gearbeitet und eigentlich gemeinsame Politik gemacht. Nicht umsonst sprachen einige Kommentatoren bereits von einem Koalitionsgipfel, statt einem TV-Duell.

Die naheliegende Wahl wäre eine der beiden Spitzenkandidaten der größeren oppositionellen Blöcke gewesen, entweder Die Linke auf der einen oder gar die AfD auf der anderen Seite. Doch die schiebt man lieber zum heute stattfindenden Fünfkampf ab, der dafür aber auch deutlich sehenswerter sein dürfte. Das Ganze machte dieses TV-Duell an sich zu einer veritablen Zeitverschwendung, zeigte aber zugleich ein paar Punkte umso anschaulicher:

Auf Twitter machten in der Folge des Duells eine Menge guter Bonmots die Runde. Am Ende sind es zwei, die exemplarisch für den ganzen Rest stehen können. Die AfD meldete sich mit: Für den einen sind die Flüchtlinge wertvoller als Gold [lassen wir mal den eigentlichen Kontext des Zitates außer auch und erkennen an, das Schulz und SPD sehr migrationsfreundlich sind] und die andere würde noch einmal alles genauso machen wie 2015. Nicht umsonst ging am Ende ebenfalls die Meinung um, dass der wahre Gewinner des TV-Duelles eigentlich die AfD war. Die Kommentatoren meinten das durchaus kritisch, denn schließlich haben sich Schulz und Merkel tatsächlich dazu heinreißen lassen über Fragen zu diskutieren, die die AfD quasi auf den politischen Tagesplan gesetzt hatte bzw. besetzt hatte. Außerdem kamen endlich späte Einsichten darein, auch deren politische Einsichten bzw. deren politische Vernunft in diesen Fragen zumindest ein Stück weit zu übernehmen. Ein Aufschrei des linken Medien-Establishments, unter anderem von Jakob Augstein, dass sich die beiden damit in rechtspopulistisches Fahrwasser begeben hätten, macht eigentlich deutlich, wer bei dieser Wahl die natürliche Alternative darstellt; zumindest in den entscheidenden Fragen.

Am Ende können Schulz und die SPD keine Alternative zu Frau Merkel und umgekehrt anbieten. Beide Parteien haben die Politik mitgetragen, die uns hinsichtlich der Migration und ihrer Folgen in die Lage versetzt hat, in der wir uns befinden. Wenn Frau Merkel also meint, dass sie gezeigt hat, dass eine von der CDU geführte Regierung Deutschland gut tut, dann ist das zwar unwahr, aber natürlich wird sie nicht über ihre eigene Regierung sagen, sie sei schlecht gewesen. Fehler an der Aufnahmepolitik mag sie ja ohnehin seit Monaten nicht erkennen.
Dabei wäre die Liste lang. Sie fängt damit an, der Flüchtlingshilfe deutsche Überweisungen zu kürzen und sich lieber dem Wahnsinn zu ergeben, relativ wenige Flüchtlinge für viel Geld in Europa zu versorgen (und sie auf einen gefährlichen Marsch über die Türkei oder zu einer Fahrt übers Mittelmeer zu locken) statt mit dem gleichen Geld viel mehr Menschen in den Lagern in den nahen Anrainer-Staaten versorgen zu können. Man brach internationales Recht, isolierte Deutschland in Europa und wollte von Obergrenzen nichts hören. Dafür dominierte in den Medien ein Geflecht aus Beschönigungen, Totschweigen oder Lügen, was die Bildung, die Integrationsfähigkeit, den Bedarf oder auch die Kriminalität der Migranten anbelangte. Hofberichterstattung vom Feinsten. Generell machte man bald keinen Unterschied mehr zwischen echten Flüchtlingen, Wirtschaftsmigranten und illegalen Einwanderern. Alles war gleich und alles sollten wir aufnehmen. Die Kritiker? Ignorierte man, verlachte sie, hasste sie und machte sie schließlich mundtot. Dem NetzDG – eine weitere Gemeinschaftsarbeit von SPD und CDU – sei Dank, öffnete man der Zensur kontroverser Meinungen alle Türen und schuf einen Exportschlager für halbseidene Demokratien oder Diktaturen wie Russland, Weißrussland oder Nord-Korea. Es gibt also eine Menge das man kritisieren, angreifen oder besser machen könnte und müsste.

Und die SPD? Schulz kann die Kanzlerin aus zwei Gründen nicht angreifen. Einerseits war die SPD als Koalitionspartner direkt an all diesen Maßnahmen beteiligt, andererseits würde sie eben im Großen und Ganzen nichts anders machen als die Kanzlerin. Vielleicht sogar noch offenherziger und damit noch verantwortungsloser agieren. Zumindest wenn man Frau Özuguz als Maßstab der Partei in Migrationsfragen heranzieht oder wenn man die Positionen zur EU und zur Griechenland-Rettung bedenkt. Und Ober-Zensurminister Maas mit seiner Maasi ist gar Mitglied der SPD.
In einem TV-Duell in dem die Alternativen gegeneinander antreten sollen, kriegen wir vor allem eines vorgeführt: die große Alternativlosigkeit. Wir sehen das Diktum von Merkels Politik verkörpert in zwei sich kaum mehr unterscheidenden Parteien und Kandidaten. Und wir sehen eine halbe Sinnlosigkeit der Wahl, denn mit SPD oder CDU wählt man genau eines: die einmütige sozialdemokratische Einheitspartei Deutschlands.

Es ist klar, dass die AfD der große Sieger dieses Fernsehduells geworden ist. Nichts ist offenkundiger geworden als die Notwendigkeit einer Opposition, die diesen Namen verdient und einer Alternative in einer Politik, die in sich so alternativlos geworden ist, wie nie zuvor.

Sonntagsfrage: Zwischen den Stühlen

Ich habe mir kürzlich selbst die berühmte Sonntagsfrage gestellt. Das mache ich hin und wieder um noch zu schauen, wie anknüpfungsfähig ich im Moment überhaupt noch an das politische Spektrum bin. Ich muss sagen es sah düster aus.

Ich habe mir kürzlich selbst die berühmte Sonntagsfrage gestellt. Das mache ich hin und wieder um noch zu schauen, wie anknüpfungsfähig ich im Moment überhaupt noch an das politische Spektrum bin. Ich muss sagen es sah düster aus.

Ich war jetzt lange Jahre ein Anhänger der SPD gewesen. Ich wurde in Zeiten der Ära Schröder politisiert und von ihm begeistert. Diese Zeit prägte und prägt mein Verständnis und meine Überzeugungen von Wirtschafts- und Sozialpolitik bis heute. Schröder war es der mich seinerzeit für die SPD gewann (überhaupt für meine erste Partei); für eine Partei die für mich den Ausgleich zwischen dem Anspruch einer guten sozialen Versorgung und dem Pragmatismus hinsichtlich einer dafür notwendigen, starken wirtschaftlichen Basis verkörperte. Dem gegenüber stand eine CDU, die die soziale Gerechtigkeit im Zweifel immer der Wirtschaft zu opfern schien, den Staat neoliberal zu schwächen gedachte und ansonsten wenig zur Gestaltung der Gesellschaft tun wollte und das mit der Wahl von Angela Merkel schließlich auch institutionalisierte, die weder eine Vollendung und Abrundung der Agenda-Reformen vornahm, sich auf den Erfolgen ausruhte, die die Agenda-Reformen, für die die SPD dann verprügelt wurde, überhaupt erst hervorgebracht hatten und sich dafür gleichzeitig selbst feiern ließ und jetzt auch in den vergangenen Jahren Reformen und Investitionen unterließ, die den Staatskörper fit und effizient gemacht hätten. So meine Vorstellung, dass jeder Effizienzgewinn an anderer Stelle wiederum hätte in sinnvollere Projekte reinvestiert hätte werden können.

Die Fähigkeit genau für dieses systemische Fortkommen zu sorgen, traute ich über die Jahre einzig der SPD zu und tat mein Möglichstes auch bei der letzten Bundestagswahl, dass sie mit rot-grün würden die ewige Kanzlerin ablösen können. Der Witz an der Geschichte: Ich verstand mich immer politisch als sozial und ordnete mich da entsprechend hinsichtlich meiner Vorstellungen Mitte-Links ein, obwohl ich tatsächlich in meinen Werten eher konservativ eingestellt bin, hinsichtlich meiner nationalen Gefühle sogar noch weiter rechts stehe – und wie mir unbedarftem Jugendlichen aber erst später bewusst wurde, die SPD nicht einzig eine Arbeiterpartei ist, sondern sich in ihrem Programm freilich auch für all das einsetzt, auf das ich eher unmusikalisch reagiere. Das stellte aber lange Zeit für mich kein Problem dar, denn die nationale Frage lag nie in der Dringlichkeit auf dem Tisch und in der jugendlichen Naivität (in der man ohnehin davon ausgeht, dass die Menschen grundsätzlich ohnehin alle so ähnlich denken, wie man selbst es tut, man nur die richtigen Argumente finden oder Sichtbarrieren beseitigen müsse) meinerseits, glaubte ich im Ernstfall könne man einen Kompromiss finden, übersah das das Überwinden des Nationalen praktisch schon lange zum Kernbestand der SPD gehörte und das bspw. über eine zugunsten der autochthonen Bevölkerung mindestens regulierte Einwanderung kein Konzept sei, über das man überhaupt reden könne, da man schon die Grundlagen des Denkens dahinter ablehnen würde. Trotz einer guten Aussage von Sigmar Gabriel, was ich durchaus als Handreichung verstanden habe, habe ich inzwischen ernüchtert feststellen müssen: Ich bin wohl neunzig Jahre zu spät für die SPD, die SPD die nationaler, weil staatstragender und staatsbewusster, bevölkerungs- und demokratieorientierter als jeder andere Partei ihrer Zeit war und sich bis zuletzt der Machtübernahme der Nationalsozialisten in den Weg gestellt hatte, ohne aber anders als heute mit dem Tod des Nationalen zu kokettieren, sondern für eine bessere deutsche Nation einzutreten. Von der Abkehr einer ausgeglichenen Wirtschafts- und Sozialpolitik, die in den letzten Jahren vollzogen wurde, ganz zu schweigen, obwohl Herr Gabriel sein bestes tut. Kurz um, kann ich die SPD nicht mehr ohne das schlechte Gewissen, damit dem Ausverkauf der Werte, die für mich auch zentral sind, Vorschub zu leisten, unterstützen.

Davon ab, dass die Partei, für die ich mich bei den letzten Wahlen immer eingesetzt hatte, mich wohl auch nicht mehr haben wollen würde. Ich gehöre ja quasi zum Pack, dass man nicht haben will bzw. auf das man dankend verzichten kann. Meine bisher sicher geglaubte politische Heimat habe ich verloren.

Doch wo liegen die Alternativen? Als Konservativer wendet man sich ja ganz naheliegend der CDU zu, sollte man meinen. Einerseits hat die Frau Merkel zu bieten, die ich aufgrund ihrer Unbestimmtheit in vielen wichtigen Fragen der letzten Jahre – ich erkenne aber ihre klare Haltung jetzt in der Flüchtlingsfrage mit gewissem Erstaunen an – nur ungern noch zu einer weiteren Amtszeit verhelfen will. Wir brauchen jemanden der reformiert und anpackt und die kommenden Problemlagen nicht einfach auf sich zukommen lässt. Außerdem ist der CDU in sozialen Fragen nicht zu trauen. Die Vergangenheit zeigt eindeutig, dass die soziale Frage fast immer der Wirtschaft drangegeben wurde, wenn sich dort Kritik hob. Dazu kommt eine geradezu zwanghafte Fixierung auf den amerikanischen Partner, die darin resultiert ihm auch jedes noch so große Schindluder durchgehen zu lassen, anstatt auf Augenhöhe Kritik zu üben und auch Konsequenzen zu vollziehen und alles andere als Anti-Amerikanismus zu schmähen. Auf der anderen Seite ist die kritiklose Hingabe an die EU einschließlich des Bekenntnisses zu einer immer engeren Union für mich kritisch zu beurteilen. Anstatt an einem einigen Europa in Vielfalt und Freundschaft zu arbeiten, wird stattdessen weiter an der fragwürdigen Verhärtung und Ausweitung der Institutionen zu deren Selbstzweck gearbeitet, was schon in der Angelegenheit mit Griechenland zu mehr Konflikten geführt hat, als dass sie sie gelöst hätten. Und es ist auch die Frage, wie weit es mit dem Konservatismus in der Union überhaupt noch her ist. Das konservative Lager ist eine Bastion, eine sehr kleine Bastion alter Männer und beflissener Jungunionisten, dass zur Profilpflege dient, aber nicht ernstlich gegen den sozialen Mittekurs der Kanzlerin, der gerade durch die Abschleifung jedes Profils gekennzeichnet ist, überhaupt Schnitte in den politischen Leitlinien der Partei machen kann. Dazu ist es ein allzu häufig dumpfer und muffiger Konservatismus, der statt die wirklich brisante Frage der Nation anzupacken sich vielmehr in Fragestellungen verrennt, wo mehr Aufgeschlossenheit freilich deutlich wünschenswerter wäre zum Beispiel bei der Frage nach der Ehe von Homosexuellen, dem Status des Computerspiels; von der zweifelhaften Neigung zu Law & Order Politik und Überwachung ganz abgesehen. Dazu behagt mir eine Partei nicht besonders, die eine Religion im Namen trägt, selbst wenn dies mittlerweile zu einer leeren Phrase verkommen ist. Die CSU will ich an der Stelle nur mit ein, zwei Aussagen würdigen, nämlich der, dass sie eine inzwischen immer provinzieller auftretende Kraft ist, die ihre Fähigkeit verliert, dass konservative Korrektiv für die Merkel-CDU zu sein.

Die FDP habe ich immer verabscheut, nicht weil sie bürgerrechtsliberal wäre, sondern gerade weil sie das nicht mehr ist, sondern sich ganz marktliberal ausschließlich nur noch der Freiheit der Gewinnmaximierung politisch widmet. Warum die Grünen nicht in Frage kommen, ist wohl auch mit der Frage nach der SPD beantwortet, weil dort das antinationale Potenzial noch größer ist und das obwohl ich durchaus sehr umweltbewusst eingestellt bin. Dann wäre da noch Die Linke und hier gilt das auch wieder und sogar noch schlimmer, wenn ich an eine kürzlich stattgefundene Demonstration denke, auf der ein Pro-Volkstod-Banner zur Schau getragen wurde. Widerlich. Außerdem hat im  Gegensatz zur SPD Die Linke mit der reinen sozialen Lehre nie gebrochen und möge die wirtschaftliche Basis des Sozialsystems darüber zu Grunde gehen. Außerdem ist ihre zweifelhafte Haltung zum DDR-Regime und dessen Verbrechen für mich abschreckend. Auch wenn ich für einzelne Charaktere durchaus große Sympathien hege und dem ostdeutschen Realo-Flügel durchaus auch seine guten Seiten abgewinnen kann. Aber ich denke im Endeffekt wäre ich bei dieser Partei noch deplatzierter, als ich es momentan bei der SPD bin.

Nationalist, dann komm doch endlich zu deinen Lieblingsparteien, wird man sich jetzt an der Stelle sicher sagen. Nehmen wir mal als die einzig relevanten Kräfte die NPD und die Alternative für Deutschland und schauen sie uns an. Aus den oben genannten Punkten sollte ja schon vorhergegangen sein, dass ich mannigfache politische Interessen hege, die an sich erstmal so grundsätzlich im Gleichgewicht liegen. Das Nationale macht da keine Ausnahme. Als Nationalist lege ich natürlich sehr viel Wert darauf und muss gerade in Zeiten, wo sich diese Frage dringend stellt, bei Parteien darauf achten. Aber wenn sich der Nationalismus mit Abwertung, Unmenschlichkeit, Extremismus, Verbrecherschaft, Terrorismus oder einer zweifelhaften Einstelllung zur Demokratie oder dem politischen System meines geliebten Staates paart, dann ist diese Partei trotz ihrer vermeintlich nationalen Gesinnung absolut inakzeptabel. Und damit dürfte zur NPD schon alles gesagt sein, wenn sie nicht ohnehin bis zur kommenden Bundestagswahl vom Bundesverfassungsgericht verboten worden ist.

Bleibt nur noch die Alternative für Deutschland. Ich habe den Aufstieg der Partei durchaus mit gewissem Interesse verfolgt doch das Handeln der letzten Monate spricht Bände. Statt eines gemäßigten Nationalismus predigen gewisse, darüber hinaus auch noch zweifelhafte, Personen dort reinen Populismus, verbreiten Angst und Lügen und öffnen sich Kräften, die in mehr als einer Hinsicht als fragwürdig zu bezeichnen wären. Und Bernd Lucke, der als Garant für Stabilität, Mäßigung und Realpolitik galt, ist inzwischen gegangen oder gegangen worden. So genau weis man es nicht.

Da sie eindeutig Fleisch vom Fleische der CDU/ CSU und FDP ist, trägt sie ebenfalls mit dem nach Lucke gefolgten Rechtsrutsch auch deren insbesondere muffig konservatives Erbe zur Schau. An der Sozialdemokratisierung der CDU war aus meiner Sicht sicher nicht alles verkehrt, aber es ist natürlich nur allzu richtig und verständlich, dass Konservative auch einen echten Ansprechpartner brauchen, der für christliche Werte, Sexualmoral und dergleichen eintritt, aber es geht hier ja um die Frage, ob ich damit klarkommen kann. Auch wenn ich gewisse konservative Werte, zum Beispiel in Fragen der Familienpolitik teile, bin ich auf anderen Feldern liberaler und progressiver und damit eher Klientel der SPD oder der Grünen. Dass es auf mich derzeit den Eindruck macht die AfD wolle bezüglich Frauen auch keine Wahlfreiheitspolitik sondern stattdessen wieder nur klassische Rollenbilder macht es da nicht besser.
Das Hochfahren christlicher Religionspolitik und des christlichen Bekenntnisses schreckt als Atheist generell ab und ich halte es auch gefährlich, das als Konter gegen den Islam zu gebrauchen. Im Endeffekt archaisieren wir uns selbst, statt den archaischen Islam zu marginalisieren, mögliche geschürte Religionskonflikte einberechnet.

Und der Anteil der FDP? Es ist zumeist das neoliberale Erbe der Jahrtausendwende: der Staat ist verdächtig, zu übergriffig, nicht effizient, die Sozialsysteme zu fett. Zumindest ist es das, was mir so zu Ohren kommt. Das widerspricht meinen Ansichten, auch wenn sich hier natürlich wie bei der CDU abgelegte und Positionen wiederfinden und es daher auch berechtigt ist, dass diese Wähler durch die AfD vertreten werden. Der Staat ist in manchen Bereichen wirklich allzu übergriffig und könnte, wenn effizienter in seinen Arbeitsprozessen gestaltet, auch Mittel für sinnvollere Verwendungen freimachen, aber im Kern widerspricht die AfD-Linie in dieser Hinsicht meinen sozialen Überzeugungen.

Schlussendlich muss ich konstatieren, dass die Alternative für Deutschland, für manch einen eine gangbare Alternative wäre, je nachdem ob sie sich noch weiter radikalisiert oder nicht, für mich aber derzeitig leider nicht viel wählbarer erscheint als das restliche Parteienangebot. Dabei ist natürlich festzuhalten, dass in den derzeit drängenden Fragen nach der nationalen Souveränität, Integrität und Identität die AfD leider auch die zumindest einzig politisch opportune Partei ist, die Lösungen anbietet, die mir schmecken würden.

Wenn ich aber auf die eingangs gestellte Sonntagsfrage zurückkomme, muss ich leider gestehen. Ich weis nicht wen ich wählen soll und würde womöglich das erste Mal, seitdem ich das Wahlrecht habe, wohl eher dazu tendieren nicht oder ungültig zu wählen.

Das große Problem ist nämlich eindeutig, dass ich hier politisch zwischen zwei Großblöcken sitze, von denen ich jeweils zwei große Themenkomplexe wichtig und richtig finde, bei denen man aber gleichzeitig weitere Komplexe einkauft, die diesen aber wiederum widersprechen. Von links ist es die soziale Gerechtigkeit und das progressive Engagement, von rechts ist es die nationale Agenda denen wiederum stehen rechts das konservativ-neo-liberale Engagement der AfD und links der Internationalismus gegenüber. Und rechts und links sind heutzutage kaum noch alternativ also ohne die Ausrichtung zu denken. Links ist inzwischen derartig verbandelt und festgefahren in den Denkstrukturen des antinationalen Internationalismus, dass man kaum mehr ein Linker sein kann, ohne diese Dinge mitzukaufen und eine sozial-(r)evolutionäre Rechte war ohnehin immer eine seltene Randgruppe.

Was sich früher für mich auf linker Seite nach halbwegs vereinbaren ließ, weil ich eine patriotische Plattform in der SPD für möglich hielt, ist inzwischen derartig unerträglich geworden, dass die Partei einfach nicht mehr wählbar ist ohne die Fortsetzung der bisherigen Politik zu legitimieren und… ich weis nicht, ob der Leidensdruck aber noch nicht hoch genug ist, um über meinen Schatten zu springen und die AfD für wählbar zu halten, zumindest unter dem Bild, das die Partei jetzt von sich zeichnet. Ich sitze also zwischen den Stühlen.